Die Anlage soll sicherer und lebenswerter werden – Drogenhandel aber integrieren. Doch am Konzept gibt's ordentlich Kritik.
Für den Görlitzer Park in Kreuzberg ist ein neues Handlungskonzept erarbeitet worden. Es soll den Park wieder zu einem lebenswerten Ort machen. Zurzeit kampieren hier Menschen aus Osteuropa, vor allem aber gibt es einen regen und aggressiven Drogenhandel, den die Polizei nicht so recht in den Griff bekommt – auch wenn die Zahl der kriminellen Delikte durch eine höhere Polizeipräsenz seit Anfang 2015 deutlich zurückgegangen ist. Dieser Handel durch meist schwarzafrikanische Händler ist es, der Besucher verunsichert.
Einerseits könnte der Masterplan für die Kreuzberger „Problemzone“ neuen Schwung in die festgefahrene Situation bringen, andere fürchten, dass es zu einem „Kuschelkurs“ mit Kriminellen – den Dealern – kommen könnte. Erstellt hat das 55-seitige „Handlungskonzept Görlitzer Park“ eine Gruppe von Anwohnern, Sozialarbeitern und Mitarbeitern des Bezirksamtes. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat mit der Mehrheit von Grünen, Piraten und Linken beschlossen, das Konzept umzusetzen.
Personal sollen sozialen Druck aufbauen und befrieden
Martin Heuß ist einer der Anwohner, der am Masterplan mitgewirkt hat. So sollen, ähnlich wie in anderen Grünanlagen, Parkläufer angestellt werden, die eine „auf die Kreuzberger Verhältnisse angepasste“ soziale Kontrolle aufbauen und auf die Anwesenden einwirken, sagte er der Berliner Morgenpost. „Sie sollen Räume sichern und dafür sorgen, dass sich die Leute wieder in den Park trauen.“ Ergänzend sollen Sozialarbeiter den Dealern mit zumeist Migrationshintergrund helfen, eine legale Existenz aufzubauen. Auch für die im Park kampierenden Roma sollten Lösungen erarbeitet werden. Einfach verjagen könne man diese Familien nicht.
Görli: Anwohner wollen ihren Park zurück
„Wir brauchen zudem eine neue Gestaltung des Parks. Wir plädieren für ‘Aktionsinseln’, an denen die Besucher sich beschäftigen, unterhalten und aufhalten können“, sagt Heuß. So könnten Slacklines („Balanciergurte“) oder ein Skateboardparcours aufgebaut werden. Ähnliches gebe es zum Beispiel im Park am Gleisdreieck. Weitere Elemente könnten hinzukommen, wie eine bessere nächtliche Ausleuchtung des Parks. Die Aufwertung als Freizeitstätte könne aber nur langfristig in Abstimmung mit den Bürgern erfolgen.
Kooperation mit der Polizei wird fortgesetzt
Zum Kernkonflikt Drogenhandel sagt er: „Es hat sich gezeigt, dass Polizeimaßnahmen allein den Handel mit Drogen im Park nicht abstellen können. Dann müssen wir darüber nachdenken, wie wir damit umgehen.“ Die Projektgruppe sehe die neuen Ideen als Ergänzung. Im Gespräch habe die Abschnittsleitung der Polizei versichert: Wenn die soziale Kontrolle funktioniert, erleichtere das die Polizeiarbeit.
