Berlin. Jugendliche aus Einwanderer-, aber auch aus Flüchtlingsfamilien in eine Ausbildung zu bringen, das hat sich seit zehn Jahren das beim Integrationsbeauftragten des Berliner Senats angesiedelte Netzwerk „Berlin braucht dich!“ zur Aufgabe gemacht. Am Montag wurde ein Pilotprojekt vorgestellt, mit dem neue Zugänge in eine betriebliche Ausbildung erprobt werden sollen.
Zu dem Netzwerk gehören mehr als 60 Betriebe und 25 Sekundarschulen. Mit dabei sind vor allem der öffentliche Dienst und Unternehmen mit Landesbeteiligung, aber auch Betriebe aus der Metall- und Elektroindustrie sowie die IG Metall und die Gasag. Der Verein „Berufliches Qualifizierungsnetzwerk für Migranten (BQN Berlin)“ moderiert und steuert die Prozesse.
Bei dem neuen Projekt stellen vom kommenden Jahr an 16 Betriebe mit Landesbeteiligung insgesamt 55 Ausbildungsplätze zur Verfügung, die nicht nach den üblichen Auswahlkriterien vergeben werden. Sie sollen mit motivierten Jugendlichen besetzt werden, die in einem Betriebspraktikum gezeigt haben, dass sie für die entsprechende Ausbildung geeignet sind. Profitieren sollen davon „Jugendliche mit schlechteren Startbedingungen“, wie es Berlins Integrationsbeauftragter Andreas Germers-hausen formulierte – also Mädchen und Jungen mit schlechten Schulnoten, insbesondere aus Migrantenfamilien. Viele seien für eine betriebliche Ausbildung geeignet, scheiterten aber zu oft an den Auswahlverfahren.
Das dient nicht nur den Azubis, sondern auch den beteiligten Unternehmen. Es sei sehr wichtig, Mitarbeiter mit Migrationshintergrund zu haben, betonte zum Beispiel Ulrich Söding, Leiter des Vivantes-Instituts für berufliche Bildung im Gesundheitswesen. Schließlich kämen die Patienten auch aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Die spezifischen Kenntnisse wolle man für eine interkulturelle Öffnung des Unternehmens nutzen. Auch in der Pflege seien nicht immer die Schulnoten entscheidend, viel wichtiger seien eine bestimmte Grundhaltung im Umgang mit Menschen und eine entsprechende Motivation.
Auch Stadtreinigung und Bäderbetriebe machen mit
Zu den Betrieben, die solche Pilot-Ausbildungsplätze anbieten, gehören auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Stadtreinigung (BSR), Berliner Wasser- sowie Bäderbetriebe, die Charité und mehrere Wohnungsunternehmen. Etliche ihrer Vertreter betonten am Montag, dass die nach Auswahltestergebnissen besten Bewerber um einen Ausbildungsplatz nicht immer die richtigen Azubis sein müssen.
Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und unbesetzter Lehrstellen sei es wichtig, neue Wege zu gehen. „Es gibt nur Gewinner“, kommentierte Claudia Pfeiffer, Geschäftsführerin des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Berlin (KV), das Projekt.
„Berlin braucht dich!“ startete ursprünglich als Kampagne. Dann wurden Praktika, Infoveranstaltungen an Schulen und ein Matchingtool organisiert, in dem Nachfrage der Schulen und Angebot der Betriebe zusammengebracht werden. Im Schuljahr 2016/17 werden darüber etwa 2000 Jugendliche erreicht. In der siebten Klasse ist ein eintägiges Praktikum vorgesehen, in der achten Klasse ein einwöchiges, in der neunten Klasse das dreiwöchige Betriebspraktikum und in der zehnten Klasse der Bewerbertag. In Unternehmen mit Landesbeteiligung liegt die Quote der Migranten bei den Auszubildenden bei 23 Prozent. Zielmarke sind 30 Prozent.