Fit in den Herbst

Ernährungsexperte: „Vitamin C hilft nicht gegen Erkältung“

| Lesedauer: 8 Minuten
Paulina Czienskowski
Ernährungsexperte Professor Andreas Pfeiffer von der Charité: „Vitamin C hilft nicht  gegen Erkältung“

Ernährungsexperte Professor Andreas Pfeiffer von der Charité: „Vitamin C hilft nicht gegen Erkältung“

Foto: picture-alliance / Helga Lade Fo / info@helga-lade.de

Ernährungsexperte Andreas Pfeiffer sagt, was er von Superfood hält und verrät, was im Winter wirklich gegen Erkältungen wirkt.

Draußen ist es so trist, dass es einen fast wütend machen könnte. Auf den Straßen wird gehustet und geschnupft. Dazu kommt der plötzliche Appetit. Vor allem auf das Ungesunde: Fett und Zucker! Was der Ernährungsexperte Professor Andreas Pfeiffer von der Charité davon und von Superfoods hält, hat er der Berliner Morgenpost verraten.

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Zu dieser Jahreszeit ist man ein Vielfraß – ist das evolutionär bedingt?

Andreas Pfeiffer: Ich würde eher sagen, da schlägt die Psychologie zu. Wenn die Weihnachtszeit naht, wird es gemütlicher, und man bekommt Lust auf die leckeren Dinge.

Wir futtern uns also keinen Winterspeck an?

Solche Theorien sind meist Volksweisheiten. Speck futtern sich nur Tiere an, weil es im tiefsten Winter in der Regel nichts zu essen für sie gibt. Wir aber haben einfach Lust auf Essen, und leider oft auf mehr, als uns guttut. Das sieht man.

Wie meinen Sie das?

Seit etwa 20 Jahren steigt das Körpergewicht pausenlos an. Momentan hat ein durchschnittlicher Deutscher einen BMI von 29, was an der Grenze zur Adipositas ist. In den 50er-Jahren lag er bei 22. Normalgewicht bedeutet übrigens bis zu 25.

Auweia.

Das reflektiert die Tatsache, dass Essen eine grundlegende Freude von uns ist. Es hat übrigens auch nicht nur Vorteile, dünn zu sein, da dem Organismus dann oft gewisse Vorräte fehlen, falls er durch Krankheit oder Verletzung mehr arbeiten muss. Wenn man es neutral betrachtet, lebt am längsten, wer etwas Übergewicht hat.

Ist das ein Appell: ran ans Süßwarenregal?

Natürlich nicht. Allgemein gilt: Alle Leute, die gesund sind, müssen sich nicht zu viele Gedanken über ihr Essen machen. Die meisten bevorzugen aber genau die Lebensmittel mit hohen Mengen an Energie: Süßes und Fettes.

Und zu viel davon macht krank.

Das hängt davon ab, wie man aufgestellt ist. Wer jung und körperlich aktiv ist, der verbrennt auch dementsprechend viel. Mit Übergewicht und erhöhtem Blutdruck hat Zucker eine stark negative Wirkung. Denn er programmiert im Körper eine ungünstige Freisetzung von Hormonen. Wenn der Stoffwechsel also ohnehin nicht mehr richtig funktioniert, ist Zucker schlecht.

Stattdessen Ersatzprodukte wie Agavensirup?

Nein, da ist die Welt auf den Kopf gestellt. Agavensirup ist fast purer Fruchtzucker. Er begünstigt eine Fettleber, verschlechtert den Stoffwechsel und erhöht die Harnsäure, wenn man ihn in größerer Menge konsumiert.

Schützen Lebensmittel vor Grippe?

Vitamin C hilft nicht gegen Erkältung. Gegen eine Grippeinfektion muss man sich impfen lassen, soweit das wirkt, und grundlegend wichtig zur Prävention ist die Hygiene. Was wir essen, landet ja direkt im Stuhl und Urin und nicht in der Lunge. Aber eigentlich hat jeder Mensch ein Immunsystem, das in der Regel funktioniert. Etwas stärken kann man das sicher durch Zink – in Leinsamen oder Nüssen enthalten – oder durch Proteine – in Hülsenfrüchten und Sojaprodukten enthalten.

Superfoods sind Ihrer Meinung nach also Schwachsinn?