Faszinierend und einzigartig in Deutschland findet Jonas Schemmel das neue Konzept. Der Fraktionssprecher der Grünen in der BVV sieht den Umgang mit den Drogenhändlern als zentralen Punkt, „denn dieser Aspekt ist hoch politisiert. Fast alle Drogenhändler haben einen Flüchtlingshintergrund und sie sind es, die das Sicherheitsgefühl beeinträchtigen“. Auch er sieht das Konzept als Auftrag an die Bezirksverwaltung, die Kooperation mit der Polizei fortzusetzen, „aber die Polizeiarbeit allein ist eben nicht effektiv.“
Die CDU im Bezirk beharrt weiter auf Null-Toleranz-Politik
Damit die Parkläufer ihre Wirkung entfalten können, sei personelle Kontinuität wichtig und die Sichtbarkeit für die Parkbesucher. Auch sind nach seiner Erfahrung einige der Dealer durchaus ansprechbar. „Sie reagieren positiv auf die Arbeit von Sozialarbeitern. Aber den Drogenhandel komplett zu beseitigen, das ist sehr schwer.“
Kurt Wansner findet es dagegen völlig falsch, sich mit Drogenhändlern abzufinden und mit ihnen zu verhandeln. „Dealer dürfen keine politische Unterstützung vom Bezirk erhalten“, sagte der Kreisvorsitzende der CDU Friedrichshain-Kreuzberg am Donnerstag der Berliner Morgenpost. „Die Null-Toleranz-Politik von Innensenator Henkel ist das richtige Vorgehen.“ Aber die Justiz müsse noch massiver eingreifen. Wansner begrüßt es, dass es seit einiger Zeit einen Sonderstaatsanwalt für Drogendelikte gebe. Bisher seien nur wenige Anwohner in die Planung des Parks eingebunden worden, kritisierte er den Bezirk.
„Die Arbeit der Polizisten wird torpediert“
„Auch die Gestaltung des Umfelds muss vorangetrieben werden. Über mehr Beleuchtung im Park und Eingangskontrollen müssen wir offen reden.“ Von der Bundespolitik fordert der Kreisvorsitzende eine schnellere Abschiebung krimineller Asylbewerber.
Auch die Polizeigewerkschaft GdP und der Bund der Deutschen Kriminalbeamten (BDK) übten harsche Kritik. „Damit wird die Arbeit unserer Kollegen in den letzten Monaten torpediert“, sagte Benjamin Jendro, Sprecher des GdP-Landesverbands Berlin. „Vor ein paar Wochen hat ein Dealer unserer Kollegin sechs Gesichtsfrakturen zugefügt, mit diesem Konzept folgt der nächste Schlag ins Gesicht jedes eingesetzten Polizisten. Es solle nicht vergessen werden, dass wir dort eine Brennpunktstreife im Einsatz haben, weil es zu versuchten Tötungsdelikten unter den Dealern kam“, so Jendro weiter. „Nun wird darüber debattiert, wie wir diesen Straftätern eine Möglichkeit geben, Jugendliche in den Drogensumpf zu ziehen.“
Schnell legale Beschäftigung, um kriminelle Karrieren zu verhindern
Michael Böhl, Berlins Landesvorsitzender beim BDK erklärte, die Situation im Görlitzer Park sei symptomatisch für alle Drogenbrennpunkte Berlins wie etwa auch auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain: „Was wir brauchen, ist einerseits eine repressive Verfolgung der Betäubungsmittelkriminalität. Gleichzeitig müssen wir Alternativen für diese Klientel schaffen, indem schnell legale Möglichkeiten der Beschäftigung geschaffen werden.“ Nur so sei es möglich, kriminelle Karrieren zu verhindern.
Bezirksverordneter Schemmel von den Grünen sieht derweil, dass es in seinem Sinn vorangeht. Ein Koordinator, der die Pläne umsetzen soll, werde im September benannt. Die Ausschreibung sei beendet, es gebe 70 Berweber. Das Geld für ihn ist bewilligt. Danach werde ein „Parkrat“ konstituiert, der sich im Wesentlichen aus den Beteiligten am Masterplan zusammensetzen soll. Die Mittel für die Parkläufer und Sozialarbeiter müssten vom Bezirk aber noch bewilligt werden.
Für Kurt Wansner kann es erst nach den Wahlen am 18. September konstruktiv weitergehen, wenn, wie er hofft, „eine neue BVV und ein neues Bezirksamt gewählt sind“. Mit dem aktuellen Bezirksamt zu reden, habe keinen Sinn.