Bei der Grünen Woche demonstrieren konventionelle Bauern gegen Biolandwirte. Wir haben zwei Bauern zum Streitgespräch gebeten.

Bio oder kein Bio, das ist hier die Frage: Bei der Grünen Woche stoßen landwirtschaftliche Philosophien aufeinander. Zwei Gegner haben wir zum Streitgespräch geladen: Jochen Fritz ist Biobauer im brandenburgischen Werder an der Havel. Er organisierte am Sonnabend zum siebten Mal die Demonstration „Wir haben es satt!“. 10.000 Menschen gingen in Berlin für regionale und ökologische Landwirtschaft auf die Straße. Bernhard Barkmann findet dagegen: „Wir machen euch satt.“ Er ist konventioneller Landwirt aus dem Emsland in Niedersachsen und schloss sich der Gegendemonstration an.

Herr Fritz, Sie demonstrierten am Sonnabend vor allem gegen die Agrarindustrie. Was meinen Sie damit?

Jochen Fritz: In Brandenburg sehe ich Hühnerställe mit 400.000 Tieren, ein Schweinestall mit 65.000 Tieren. Wir sagen: Der Fleischverbrauch muss runter, wir brauchen artgerechte Haltung.

Bernhard Barkmann: Agrarindustrie ist für mich ein pauschaler Kampfbegriff. Mein Betrieb hat 1500 Mastschweineplätze. Ist das auch Industrie? Viele Menschen denken, konventionelle Tierhalter seien empathielos und profitgeil. Mit eurer Demonstration tragt ihr zur negativen Stimmung bei.

Fritz: Mit Agrarindustrie meinen wir nicht deinen Hof, uns geht es um den Erhalt regionaler Betriebe. Wir sollten aber auch Probleme sehen. Die Artenvielfalt geht zurück. Die Tierhaltung ist nicht mehr gesellschaftsfähig.

Barkmann: Im Emsland gibt es schon mal Hähnchenställe mit 40.000 Tieren, die müssen nicht schlecht sein. In der Vergangenheit haben wir den Fehler gemacht, die Stalltüren zu schließen. Dadurch hat sich ein tiefes Bild in den Köpfen eingehämmert. Das müssen wir wieder durchbrechen und zeigen: Das hier ist mein Stall. Hundert Prozent Beton. Den Tieren geht es aber nicht schlecht.

„Wir haben es satt“ fordert eine Umschichtung öffentlicher Gelder zugunsten ökologischer Landwirtschaft. Ist das fair?

Fritz: Wir wollen ja solche Großbetriebe nicht verbieten. Aber wir brauchen einen gerechten Preis. In Intensivgebieten entstehen durch Gülle zum Beispiel riesige Kosten, das Wasser aufzumischen, damit die Nitratwerte nach unten gehen. Wer dafür verantwortlich ist, der muss auch die Kosten tragen. Die Regierung plant zwar 20 Prozent Ökolandbau. Wie wir dazu kommen sollen, das sehe ich aber noch nicht. Da muss Geld umgeschichtet werden. Und das muss dort landen, wo die Betriebe zum Umbau bereit sind.

Barkmann: Umschichten sehe ich kritisch. Ich bekomme zum Beispiel eine Flächenprämie. Wenn man die in Tierhaltungsförderung umschichten wollte, da kann ich mir vorstellen, dass einige Ackerbauern auf die Barrikaden gehen. Gerade in schlechten Jahren sind Direktzahlungen auch für konventionelle Betriebe wichtig, damit sie überhaupt über die Runden kommen.

Wie bekommen Sie die Agrarindustrie zu spüren?

Fritz: Wenn ich von Wiesenhof mein Futter kaufen muss, das Hühnchen kaufen und meine Tiere noch an den gleichen Mann abliefern muss. Das ist ein total integriertes System. Und so möchte ich keine Landwirtschaft betreiben. Die regionalen Landwirte wollen wir schützen.

„Vielfalt nicht nur vorgaukeln“

Barkmann: Bauernhöfe meiner Größe sind eher typisch für das Emsland. Ich finde die Vielfalt toll. Ich bin zum Beispiel froh, dass wir in Deutschland unterschiedliche Biersorten haben, die alle ihren unterschiedlichen Charakter haben und aus unterschiedlichen Regionen kommen.

Fritz: Man muss aufpassen, dass die Produkte nicht nur Vielfalt vorgaukeln. Vorne stehen zehn verschiedene Geschmacksrichtungen drauf, und eigentlich ist es der gleiche Joghurt. Das, was ich im Supermarkt sehe und was die Lebensmittelindustrie verkauft, ist nicht Vielfalt in der Herstellung. Gerade wenn du den Bierbereich nimmst. Wir haben da eine extreme Konzentration. Letztendlich geht es um die Frage: Möchte ich noch größere Produktion oder gesunde Lebensmittel für Europa?

Barkmann: Es ist nicht so, dass wir nur für den Export produzieren. Beim Schwein sind Innereien, Füße und Ohren in Deutschland aber nicht so stark gefragt. Die müssen exportiert werden. Der Verbraucher hat den Wunsch, das magere und edle Filet zu essen, die fettreichen Teile und Inneren eher nicht so gern. Vielleicht sollte man ihm lieber zeigen, wie man mit den Nebenprodukten eines Schweins besser umgehen kann.

Fritz: Zuerst einmal muss der Fleischkonsum runter. Die Menschen sollen anständiges Fleisch kaufen und einen ordentlichen Preis zahlen.

„Fleischkonsum darf nicht zum Statussymbol werden“

Wird anständiges Fleisch also ein Essen für Reiche?

Fritz: Uns als Reichenbewegung abzustempeln, finde ich falsch. Ich kenne viele, die mit wenig Geld auskommen und sich trotzdem gut ernähren. Wie kann aber ein Bauer davon leben, wenn ein Kilo Hähnchen 2,50 Euro bei Aldi kostet. Hier profitiert nur die Fleischindustrie. Vielleicht haben wir alle mehr davon, wenn ein Hähnchen auch mal zehn Euro kostet. Wenn man ein bisschen weniger davon isst, dafür anständige Hühner bekommt und der Schlachthof ordentlich bezahlt wird.

Barkmann: Wir müssen aber auch den Wert der sicheren Lebensmittelversorgung in Deutschland anerkennen. Fleischkonsum darf nicht zum Statussymbol werden. Wenn wir unsere Tierhaltung umbauen wollen, dann kostet das Geld. Arbeitswirtschaftlich muss man auf die Kosten achten. Nur wenn der Verbraucher viel zahlen will: Dann ist das ein Wunsch, dem wir uns fügen. Letztlich können wir nur produzieren, was der Verbraucher uns abnimmt.

Hintergrund:

Ziel Ökolandbau: Die Demonstration „Wir haben es satt!“ findet seit sieben Jahren statt. Veranstalter ist ein Bündnis aus rund 100 Organisationen, darunter Umwelt-, Tierschutz- und alternative Agrarverbände. 2017 legten sie dem Bundeslandwirtschaftsministerium einen 9-Punkte-Plan vor. Darin fordern sie, jährlich 500 Millionen Euro mehr in bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft zu investieren. Die Bundesregierung hat eine Zukunftsstrategie für ökologischen Landbau initiiert. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) will sie im Februar vorstellen.

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