Es klingt ein bisschen wie aus einer Broschüre für schönes, neues und auch teures Wohnen, ist aber ganz im Gegenteil die Beschreibung eines kostengünstigen Neubauprojektes: 20 Quadratmeter große Loggia nach Süden, flexible Innenraumgestaltung von der geschlossenen „Badbox“ in der Mitte der Wohnung bis zum Badezimmer an der Wand mit Fenster, 3 Meter Raumhöhe, glatte gespachtelte Wände, Estrich- oder Eichenparkettboden.
„Ausbauhaus“ nennen die jungen Planer Jana Richter (40) und Henri Praeger (43) ihr Wohnungsbaumodell, dessen 2014 abgeschlossene Realisierung in Neukölln in diesem Jahr mit dem Architekturpreis Berlin „Neues Urbanes Wohnprojekt“ und mit der Auszeichnung „Wohnraum für alle“ geehrt wurde. Auch für den Preis der besten Gebäude Deutschlands des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt (DAM) ist das im Rahmen einer Baugruppe realisierte „Ausbauhaus Neukölln“ für 2017 nominiert.
Jetzt wird das Wohnhaus im Rahmen der aktuellen Schau „Neue Standards - Zehn Thesen zum Wohnen“ im Deutschen Architektur Zentrum (DAZ) an der Köpenicker Straße 48/49 in Mitte ausgestellt. Aus gutem Grund: denn Henri Praeger und Jana Richter haben ein Konzept entwickelt, dass mit Hilfe von vorgefertigten Bauteilen, einer räumlichen Grundstruktur und unterschiedlichen Ausbaustandards besonders kostengünstigen Wohnraum mit hoher Qualität bietet. Nach diesem Konzept hat das Büro Praeger Richter Architekten unterdessen ein weiteres Ausbauhaus in Lichtenberg realisiert, ein Projekt in Pankow ist aktuell im Bau.
Grund genug für einen Besuch im Atelier der jungen Architekten, die ihr bereits 2004 in Wedding gegründetes Büro seit 2014 im Erdgeschoss des Ausbauhauses an der Braunschweiger Straße in Neukölln bezogen haben.
Lange Planungs- und Bauzeiten sind oftmals Kostentreiber
Das preisgekrönte „Ausbauhaus Neukölln“, ein Sechsgeschosser inklusive Dachausbau, wirkt zur Straßenseite hin mit seiner schlichten grauen, durch Fenster gerasterten Fassade eher nüchtern, fast trist. Wäre da nicht der bepflanzte Vorhof mit einem Spielplatz für Kinder und Unterstellmöglichkeiten für Fahrräder. Doch die nach Süden gerichtete Rückseite des Hauses offenbart gleich auf den ersten Blick der unterschiedlich gestalteten 20 Quadratmeter großen Loggien - hier herrscht Individualität. Und die ist nach Angaben von Praeger Richter Architekten bezahlbar und durchaus auch für Mietwohnungsbau zu Mietpreisen zwischen 6,50 bis 8,50 Euro nettokalt umsetzbar.
„Die Kostentreiber beim Neubau sind in der Regel lange Planungs- und Bauzeiten“, sagt Henri Praeger. Der 43-jährige Architekt , der sein Studium so wie seine Büropartnerin Jana Richter an der TU in Cottbus und der renommierten Städelschule in Frankfurt am Main absolvierte, betont: „Wir haben deshalb bei unserem Konzept bestimmte Abläufe und Bauweisen so verändert und teilweise standardisiert, dass wir damit wegkommen vom teuren individualisierten Bauen des Hauses an sich, zugleich gerade dadurch aber einen individuellen Ausbau der Innenräume ermöglichen.“ Konkret bedeutet das: die Architekten erstellen erst einmal das Haus, quasi als Hülle mit aller erforderlichen Infrastruktur, ohne langwierige und teure Diskussionen führen zu müssen. Das ist gerade oft bei Baugruppen der Fall, wenn die Bewohner während des Rohbaus noch Umplanungen wünschen. „Das kostet immer Zeit und Geld“, weiß Jana Richter.