Den Hype um Gojibeeren verstehe ich nicht. Aber Chiasamen zum Beispiel beinhalten ungesättigte Fettsäuren, wenig Kohlenhydrate und eine Menge an Proteinen. Einige Superfoods sind durchaus gesunde Nahrungsmittel mit einer hohen Dichte an Nährstoffen und vielen Mineralien, die unser Körper braucht, aber Wunder bewirken sie keine. Der Begriff aber ist vor allem eine Idee von Marketingabteilungen.

Was halten Sie denn von grünen Smoothies?

Das meiste Gemüse in grünen Säften enthält eigene Abwehrstoffe gegen Schädlinge und wenig Fruchtzucker. Die Abwehrstoffe bleiben erhalten, wenn man es nicht kocht. Was man weiß, ist, dass diese nur ganz kurz ins Blut übergehen und dann schnell ausgeschieden werden, weil es Giftstoffe sind. Im Urin tauchen sie dann in hoher Konzentration wieder auf. Darin haben sie auch eine bakterizide Wirkung zum Beispiel bei Glukosinolaten aus Kresse, Kohl, Brokkoli. Harnwegsinfekte kann man damit reduzieren, aber auch hier wieder: In der Lunge landet es nicht. Also hier herrscht eine übertriebene Hysterie.

Der Schnupfen bleibt also.

Ja, wobei gesunde Ernährung zumindest hilft, das Gemüt zu heben.

Was ist gesund?

Empfehlenswert ist es, den Tag mit Proteinen zu beginnen. Eier oder Müsli mit Früchten und Quark – das hält lange satt. Dann eine Pause von fünf Stunden einlegen und zwar ohne Zwischenmahlzeiten. Wenn es geht, am besten mittags die Hauptmahlzeit essen und abends nicht mehr viel.

Das ist schwer.

Stimmt, aber wichtig. Unser Stoffwechsel ist tageszeitlich organisiert. Was man morgens isst, wird schneller verwertet, als was man abends zu sich nimmt. Es ist eine Frage der Kontrolle. In der Regel vergisst man das Essen tagsüber durch den Arbeitsstress. Zu Hause fällt der dann ab und man isst ordentlich viel. Danach sinkt man mit Bier und Chips in den Fernsehsessel. Was man ab da zu sich nimmt, passiert oft unbewusst, sodass man noch nicht mal mehr schmeckt, was man kaut. Man schaufelt eine Menge an Energie in sich rein, die man gar nicht verarbeiten kann.

Wo lauern die Gefahren?

Es sind die Kleinigkeiten, in denen sich Negatives versteckt. In Fruchtsäften zum Beispiel, da kommt wieder der Fruchtzucker ins Spiel. Außerdem überall, was knusprig und mit Glasur überzogen ist, wie bei Lebkuchenherzen und Plätzchen. Das sind die gehärteten Fettsäuren – besonders schlecht für den Fettstoffwechsel. Lieber zu ein paar Nüssen greifen als ständig zu Schokolade. Generell geht aber alles in Maßen.

Was bedeutet das?

Dass man nicht zunimmt, und wenn man übergewichtig ist, am besten abnimmt. Natürlich ist das in dieser Zeit besonders schwer. Deshalb braucht man Kompromisse: Wer Süßes isst, muss einen ordentlichen Spaziergang machen, bei dem er ins Schwitzen kommt, oder eine halbe Stunde Rad fahren. Nur darf das nicht überschätzt werden, denn damit werden gerade mal 200 Kilokalorien verbrannt, das wären zwei Plätzchen.

Eine ernüchternde Bilanz.

Butter, Zucker und Mehl haben ja eine enorme Energiedichte. Wer Süßes gegessen hat, kann daher auch mal eine Hauptmahlzeit weglassen.

Aber man bekommt doch schneller Hunger danach.

Deshalb wäre es aus ernährungstechnischen Gründen ohnehin günstiger, Dinge, die größtenteils aus Nüssen bestehen und aus pflanzlichen Ölen hergestellt werden, zu essen. Das können ein paar gebrannte Mandeln oder türkische Süßigkeiten sein – da ist nämlich viel Sesam enthalten.

Besser schwarze Schokolade als Milchschokolade?

Schokolade hat Kakaobestandteile, die sind gut für den Körper. Sie senken den Blutdruck. Damit ist sie sozusagen ein Pflanzenprodukt. Aber die Kakaobutter darin, das gesättigte Fett, ist schlecht für uns. Weiße Schokolade ist damit besonders ungünstig. Natürlich ist auch schwarze Schokolade nicht das Gesündeste auf der Welt, aber sie hat zumindest nicht nur negative Wirkung.

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