Konzerthaus

30 spannende Fakten über die Berliner Philharmonie

| Lesedauer: 14 Minuten
Am 15. Oktober 1963 wurde die Berliner Philharmonie eröffnet

Am 15. Oktober 1963 wurde die Berliner Philharmonie eröffnet

Foto: Amin Akhtar

Ungewöhnliche Fakten über die Berliner Philharmonie und das Konzerthaus des Architekten Hans Scharoun.

1. Die erste Philharmonie war eine Rollschuhbahn

Nachdem die Philharmoniker 1882 gegründet worden waren, fanden sie in einer ehemaligen Rollschuhbahn in Kreuzberg ihre erste Heimstatt. 1888 wurde das Gebäude von dem renommierten Architekten Franz Heinrich Schwechten zu einer Philharmonie umgebaut, zu einem bestuhlten Konzertsaal.

2. Die teuersten Plätze sind nicht unbedingt die besten

Wo ist das Zelt der Philharmonie am höchsten? Über dem Orchester: Dort werden 21 Meter gemessen. Seine Länge: 60 Meter. Seine Breite: 55 Meter. Die Höhenunterschiede bei den Sitzplätzen sind relativ gering: Die untersten Plätze liegen nur etwa 13 Meter tiefer als die höchsten. Weiter oben finden sich spezielle Emporen, die Platz für zusätzliche Orchester und Chöre bieten. Im C-Block gibt es sogar Stehplätze.

3. Oboist Christoph Hartmann hat eine eigene Fahrradmarke

Der Oboist Christoph Hartmann hat neben der Musik noch eine weitere Leidenschaft: Das Fahrrad. Mit "Pasculli" hat er gemeinsam mit einem Freund eine eigene Fahrradmarke.

4. Nicht jeder war mit dem fünfeckigen Grundriss glücklich

Der Grundriss des Gebäudes zeigt drei ineinander verschränkte Pentagone. Die Philosophie Hans Scharouns, des Architekten der Philharmonie, bestand darin, den Menschen, den Raum und die Musik zu verbinden - deshalb die Zahl 3. Die Musik sollte im Mittelpunkt stehen. "Dieser Entwurf scheint mir deswegen so glücklich zu sein, weil außer den akustisch sicher sehr günstigen Anordnungen der Wände ein Moment besonders hervorgehoben wird, und das ist die restlose Konzentration der Zuhörer auf das Musikgeschehen", sagte Ex-Chefdirigent Herbert von Karajan. Kritik dagegen kam von vielen Seiten. So sagte Hans Knappertsbusch sogar ein Konzert ab: "Das fehlte noch, wenn Hunderte von Zuhörern mir ins Gesicht schauen." Dirigent George Szell nannte das Haus "eine Missgeburt". Die drei miteinander verbundenen Fünfecke bilden auch das offizielle Logo der Philharmonie.

5. Nach dem Krieg spielte das Orchester in einem Kino

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Berlin in Trümmern. Brauchbare Konzertsäle waren schwer zu finden. Die Philharmoniker waren deshalb auf Ausweichquartiere angewiesen: Oft fanden die Konzerte im Titania-Palast statt, die Dahlemer Jesus-Christus-Kirche wurde für Schallplattenaufnahmen genutzt.

6. Die heute goldene Fassade war früher ockerfarben

Was viele nicht wissen: Die berühmte goldschimmernde Fassade aus speziell bearbeiteten Aluminiumplatten wurde erst nach der Eröffnung in den Jahren von 1978 bis 1982 angebracht. Die Betonfassade war zu Beginn in einer ockerbraunen Farbe angestrichen.

7. Kein Platz ist weiter als 30 Meter von der Bühne entfernt

Am Standort des Dirigenten schneiden sich zwei Fluchtpunkte: Es ist der Scheitelpunkt der Mittelachse und der breitesten Ausdehnung des Gebäudes. Das Publikum ist so nah am Orchester wie nur irgend möglich: Kein Zuschauer ist weiter als 30 Meter von der Bühne entfernt. Hans Scharoun hatte eine urdemokratische Vorstellung von der Sitzplatzverteilung: Er bringt die Gäste im Rollstuhl und die Ehrengäste nebeneinander auf dieselbe Ebene und lässt sie denselben Aufzug benutzen.

