Neue Baustoffe

Mit voller Leuchtkraft voraus: Lichtfaserbeton aus Berlin

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Sabine Gundlach
Die Berliner Benjamin Westerheide (li) und Vincent Genz mit  einem Waschbecken aus Lichtfaserbeton ihres Start-Up Unternehmens „Siut“

Die Berliner Benjamin Westerheide (li) und Vincent Genz mit einem Waschbecken aus Lichtfaserbeton ihres Start-Up Unternehmens „Siut“

Foto: Sergej Glanze / Glanze

Widerstandsfähig und stylish: Jungunternehmer präsentieren Mitte Februar ihre neue Entwicklung auf der „bautec“-Messe am Funkturm.

Ein paar Küchenmaschinen sind draufgegangen. Als die angehenden Wirtschaftsingenieure Benjamin Westerheide und Vincent Genz vor drei Jahren damit anfingen, in einer Garage ihre ersten Betonrezepturen im Kleinen auszuprobieren, heißt zu mischen, nutzten sie dafür noch handelsübliche Haushaltsgeräte – Mixer, die eigentlich für Lebensmittel gedacht sind. Sie waren für Zement, Kies, Wasser und die vielen chemischen Zusätze auf Dauer nicht geschaffen. Heute können die Jungunternehmer über ihre ersten mühsamen und langwierigen Schritte entspannt lachen. Ihre Beharrlichkeit hat sich gelohnt.

Mittlerweile haben Westerheide und Genz die richtige Mischung raus. Und damit nicht genug, die jungen Gründer des Start-Up-Unternehmens „Siut“ haben mit ihrem innovativen Baustoff auch gleich noch ein System erfunden, das ihre jetzt als Patent angemeldete Entwicklung punktgenau erstrahlen lässt – Lichtfaserbeton. Damit sind sind die Zeiten des bislang vorherrschenden Images des Baustoffs Beton passé.

Vom Waschbecken bis zur „wegweisenden“ Bodenplatte am Bahnsteig

Grau, rau und schlicht? Von wegen! Der Lichtfaserbeton, den Genz und Westerheide entwickelten und mit Hilfe eines Gründerstipendiums der TU jetzt auch „marktreif“ präsentieren, hat mehr zu bieten. Ob im privaten oder im öffentlichen Bereich – der neue Beton made in Berlin ist als Baustoff vielfältig einsatzbar.

Die Nutzungen reichen vom leuchtenden Waschbecken im Badezimmer über den strahlenden Ladentisch im Einzelhandel bis hin zur wegweisenden Bodenplatte auf Bahnsteigen, die den Fahrgästen beispielsweise mit leuchtenden Zeichen signalisert, wo jeweils die Waggons der ersten Klasse halten. Auch in Wände integrierte Betonplatten mit strahlenden Firmenlogos sind machbar. „Wir wollten für unsere Entwicklung einen optischen Mehrwert schaffen“, kommentiert Vincent Genz die leuchtende Idee der jungen Gründer.

Erste Produkte präsentieren die 28 und 30 Jahre jungen Entwickler auf der „bautec Messe“, die vom 16. bis 19. Februar in Berlin stattfindet. Beispielsweise ein stylishes Betonwaschbecken oder auch Wegweiserplatten. Das Potenzial des Lichtfaserbetons für die Planung intelligenter Sicherheitsleitsysteme interessiert unterdessen auch die Deutsche Bahn. Sie hat „Siut“ in ihr Start-up-Programm 2016 aufgenommen, um maßgeschneiderte Produkte für mehr Sicherheit und Orientierung der Fahrgäste zu entwickeln. Aber auch die Berliner Verkehrsbetriebe haben unterdessen Interesse signalisiert. „Wir sind bereits mit der BVG im Gespräch über ein mögliches Pilotprojekt“, sagt Benjamin Westerheide.

Geheim bleibt vorerst auch die Spezialrezeptur des neuen Betons.Nur so viel ist den Tüftlern zu entlocken: Dank zahlreicher Zusätze ist der Lichtfaserbeton nicht nur glatt, annähernd porenfrei und extrem widerstandsfähig, sondern er lässt sich auch gut gießen. Das Herausragende ist aber die Entwicklung der Verbindung von Beton mit Glasfasern, die bei der Mischung des später harten Baustoffs gezielt in Form gebracht werden. Eine haushaltsübliche und leicht austauschbare LED-Leuchte reicht dann je Betonelement aus, um die beabsichtigte jederzeit ein- und ausschaltbare Strahlung zu erzielen. Das integrierte Lichtfasersystem leitet den LED-Lichtimpuls an die Betonoberfläche und die Lichtpunkte strahlen aus dem Beton heraus. Wie die jeweils individuellen optischen Darstellungen im Beton erzielt werden? Auch das bleibt ein Betriebsgeheimnis, das wohl frühestens gelüftet wird, wenn das beantragte Patent für den Lichtfaserbeton vorliegt.

„Wir stellen etwas gemeinsam auf die Beine“

Kennengelernt haben sich Westerheide und Genz erst durch die intensive Zusammenarbeit für ein Marketingkonzept im Rahmen eines Sommerkurses an der TU vor vier Jahren. Danach sei ihnen schnell klar gewesen: „Wir stellen etwas gemeinsam auf die Beine“. Die Selbstständigkeit hatten beide schon früh im Visier. Und gleich ihre erste Idee war, Betonmöbel zu machen. Der Baustoff war zu der Zeit bereits wieder angesagt und hielt auch zunehmend Einzug in den Wohnbereich. Doch ganz so einfach und schnell, wie zunächst gedacht, verlief die Umsetzung erster Ideen dann doch nicht.

Ein Jahr lang wissenschaftlich recherchiert

„Wir haben dann erstmal ein Jahr lang recherchiert, sind in das Thema wissenschaftlich eingestiegen und haben unter anderem auch Steinabbaugebiete besucht“, schildert Benjamin Westerheide ihre Herangehensweise. Fast schon besessen, ein perfektes Produkt zu entwickeln, ließen die Entwickler nicht locker.

Als 2014 die ersten präsentablen Ergebnisse vorlagen, wandten sich die Studenten an den ehemaligen TU-Professor Bernd Hillemeier, ein ausgewiesener Beton-Experte. Hillemeier war unter anderem an der Entwicklung des Spezialbetons für die Stelen von Peter Eisenmans Holocaust-Mahnmal beteiligt.

Ein Gründer-Stipendium des TU-Cntre für Entrepeneurship

Er ermöglichte den Studenten, für ein halbes Jahr das TU-Labor in der Peter Behrens Halle zu nutzen und an der Weiterentwicklung der Marktreife ihres Produkts zu arbeiten. Damit war der Grundstein für ihr Projekt gelegt, das Westerheide und Genz dann auch dem TU-Centre for Entrepeneurship vorstellten. Dort werden Firmengründungen aus dem wissenschaftlichen Betrieb heraus unterstützt. Von diesem TU-Centrum erhielten Westerheide, Genz und ihr neuer Partner, Bauingenieur Mohamed Abd Elrahman, 2015 ein einjähriges Exist-Gründerstipendium.

Erste Aufträge liegen bereits vor. So stattet ein weltweit agierender Baustoffkonzern seine Werke mit Firmenlogis aus Lichtfaserbetonteilen von Siut aus. Wofür der Name ihres Unternehmens Siut steht? „Ganz einfach“, antwortet Vincent Genz, und erläutert: „S für Stone, I für illimunated, u für ultimate und t für technology.“