Die Stimmungslage der Berliner zur Flüchtlingspolitik hat sich in den vergangenen Monaten gewandelt: 56 Prozent der Bewohner ist der Ansicht, die Stadt sei nicht mehr in der Lage, weitere Asylsuchende aufzunehmen. Das geht aus dem aktuellen Berlin Trend von Berliner Morgenpost und RBB-Abendschau hervor.Vor drei Monaten betrachteten erst 50 Prozent die Aufnahmekapazitäten als erschöpft. Ein gutes Drittel (35 Prozent) ist hingegen der Ansicht, Berlin könne weitere Menschen aufnehmen. Der Vergleichswert im November lag bei 38 Prozent.
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Auffällig ist, dass sich die Einstellung vor allem bei den jungen Berlinern gedreht hat. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen waren beim letzten Berlin-Trend noch 60 Prozent der Meinung, Berlin sollte weitere Flüchtlinge aufnehmen. Drei Monate später sind nur noch 36 Prozent dieser Ansicht. Der Anteil derjenigen, die die Kapazitäten für erschöpft halten, stieg von 35 auf 55 Prozent. Die übrigen wollten keine Meinung äußern. Unter den Berlinern im Alter von 60 plus und zwischen 45 und 59 Jahren waren im Februar mehr Menschen für eine weitere Aufnahme von Flüchtlingen als im November 2015. Womöglich bangen die Jungen doch um ihre Chancen oder ärgern sich, weil ihr Sportklub angesichts von 44 mit Flüchtlingen belegten Turnhallen nicht trainieren kann.
Auch wenn man die politischen Lager betrachtet, fällt die wachsende Skepsis derjenigen ins Auge, die bisher für die Aufnahme von zusätzlichen Schutzsuchenden waren. Zwar würden 54 Prozent der Grünen-Wähler noch immer mehr Menschen aufnehmen. Aber vor drei Monaten waren es noch 68 Prozent. Bedenken haben inzwischen auch 41 Prozent der Grünen-Anhänger, 17 Punkte mehr als im November. Und auch unter SPD-Sympathisanten ist die Stimmung umgeschlagen. 36 Prozent unterstützen die weitere Aufnahme. Vor drei Monaten waren es noch 46 Prozent. 52 Prozent der sozialdemokratisch gesinnten Berliner sind der Ansicht, die Stadt könne nicht mehr schaffen als jene 50.000 Menschen, die bisher hier leben.
Allerrdings betrachtet die überwiegende Mehrheit der Berliner die Entwicklung ihrer Stadt mit Wohlwollen. 85 Prozent finden es gut, dass sich Berlin zu einer internationalen Metropole entwickelt. Nur zwölf Prozent gefällt dieser Trend nicht.
Akademiker sehen Entwicklung Berlins zur Metropole als gut
Diese positive Sicht ist quer durch die Bevölkerungsgruppen und politischen Vorlieben ungefähr gleich stark verbreitet. Mit zwei Ausnahmen: Unter den Wählern der AfD würde ein Drittel (32 Prozent) den Weg zur Metropole Berlin lieber aufhalten. Und unter den Berlinern mit niedrigem Bildungsniveau liegt der Anteil der Kritiker bei 22 Prozent. Hingegen finden fast alle Abiturienten und Akademiker (92 Prozent) den Entwicklungsprozess hin zu einer Metropole grundsätzlich gut. Auch unter den Wählern der etablierten Parteien SPD, CDU, Grüne und Linke liegt die Unterstützung bei mehr als 90 Prozent.
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Die Wandlung löst aber auch Ängste aus, wie die Telefonumfrage von Infratest dimap unter 1004 wahlberechtigten Berlinern zeigt. 30 Prozent der Befragten gaben an, sich zunehmend fremd in der eigenen Stadt zu fühlen. Das Fremdheitsgefühl teilen aber die sozial schwächeren Bürger deutlich häufiger als die akademisch Gebildeten. 42 Prozent der Bürger mit Hauptschulabschluss fühlen sich fremd in Berlin, aber nur 22 Prozent derjenigen mit Abitur oder Hochschulabschluss.
Politisch betrachtet sind es wieder die AfD-Wähler, die Unbehagen empfinden angesichts der zunehmenden Internationalisierung. 60 Prozent der Unterstützer der Rechtspopulisten gaben an, sich zunehmend fremd zu fühlen in Berlin. Auch unter Nichtwählern oder Anhängern sonstiger Parteien ist dieses Gefühl bei fast jedem zweiten Befragten vorhanden und damit deutlich überdurchschnittlich ausgeprägt. Unter den CDU-Anhängern fremdelt immerhin fast jeder Dritte (30 Prozent) mit seiner Stadt. Im Lager der Grünen sind es 21 Prozent, bei der Linken 19 und bei der SPD 16 Prozent.