8. Die Mauer drängte die Philharmonie an den neuen Stadtrand

Die Grundsteinlegung fand am 19. September 1960 statt. Die politische Weltlage hatte sich dramatisch gewandelt, als gut ein Jahr später, im Dezember 1961, das Richtfest für das Gebäude gefeiert wurde. Hatte die Philharmonie in der ungeteilten Stadt noch relativ zentral gelegen, so verlief nur einen Steinwurf vom Konzerthaus entfernt seit August 1961 die Mauer. Die Philharmonie sah sich an den Rand gedrängt, auf ein verstepptes Gelände des südlichen Tiergartens. Geplant war sie übrigens ursprünglich an der Bundessallee, wo sie in einem bestehenden Gebäude untergebracht werden sollte. Der Bau in Tiergarten kostete 17,5 Millionen D-Mark, ein damals spektakulärer Betrag.

9. Versteckte Räume in der Philharmonie

Öffentlich sind in der Philharmonie natürlich der Konzertsaal, die Garderobe und die Foyers. Aber es gibt viele halb oder ganz versteckte Räume, darunter die Instrumentenlager und die Regieräume der Digital Concert Hall. Nicht zu vergessen der "Kamera- und Mikrofon-Keil", den jeder Besucher vom Konzertsaal aus sieht, aber kaum jemals betreten haben dürfte.

10. Die Sitz-Polsterung beeinflusst die Akustik

Die Klappsitze der Philharmonie sind auch auf der Unterseite gepolstert. Der Konzertsaal wurde auch als Aufnahmestudio geplant. Wenn die Sitze hochgeklappt sind, dämpft das zusätzliche Polster. Akustisch ist kaum ein Unterschied zum voll besetzten Saal zu spüren.

11. Die Ehrenloge

Aber: Ausgerechnet in der Ehrenloge ist der Sound am schlechtesten. „Da zeigt sich, wie demokratisch das Haus ist“, sagt Elisabeth Hilsdorf, die Pressesprecherin der Berliner Philharmoniker. Richard von Weizsäcker war der musikalische Genuss in der Philharmonie viel wichtiger als eine herausgehobene Sitzposition. Deshalb mied er in seiner Dienstzeit als Regierender Bürgermeister von Berlin den Sonderplatz. Insgesamt 2440 Sitzplätze bietet der große Saal, der Kammermusiksaal weitere 1180 Sitzplätze.

12. Konrad Adenauer trat am Eröffnungstag zurück

Am Tag der Eröffnung der Philharmonie (15. Oktober 1963) trat Konrad Adenauer nach 14 Jahren als Bundeskanzler zurück, eine politische Ära ging zu Ende, eine künstlerische Ära begann. Übrigens: Planung, Vorbereitung und Bau der Philharmonie dauerten die ganze Ära Adenauer - 14 Jahre.

13. Mit der Philharmonie begann das unvollendete Kulturforum

Als das Gebäude Anfang der 60er-Jahre entstand, war es der erste Bau des Kulturforums. Danach kamen Ludwig Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie (1968) und die ebenfalls von Scharoun erbaute Staatsbibliothek (1967–1978) hinzu. 1987 folgte der Kammermusiksaal. Hans Scharoun konnte leider nicht mehr selbst miterleben, wie sein Konzept des musikalischen Ensembles am Potsdamer Platz verwirklicht wurde. Zur Philharmonie kamen das Musikinstrumenten-Museum und der architektonisch zwillingshafte Kammermusiksaal hinzu. Der ehemalige Mitarbeiter Scharouns, Edgar Wisniewski, vollendete auch die Staatsbibliothek auf der gegenüberliegenden Seite der Potsdamer Straße.

14. Scharouns Baukonzept steht sogar in Australien

Viele Stars der Architekturszene haben sich von Hans Scharoun inspirieren lassen. So diente die Philharmonie unteranderem als Vorbild für das Opera House in Sydney, das Gewandhaus in Leipzig, den Parco della Musica in Rom, die Walt Disney Music Hall in Los Angeles, die Philharmonie in Paris und die Elbphilharmonie in Hamburg.

