Die möglichen Berliner Koalitionspartner SPD, Linke und Grüne wollen das Verhältnis zu den Bezirken neu regeln.
In den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Linken und Grünen haben die Spitzenvertreter der Parteien am Montag einige erste Elemente eines neuen, künftigen Regierungsstils vereinbart. So wollen die drei Bündnispartner regelmäßig alle vier Wochen einen Koalitionsausschuss tagen lassen, kündigte der Regierende Bürgermeister Michael Müller nach dem dritten Gespräch in der großen Runde im Roten Rathaus an.
In diesem Gremium sollen Spitzen von Parteien, Fraktionen und Senatsvertreter die Grundlinien der Politik festlegen und koordinieren. Bisher kam der Koalitionsausschuss in Berlin nur zusammen, wenn es akute Probleme in einer Koalition zu lösen galt. Es gehe dabei nicht nur um einen „Krisenmechanismus, sondern ums Gestalten“, sagte die Grünen-Verhandlungsführerin Ramona Pop.
Müller kündigte an, eventuell auch noch weitere Abstimmungsgremien einzurichten. Linke-Landeschef Klaus Lederer sagte, während der drei Verhandlungsrunden sei es gelungen, ein „gemeinsames Gefühl“ zu finden. „Es geht auch um den Spirit einer solchen Koalition und die Zuversicht, es miteinander zu packen“, sagte Lederer. Müller sagte, es müsse „eine Politik aus einem Guss geben, die zu mehr sozialer Gerechtigkeit und mehr Gemeinsamkeit“ führe.
Wahl des Regierenden Bürgermeisters im Dezember
„Überstürzte Regierungsbildung führt nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen“, sagte Pop und stimmte die eigene Partei und die Öffentlichkeit damit auf eine Geduldsprobe ein. Bisher ist es geplant, bei der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 8. Dezember den Regierenden Bürgermeister zu wählen. Weil die Linken aber noch ihre Parteibasis über den Koalitionsvertrag abstimmen lassen, müsste der Kontrakt etwa drei Wochen davor Mitte November vorliegen.
Unter dem Schlagwort „Gutes Regieren“ verhandelten die je achtköpfigen Delegationen auch über das Verhältnis des Senats zu den Bezirken. Ramona Pop sagte, ohne Details zu nennen, man habe zum Thema Bürgerämter vereinbart, die Schlussfolgerungen der bisher vorliegenden Organisationsuntersuchungen umzusetzen. Das würde bedeuten, den bisher von den Bezirken betriebenen Behörden künftig einheitliche Standards vorzugeben und eine einheitliche Steuerung anzustreben. Man werde auch das Allgemeine Zuständigkeitsgesetz (AZG) noch einmal ansehen, sagte Pop. Dieses Gesetz regelt das Verhältnis der beiden Verwaltungsebenen zueinander.
„Gut regieren heißt auch, diejenigen Bürger zu überzeugen, die an der Demokratie zweifeln“, sagte die Grünen-Politikerin. Die Partner verständigten sich deshalb auch darauf, künftig öfter außerhalb von Mitte aktiv zu sein und Bürger zu sogenannten „Town Hall Meetings“ einzuladen. Müller darf sich an diesem Punkt bestätigt fühlen, hatte er doch schon mit seinem Amtsantritt den Senat regelmäßig in den Bezirksrathäusern tagen lassen.
Details eines rot-rot-grünen Regierungsprogramms werden jetzt in den nächsten Tagen in den 13 Facharbeitsgruppen weiter beraten. Alle Teilnehmer sind gehalten, keine Verhandlungsstände nach außen zu geben. Am Montag haben bereits die Gruppen für Integration und Flüchtlinge sowie die Fachleute für Gesundheit die Arbeit aufgenommen. Am Dienstag startet die für die SPD-Seite von Müller selbst geleitete Gruppe Kultur und Medien. Am Mittwoch geht es los mit Integration, Arbeit und Frauen, Klima und Umwelt sowie Bildung, Jugend und Wissenschaft. Die AGs legen nacheinander ihre Resultate vor, wenn die große Runde ab dem 24. Oktober wieder zusammenkommt.
Auf Bundesebene mehr engagieren
Berlin soll international stärker wahrnehmbar und in der Bundespolitik aktiver werden, so die Koalitionspartner. Berlin könne „hoffentlich auch ein Zukunftslabor“ werden, wenn es um soziale Gerechtigkeit, Stadtentwicklung und Partizipation gehe, formulierte Linke-Chef Lederer den hohen Anspruch. Der Stadtstaat wolle die Interessen von Kommunen und Städten vertreten und deren Spielräume erweitern. Genannt wurde etwa die Steuerpolitik, wo die jüngsten Senkungspläne der Koalition im Bund Berlin und andere Länder Millionen an Einnahmen kosten. Als weiteres Thema nannten die möglichen Bündnispartner das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung und der Wissenschaft. „Das ist ein großer, wichtiger Punkt, wo wir etwas ändern können“, sagte Müller.
Das Kooperationsverbot legt fest, dass zum Beispiel die Bundesregierung grundsätzlich keine finanzielle Unterstützung für Schulen oder Universitäten leisten darf. Wo das geschieht, wie etwa im Berliner Institut für Gesundheitsforschung, mussten die Berliner Universitätsklinik Charité und das mehrheitlich vom Bund getragene Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin komplizierte Rechtskonstruktionen entwickeln.
Im Bundesrat möchte das Land Berlin vermeiden, künftig wie zuletzt immer wieder mit Enthaltung zu stimmen, weil sich die Koalitionspartner nicht einigen können. Man werde versuchen, gemeinsame Positionen zu formulieren, versicherten alle drei Lager. Ramona Pop kündigte aber an, es werde kein Partner überstimmt, wenn in der Länderkammer Themen aufgerufen werden.