Eltern, Lehrer und Gewerkschaft warnen: Die Ganztagsschule ist in Gefahr. Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses (LEA), sagte der Berliner Morgenpost, dass immer mehr Berliner Grundschulen mit Raumnot zu kämpfen haben. „Steigende Schülerzahlen führen dazu, dass es in den Horträumen immer enger wird und viele dieser Räume zu Klassenräumen umfunktioniert werden müssen.“ Diese Entwicklung gefährde das Konzept der Ganztagsschule, sagte Heise. Das beruhe darauf, dass Schule Lern- und Lebensort der Kinder ist und setzte entsprechende Räumlichkeiten voraus.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat jetzt reagiert und das Bündnis Ganztagsschule gegründet. GEW-Chefin Doreen Siebernik sagte der Berliner Morgenpost, dass die Gewerkschaft gemeinsam mit den Freien Trägern, dem Grundschulverband und dem Landeselternausschuss für mehr Qualität an den Grundschulen kämpfen will.
„Wir orientieren uns dabei am Kita-Bündnis, das es seit Jahren gibt und das viel erreicht hat“, sagte Siebernik. Die Ganztagsschule sei bei den Eltern sehr beliebt. „Entsprechend viele nutzen das Angebot.“ Den meisten Schulen fehle es inzwischen aber an ausreichend Räumlichkeiten, um die Kinder angemessen zu betreuen und individuell zu fördern, sagte Siebernik.
Bis zu 200 Kindern in zwei Räumen
Zustände wie an der Giesensdorfer Grundschule in Lichterfelde seien die Folge. Dort werden bis zu 200 Kinder am Nachmittag in zwei Räumen betreut, die eigentlich für 70 Grundschüler gebaut worden sind. Die Eltern fordern seit Jahren einen Erweiterungsbau, um die Zustände zu verbessern. Da sich aber bislang nichts getan hat, haben die Eltern Unterschriften gesammelt und der verantwortlichen Bildungsstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) übergeben. Diese sagte jetzt ein Gespräch mit Elternvertretern sowie Schul- und Hortleitung zu.
Die politisch Verantwortlichen hätten das Problem zu lange ignoriert, sagte Doreen Siebernik von der GEW. Mit der Stadt wachse die Schülerschaft, immer mehr Flüchtlingskinder kämen hinzu. Sie alle müssten in die Schule integriert werden. Kritik kommt auch von den Schulleitern. Carsten Paeprer, in der Vereinigung der Berliner Schulleiter für Grundschulen zuständig, sagte, dass der Platzmangel an den Schulen dazu führe, dass diese ihre pädagogischen Profile nicht aufrechterhalten können. Freizeit- und Teilungsräume würden fehlen.
Wachsende Stadt führt zu einem größeren Bedarf an Räumen
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) räumte ein, dass es aufgrund der stark wachsenden Stadt zu einen größeren Raumbedarf an vielen Schulen kommt. Sie sagte der Berliner Morgenpost: „Dieser Bedarf muss angemeldet und entsprechend bedacht werden.“ Die für Erweiterungsbauten nötigen Mittel seien vorhanden.
Das Problem der Giesensdorfer Grundschule sei aber hausgemacht. Die Schulaufsicht habe seit Jahren darauf hingewiesen, dass die Schule mehr Platz braucht. Der Bezirk wisse deshalb seit Langem, dass dort gebaut werden muss. Immerhin ist offenbar ein Lösung in Sicht. Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski sicherte zu, dass ein Neubau geplant sei und in die nächste Investitionsplanung aufgenommen werde.
Schulneubauten sollen schneller fertiggestellt werden
Das Bündnis Ganztagsschule will sich auch dafür einsetzen, dass Schulneubauten schneller fertiggestellt werden. Der LEA-Vorsitzende Norman Heise kritisierte, dass es in Berlin mindestens sieben Jahre dauert, bis eine neue Schule bezugsfertig ist. In Hamburg seien es dagegen nur rund zwei Jahre. „Daran sollten wir uns orientieren“, sagte Heise. Modulare Ergänzungsbauten, deren Errichtung die Bildungsverwaltung an vielen Schulstandorten plant, um dem Platzmangel zu begegnen, könnten nur eine Zwischenlösung sein.
Das Problem, zu wenig Platz für die Hortbetreuung zu haben, wird nicht nur von der Giesensdorfer Grundschule beklagt. Auch an der Richard-Wagner-Grundschule in Karlshorst herrschen beengte Zustände. Björn Sacknieß, stellvertretender Vorsitzender der Gesamtelternvertretung, sagt dazu: „Es ist meiner Ansicht nach ganz normale Praxis, bei der Suche nach weiteren Klassenräumen aufgrund steigender Schülerzahlen zuerst auf die Horträume zurückzugreifen.“