15. Akustische Tests wurden mit Pistolenschüssen durchgeführt

Mit Revolverschüssen wurde noch in der Woche vor der Eröffnung der Konzertsaal akustisch durchgetestet. Die Messungen, bei denen in schneller Folge fünf Schüsse hintereinander abgegeben wurden, sollten die Nachhallzeit im Konzertsaal verbessern helfen. Laut dem Tonmeister Hans-Ludwig Feldgen war "der Klang des Orchesters bei den Proben unmittelbar vor dem Eröffnungskonzert unbefriedigend und nicht ausbalanciert. Karajan schimpfte." Die Wende kam erst, als das Orchesterpodium erhöht, und die zehn Reflektoren über dem Orchester abgesenkt wurden. "Das brachte enorme akustische Verbesserungen", so Feldgen.

16. Der Nachhall darf nur zwei Sekunden dauern

Wie lange bleibt der Klang im Raum stehen? Als ideal gilt eine Nachhallzeit von zwei Sekunden. Ist der Nachhall länger, verkümmert der Ton. Ist er kürzer, geht dies auf Kosten des musikalischen Effekts. Um ihn perfekt zu gestalten, braucht es komplizierte Mathematik: Man muss den Luftraum pro Person berechnen, um die Nachhallzeit zu steuern. In der Philharmonie ergab sich ein nötiges Volumen von 26.000 Kubikmetern. Die Decke musste dafür eigens angehoben werden, auf 25 Meter vom Dirigentenpult aus gemessen.

17. Die Orgel kann von der Bühne aus ferngesteuert werden

Sie erklingt eigentlich viel zu selten. Die Firma Schuke fertigte 1965 eine viermanualige Orgel, die 1992 renoviert und 2012 komplett überarbeitet wurde. Sie verfügt zusammen mit der Chororgel über 88 Register und kann von der Bühne aus von einem mobilen Spieltisch angesteuert werden.

18. 2008 bekam die Berliner Feuerwehr ein Dankeskonzert

Am 20. Mai 2008 brach, verursacht durch Schweißarbeiten unterhalb des Metalldaches, ein Feuer aus. Es blieb beim Schreck. Die Innenräume wurden kaum beschädigt, so dass schon ab dem 2. Juni 2008 wieder Konzerte in der Philharmonie stattfinden konnten. Die Berliner Feuerwehr wurde als Dankeschön zu einem Konzert in die Waldbühne eingeladen. Simon Rattle: „Vielen Dank! Ohne Sie hätten wir jetzt keine Philharmonie mehr“. Applaus von den rund 18.000 Besuchern für die Rettungskräfte. Die Feuerwehr selbst spricht von einer "heißen Vorstellung im 'Zirkus Karajani'".

19. Auch der Sony-Chef dirigierte die Philharmoniker

Als 2000 das Sony-Center am Potsdamer Platz eröffnet wurde, erfüllte sich der mittlerweile verstorbene Sony-Chef Norio Ohga einen Traum: Er dirigierte die Philharmoniker. Auf dem Programm stand Beethovens Neunte. Ohga soll sogar seine frühere Vermieterin aus Berliner Studientagen zu dem Konzert eingeladen haben.

20. Abendkleid trifft auf Trenchcoat

Die Innenarchitektur hat etwas eigenartige Folgen. So gibt es für die Gäste zwei Garderoben. Sie liegen allerdings direkt übereinander. Kommt der Besucher von rechts, so muss er noch in Straßenkleidung die Treppe hinaufgehen. Dort trifft er auf die Besucher der linken Seite, die ihre Mäntel bereits unten an ihrer Garderobe abgegeben haben. So trifft manches Abendkleid auf manchen Trenchcoat.

21. Selbst die Telefonzellen sind denkmalgeschützt

Der grüne Teppich ist denkmalgeschützt, ebenso die Telefonzellen im Foyer. Der Boden des Foyers wurde aus verschiedenen Natursteinen komponiert. Ihn gestaltete der Bildhauer Erich Fritz Reuter. Der Designer Günter Ssymmank entwickelte die kugelförmigen Leuchten, in denen die kleinen Fünfeckflächen motivisch wiederkehren.

