Berlin

Spektakel mit Tiger und Schauspielerin

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„Zentrum für politische Schönheit“ provoziert mit Ankündigung, Flüchtlinge den Tieren zum Fraß vorzuwerfen

„Im arabischen Raum war ich einem Millionenpublikum bekannt. Hier bin ich nur ein Flüchtling“, sagt die syrische Aktivistin May Skaf am Montag. Sie steht auf der Bühne des abgedunkelten Saals des Maxim-Gorki-Theaters. Schwaches Scheinwerferlicht fällt auf ihr Gesicht und ihr braunes, lockiges Haar. Die Stimme klingt ruhig, stellenweise brüchig und zittrig, dann wieder gefasst. Sie versucht die Tränen zu unterdrücken. Es gelingt ihr nicht. Immer wieder spricht sie von Hoffnungen und Träumen, die im Mittelmeer vor den europäischen Grenzen zu Bruch gegangen sind.

Dann spricht sie die Worte, auf die das Publikum gewartet hat: „Ich habe keine Angst vor Tigern. Ich bin bereit mich fressen zu lassen.“ Am Ende der Rede hält sie inne, greift nach den Zetteln, auf denen sie ihre Worte niederschrieb, wirft sie in die Luft. Der Saal schweigt. Die Zettel gleiten zu Boden, während sie, eine professionelle Schauspielerin, von der Bühne schreitet.

Vor dem Berliner Gorki-Theater steht seit einigen Tagen ein Gehege mit lebenden Tigern. Das ist Teil einer Kunstaktion, die mit einer drastischen Drohung auf eine Änderung der Flüchtlingspolitik abzielt. Jetzt melden sich Tierschützer zu Wort. „Der Zweck heiligt nicht die Mittel“, sagte der Präsident des Tierschutzvereins für Berlin, Wolfgang Apel, am Montag. „Wieder einmal werden freiheitsliebende Wildtiere in Gehege gesperrt, vorgeführt und für ihrer Natur völlig widersprechende Zwecke missbraucht.“

Gemeint ist damit die Aktion „Flüchtlinge fressen“, mit der die Veranstalter auf die Situation von Flüchtlingen aufmerksam machen wollen. May Skafs Drohung, sich den Tigern vor dem Theater vorwerfen zu lassen, soll der Forderung an die Politik Nachdruck verleihen, in den nächsten acht Tagen in der Flüchtlingspolitik ein deutliches Zeichen zu setzen.

Mit ihrer Aktion wollen Künstler eine Änderung im Aufenthaltsgesetz erreichen, das die Beförderung von Ausländern ohne Papiere verbietet. Das für Provokationen bekannte Zentrum für politische Schönheit baute dazu die Arena mit den Tigern auf. Es gebe angeblich schon sieben Flüchtlinge, die sich fressen lassen würden, sagte eine Aktivistin. Die Forderung: Die Bundesregierung soll zulassen, dass die Gruppe am 28. Juni 100 Syrer mit dem Flugzeug aus der Türkei nach Deutschland bringt.

Der Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner erklärte dazu, es liege in der Verantwortung des Gorki-Theaters, welche künstlerischen Gruppen es einlade. Und: „Die Aufgabe von Kunst ist nicht, bequem zu sein.“ Das Bundesinnenministerium hatte die Aktion als „zynisch“ bezeichnet. Ein Sprecher sagte am Freitag: „Es handelt sich um eine geschmacklose Inszenierung, die auf dem Rücken der Schutzbedürftigen ausgetragen werden soll.“

Auch Tierschützer stehen der Aktion skeptisch gegenüber. Zwar versichern die Aktivisten, auf den Tierschutz werde geachtet. Die Tiger kommen ihnen zufolge aus privatem Besitz aus dem Saarland. Tierschützer Apel sagt, es sei sehr wichtig, auf die Situation der Flüchtlinge und Mängel in der europäischen Flüchtlingspolitik aufmerksam zu machen. „Jedoch nicht auf Kosten unschuldiger Tiere.“

( emb/dpa )