Trennung von Roh- und Innenausbau spart viel Geld
Die Trennung von Roh- und Innenausbau ist deshalb auch ein ganz wesentlicher Aspekt, um Geld zu sparen. Wobei die technische Ausrüstung für die Wohnungen beispielsweise durch mehrere Versorgungsschächte in jeder Wohnung beim Hausbau schon so durchdacht wurde, dass später individuell ausgebaut werden kann.
Ganz wesentlich für die kostengünstige Bauweise ist ein stützenfreier Grundriss über zehn Meter - die Breite der jeweiligen Wohnungen - mit Hilfe von Spannbetondecken, so dass innerhalb der Wohnungen keine tragenden Wände erforderlich sind und auf der anderen Seite aber ein flexibler Innenausbau mit unterschiedlichen Zimmern möglich wird. Die Betonwände selbst wiederum werden vorgefertigt, was ebenfalls Zeit und somit Kosten spart.
Für den Innenausbau haben Jana Richter und Henri Praeger drei Varianten entwickelt: 1. Übernahme des Rohbaus zum Selbstausbau (Wohnung inklusive aller Anschlüsse, Fenster, Wohnungstür), 2. das Ausbaupaket „Standard Loft“ mit eingestellter und voll ausgestatteter „Bad-Box“ inklusive Küchenanschlüsse, roh belassene Oberflächen, 3. Ausbaupaket „Standard Wohnung“ mit bis zu fünf Zimmern, Bad, Massivholzpaket und gespachtelten glatten weißen Wänden. Die Preise für die individuell aufteilbare Standard Wohnung, Variante 3, lagen beim Ausbauhaus Neukölln bei 1905 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche inklusive aller Kosten. (Bei der Rohbauvariante betrugen die Preise 1560 Euro, bei der Loft-Variante 1755 Euro je Quadratmeter.
Gehobene Neubauwohnung für unter 2000 Euro pro Quadratmeter
Das heißt, selbst die bezugsfertige Neubauwohnung mit Parkettboden, Bad und Zimmerwänden, konnte für unter 2000 Euro pro Quadratmeter realisiert werden. Bei dem zuletzt fertiggestellten „Ausbauhaus Kaskelkiez“ in Lichtenberg lagen die Preise bei um die 2500 Euro pro Quadratmeter, was im Vergleich mit den derzeitigen Neubaupreisen immer noch günstig ist.
„Unser Wunsch wäre, das Ausbauhaus-Konzept mit einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, zum Beispiel mit der WBM Mitte oder mit einer Genossenschaft für preiswerte Mietwohnungen zu realisieren, denn das ist machbar“, sagt Henri Praeger. Und seine Büro-Partnerin Jana Richter bestätigt: „Unser Modell ermöglicht Vielfalt im Wohnen für unterschiedliche Budgets. Die Kritik an Baugruppen ist ja, dass sich dieses Modell nur für eine bestimmte Klientel leisten kann. Aber Wohnraum lässt sich auch bezahlbar realisieren.“
Ausstellung im Deutschen Architektur Zentrum (DAZ)
„Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnen“ ist Thema der Schau des Bundes Deutscher Architekten (BDA) und Deutschen Architektur Zentrums (DAZ), die noch bis 22. Januar 2017 Uhr im DAZ (Köpenicker Straße 48/49, Mitte) Positionen von zehn Architektinnen und Architekten präsentiert. Sie plädieren dafür, die starke Fokussierung auf technische Standards und regulative Vorgaben gegen die Chance auf eine Qualitätsdiskussion einzutauschen.
Begleitend zu der Austellung erscheint im Berliner „Jovis Verlag“ die Publikation „Neue Standards. Zehn Thesen zum Wohnen“ ( 28,- Euro).