22. Viele Künstler bauten an der Philharmonie mit

Die Philharmonie trägt bei weitem nicht nur die Handschrift Hans Scharouns. Ihm war es wichtig, dem Gebäude die Spuren zeitgenössischer Kunst einzuprägen. So wurde Alexander Camaro beauftragt, vier farbige Glaswände zu entwerfen. Die runden Bausteine aus Glas sind in Beton eingefügt. Im Eingangsbereich findet sich eine Plastik aus Aluminium mit dem Titel „Auftakt 63“, die der Bildhauer Bernhard Heiliger geschaffen hat. Spaziert man ins obere Foyer, so findet man dort Plastiken, die die Dirigenten des Philharmonischen Orchesters porträtieren.

23. Rattle übernimmt die Kontrolle mit gespreizter linker Hand

Chefdirigent Simon Rattle führt als Rechtshänder den Dirigentenstab in der rechten Hand, wodurch seine Handbewegung deutlich sichtbar nach vorne verlängert wird. Mit der gespreizten linken Hand, die leicht erhöht ist, will Sir Simon in leidenschaftlichen Momenten wieder die Kontrolle übernehmen.

24. Philharmonie im Livestram erleben

Die Philharmoniker erfreuen sich weit über die Stadtgrenzen hinaus großer Beliebtheit. Wenn die Fans nicht herkommen können, wissen sie Abhilfe: Auf dem Fernseher, Computer, Tablet oder Smartphone kann man die Berliner Philharmoniker live oder immer wieder im Archiv bestaunen und hören.

25. Konzerte sind auf der Kino-Leinwand zu sehen

Einige besondere Konzerte sind live im Kino zu erleben, in High Definition und mit Surround-Sound.

26. Loriot leitete als Klavierträger das Orchester

Der Humorist Loriot alias Vicco von Bülow war dem Orchester familiär verbunden: Hans von Bülow, der erste Chefdirigent, war ein entfernter Verwandter von ihm. Vicco von Bülow „dirigierte“ das Orchester bei zwei Anlässen: 1979 beim Kanzlerfest sowie 1982 beim humoristischen Festkonzert zum 100. Geburtstag des Orchesters.

27. Die Philharmonie wird auch "Zirkus Karajani" genannt

Berliner lieben Spitzenamen. Viele Gebäude in Berlin haben einen. Und Herbert von Karajan war 34 Jahre Chefdirigent der Philharmoniker und damit nicht nur untrennbar mit dem Orchester, sondern auch mit der Philharmonie verbunden. Wegen seiner zeltartigen Form und in Anspielung auf Herbert von Karajan soll der Berliner Volksmund das Gebäude angeblich „Zirkus Karajani“ nennen.

28. Karajan-Nachfolger Abbado war eine Überraschung

Karajan starb im Jahr 1989. Zur großen Überraschung vieler wählten die Philharmoniker Claudio Abbado zum Nachfolger, der in Vielem das genaue Gegenteil von Karajan war. Abbados offener Führungsstil, der sich so deutlich von der patriarchalen Art Karajans unterschied, provozierte hin und wieder Widerspruch unter den Musikern. Unter Abbado senkte sich der Altersdurchschnitt des Orchesters spürbar nach unten. In dieser Zeit kamen mehr als die Hälfte der heutigen Orchestermitglieder neu ins Ensemble.

29. Sir Simon Rattle dirigiert von 2002 bis 2018

Im Jahr 2002 übernahm Sir Simon Rattle die künstlerische Leitung der Berliner Philharmoniker von Claudio Abbado. Im Januar 2013 kündigte er an, seinen Vertrag, der 2018 ausläuft, nicht mehr verlängern zu wollen.

30. Jedes Jahr gibt es ein Pfeifkonzert

Eine Besonderheit ist seit vielen Jahren das Abschlusskonzert jeder Saison: Es findet vor etwa 20.000 Zuhörern in der Waldbühne statt und wird im Fernsehen übertragen. Für das Ende gilt "Same procedure as every year": die Berliner Luft (aus Paul Linckes "Frau Luna"). Das Publikum feiert den Berliner Klassiker begeistert.

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