Terror in Berlin

Ermittler kämpfen im Fall Amri mit riesigem Datenberg

| Lesedauer: 4 Minuten
Alexander Dinger und Steffen Pletl
HANDOUT - Die Bildkombo zeigt die am 21.12.2016 vom Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten Fahndungsfotos des mutmaßlich tunesischen Verdächtigen Anis Amri. Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt sind die Fahnder möglicherweise einen Schritt weitergekommen. Die Bundesanwaltschaft will am Nachmittag des 04.01.2017 über zwei Kontaktmänner des mutmaßlichen Attentäters Anis Amri informieren. Foto: -/Bundeskriminalamt/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

HANDOUT - Die Bildkombo zeigt die am 21.12.2016 vom Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten Fahndungsfotos des mutmaßlich tunesischen Verdächtigen Anis Amri. Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt sind die Fahnder möglicherweise einen Schritt weitergekommen. Die Bundesanwaltschaft will am Nachmittag des 04.01.2017 über zwei Kontaktmänner des mutmaßlichen Attentäters Anis Amri informieren. Foto: -/Bundeskriminalamt/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Foto: - / dpa

Dutzende Beamte werten die Daten zum Attentäter aus. Noch immer ist das genaue Bewegungsprofil Amris unklar.

Derzeit ist die Fussilet-Moschee an der Perleberger Straße in Moabit geschlossen. Auf einem Schild am Eingangstor werden dafür die „Lügen der Presse und Renovierungsarbeiten“ verantwortlich gemacht. Am Donnerstag ist weit und breit niemand zu sehen.

Erst Anfang der Woche hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) mitgeteilt, dass der Berliner Verfassungsschutz den Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri im Oktober 2016 zweimal beim Betreten der als radikal geltenden Moschee aufgenommen hatte. Ursprünglich sollte dort am 2. und 3. Oktober ein Islamseminar der Salafisten-Szene observiert werden, das damals jedoch abgesagt wurde.

Seit zwei Jahren will die Berliner Innenverwaltung den Moschee-Verein verbieten und sammelt dafür akribisch Material, weil die Hürden für Vereinsverbote in Deutschland sehr hoch sind. Das Material sei damals aber nicht vollständig ausgewertet worden, weshalb man Anis Amri nicht entdeckt habe, hieß es.

Eine zweite Lesart ist jedoch die, dass die Ermittler damals einfach nicht erkannten, wer da plötzlich in der Fussilet-Moschee auftauchte. Offiziell war die Observation Amris, der als Gefährder galt, wenige Tage zuvor beendet worden, weil sie bis auf eine typische Kleinkriminellen-Karriere nichts Belastendes ergeben habe. Nun ist das Material von damals vor dem Hintergrund des Anschlages auf den Weihnachtsmarkt noch einmal ausgewertet worden. Erst dabei habe man Anis Amri entdeckt.

Großteil der gesammelten Daten unbearbeitet

Am vergangenen Mittwoch hatte Geisel die Innenpolitiker der Abgeordnetenhausfraktionen über den aktuellen Ermittlungsstand informiert. Über Details aus dem Treffen wurde Stillschweigen vereinbart. Mehrere Teilnehmer schilderten aber übereinstimmend, dass sie wenig Neues erfahren hätten. „Vieles waren Sachen, die schon in der Zeitung standen“, sagte ein Politiker am Donnerstag der Berliner Morgenpost.

Immer mehr wird aber auch klar, dass die Ermittler, die ein genaues Bewegungsprofil Amris nachzeichnen wollen, mit einem immensen Datenberg zu kämpfen haben. Während der Observation Anis Amris von März bis September vergangenen Jahres haben die Ermittler so viel Material gesammelt, dass bislang nur ein Teil ausgewertet werden konnte. Nach Informationen der Berliner Morgenpost war zum Zeitpunkt des Anschlages der Großteil der gesammelten Daten noch unbearbeitet.

Hinzu kommt nun, dass auch Videoaufzeichnungen aus der Zeit nach der Observation – wie im Fall der Fussilet-Moschee – ausgewertet oder erneut angesehen werden müssen. Knapp 30 Ermittler sind allein mit der Sichtung von Videoaufzeichnungen und Protokollen beschäftigt.

Nachfragen bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe dazu werden nicht beantwortet. „Wir teilen mit, wenn es etwas Neues gibt“, heißt es dort seit Tagen auf Nachfrage.

„Natürlich hätte man Amri in dieser Zeit hochnehmen können“

Und so wirft der Terroranschlag von Berlin weiter viele Fragen auf. Nicht nur, dass Amri die deutschen Behörden mit seinen 14 verschiedenen Identitäten narrte. Lauter werden auch unter Berliner Innenpolitikern die Fragen, warum kein Zugriff auf Amri während der Observation erfolgte. Immer öfter hört man bei den Innenpolitikern auch das Wort „Untersuchungsausschuss“.

Doch wer sich wiederum mit Ermittlern unterhält, erfährt schnell, dass auch hier die Dinge diffiziler sind, als sie für Außenstehende anmuten. Amri fiel in Berlin während der Observation nicht als streng gläubiger Moslem auf. Er praktizierte keinen Ramadan, ging nicht regelmäßig zum Gebet in die Moschee, verkaufte und konsumierte wahrscheinlich Kokain und Crystal, war an einer Körperverletzung in einer Shisha-Bar an der Hermannstraße in Neukölln verwickelt. „Natürlich hätte man Amri in dieser Zeit hochnehmen können“, sagt etwa eine mit dem Fall vertraute Person. Aber für eine Haft hätten die Vorwürfe nicht ausgereicht. Gleichzeitig hätte man bei einem Verfahren aber riskiert, dass Amri Akteneinsicht beantragt hätte und so die Observation aufgeflogen wäre.

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