Mehr Bürgerfreundlichkeit hat sich das Bezirksamt Mitte auf die Fahne geschrieben. Deshalb werden Beschwerden und Anregungen der Kunden in den Ämtern, der Bibliotheksbesucher und der Nutzer der Volkshochschule akribisch erfasst. Jetzt liegt die Bilanz für 2015 vor.
Fast 10.000 Äußerungen gab es insgesamt. Mehr als die Hälfte, nämlich 5700 Beschwerden, betreffen nur ein Thema: In den Bürgerämtern an der Osloer Straße in Wedding und im Rathaus Tiergarten am Mathilde-Jacob-Platz 1 in Moabit können Kunden nicht mit Bargeld zahlen.
Berlins Bürgerämter müssen stärker koordiniert werden
An beiden Standorten müssen Gebühren mit EC-Karte beglichen werden. Kassenautomaten oder ein Büro mit Geldschaltern fehlen. Lediglich im Rathaus Mitte, an der Karl-Marx-Allee, gibt es eine Bezirkskasse mit zwei Schaltern. An denen wiederum ist keine EC-Karten-Zahlung möglich.
Oft sind nur kleinere Beträge für den Service des Bürgeramtes fällig. Fünf Euro pro Seite zahlt man, wenn man zum Beispiel eine Kopie des Schulzeugnisses beglaubigen lassen will. Ebenfalls fünf Euro kostet die Beglaubigung der eigenen Unterschrift auf einem Dokument. Zehn Euro sind fällig, wenn das Amt die Bescheinigung über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht ausstellt. Zehn Euro kostet es auch, wenn das Amt die eigene, aktuelle Anschrift bescheinigt.
Service in Berlins Bürgerämtern bleibt auch künftig schlecht
Die Kritik wegen fehlender Kassenautomaten in Wedding und Moabit ist nicht neu. 2014 wurden bereits 5250 Beschwerden erfasst. Also gab es 2015 einen Anstieg von fast zehn Prozent. Die hohe Zahl „ist uns ein bisschen unerklärlich“, sagt Stephan von Dassel (Grüne), der Stadtrat für Bürgerdienste. „Das ärgert erstaunlich viele Leute.“ Doch seine Mitarbeiter seien angewiesen, jede Beschwerde aufzunehmen.
„Wir wollen uns ja ein Bild machen.“ Aber wer gehört zu den Kunden, die bar bezahlen möchten? „Viele Flüchtlinge kommen in die Bürgerämter, die noch keine EC-Karte haben, und wohnungslose Menschen“, sagt Stadtrat von Dassel. „Oder EU-Ausländer, die nur eine Kreditkarte besitzen.“ Übers Jahr gesehen, sei das eine größere Gruppe, „die dann in die Karl-Marx-Allee gehen muss, um bar zu bezahlen“.
In Moabit sei jedoch der Kassenautomat dauernd kaputt gewesen. „Wir haben uns dagegen entschieden, einen neuen aufzustellen.“ An der Osloer Straße sei das Bürgeramt im Gebäude des Finanzamtes untergebracht. „Da stellte sich die Frage auch nicht, dass man gesonderte Räume für einen Kassenautomaten, mit Sicherheitsvorkehrungen, einrichtet.“
Welche Probleme Berlins Verwaltung hat
Vielleicht hänge die hohe Zahl von mehr als 5000 Beschwerden auch damit zusammen, „dass die Bürgerämter im Moment derzeit keinen guten Ruf haben“, mutmaßt der Stadtrat.
Kassenautomaten gebe es nur noch im Sozialamt im Rathaus Wedding an der Müllerstraße. Die zwei Exemplare mussten jedoch erst kürzlich ausgetauscht werden, wegen ihres schlechten technischen Zustands. „Einer hat oft nicht funktioniert, manchmal gingen auch beide nicht“, erzählt der Stadtrat. Für die Anschaffung der zwei neuen Kassenautomaten im Sozialamt waren 105.000 Euro im Haushalt 2016 eingeplant. Doch weil die Lieferfirma ein kostengünstiges Angebot machte, wurde gleich noch ein drittes Gerät für zusätzliche 33.000 Euro gekauft, und als Reserve gelagert.
Gute Erfahrungen damit in Tempelhof-Schöneberg
Von der Barzahlung im Bürgeramt haben sich auch einige andere Bezirke verabschiedet. Tempelhof-Schöneberg hat Ende Mai komplett auf EC-Karten-Zahlung umgestellt. „Das erleichtert vieles“, sagt der Stadtrat für Bürgerdienste, Oliver Schworck (SPD). „Der Aufwand mit einer Bar-Kasse ist viel zu groß.“ Der Arbeitsablauf sei effizienter.
Die Sicherheit für die Mitarbeiter sei höher, wenn sich weniger Bargeld am Arbeitsplatz und in den Tresoren befindet. Die Umstellung auf Kartenzahlung sei vollkommen unproblematisch gelaufen, so der Stadtrat. Die Masse der Beschwerden in Mitte sei ihm rätselhaft, so Schworck. In Ausnahmefällen könne man in Tempelhof-Schöneberg immer noch bar bezahlen. „Wenn jemand zum Beispiel sagt, er habe kein Konto. Das kommt ja noch vor.“
In allen Reinickendorfer Bürgerämtern werde die Zahlung mit Girocard bevorzugt, heißt es auf der Internetseite des Bezirks. „Barzahlung ist in Ausnahmefällen möglich.“ In Spandau haben die Kunden nur noch im Rathaus die Möglichkeit, bar zu zahlen, in Charlottenburg-Wilmersdorf nur noch am Standort Hohenzollerndamm.
„Auch die Gefahr von Einbrüchen besteht“
Friedrichshain-Kreuzberg hat Sonderarbeitsplätze in den drei Bürgerämtern eingerichtet. Kunden ohne EC-Karte sollen das ansagen, bevor ihr Anliegen bearbeitet wird. Dann können sie an diesen Plätzen bar bezahlen.
Pankow hat sich anders entschieden. Dort ist in allen vier Bürgerämtern Barzahlung möglich. „In den drei größeren Büros Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee haben wir Kassenautomaten“, sagt Stadtrat Torsten Kühne (CDU). „Am kleinen Standort Karow/Buch gibt es eine Zahlstelle.“ Die Möglichkeit der Barzahlung werde rege angenommen, vor allem von Älteren. „Sonst würden wir darauf verzichten. Denn die Automaten sind nicht einfach einzubauen und zu unterhalten.“
Sicherheitsauflagen seien einzuhalten. „Auch die Gefahr von Einbrüchen besteht“, sagt Stadtrat Kühne. „Wir haben das bereits erlebt.“ Doch im Sinne der Kundenfreundlichkeit gebe es keine Überlegungen, die Geräte abzuschaffen. „Sonst würde es sicherlich auch bei uns Beschwerden geben.“