Mitte

Friedrichwerdersche Kirche in Schieflage

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Sabine Flatau
Ein Gerüst stützt die Friedrichwerdersche Kirche von innen

Ein Gerüst stützt die Friedrichwerdersche Kirche von innen

Foto: Sophia Kembowski / dpa

Die berühmte Friedrichwerdersche Kirche von Schinkel hat schwere Schäden. Jetzt drohen neue Risse.

Es sieht bizarr aus. Baugerüste füllen das gesamte Innere der Friedrichswerderschen Kirche, bis hoch in die Kuppel. Freien Platz gibt es nicht mehr. Das berühmte Schinkel-Bauwerk am Werderschen Markt in Mitte hat Schäden erlitten, als in unmittelbarer Nachbarschaft, an der westlichen Kirchenseite, ein Neubau errichtet wurde. Die Häuser der „Kronprinzengärten“ sind nur wenige Meter entfernt.

Jetzt sollen Bauarbeiten auch auf der östlichen Seite beginnen. Wieder sind Luxuswohnungen geplant, dazu Gewerbe. In etwa zehn Metern Entfernung wird die Baugrube angelegt. Der Eigentümer des Schinkel-Bauwerks, die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, und die Stiftung preußischer Kulturbesitz, die die Kirche zuletzt für Ausstellungen nutzte, befürchten weitere Schäden.

Einzelne Fundamente der Kirche haben sich verschoben

„Das Gebäude hat sich zur westlichen Baustelle hin abgesenkt“, sagte Gerd Lukoschik, Justiziar der Stiftung bei einem Ortstermin am Freitag. Risse ziehen sich an den Wänden bis hoch zum Deckengewölbe. Viele sind bereits verfüllt und überstrichen. Rückgängig machen kann man sie nicht. Auch die Absenkungen bleiben. „Ein Schaden ist entstanden, der die Statik des Gebäudes beeinträchtigt“, so Lukoschik. Es gebe Setzungen im Zentimeterbereich, einzelne Fundamente der Kirche hätten sich verschoben.

Die Friedrichswerdersche Kirche wurde von 1824 bis 1830 erbaut. „Sie ist neben dem Schloss Tegel das einzige Gebäude von Schinkel in Deutschland, das innen wie außen im Original erhalten ist“, sagte Kirchenoberbaurat Matthias Hoffmann-Tauschwitz. Sie sei ein Schlüsselbauwerk ihrer Epoche und von internationalem Rang. „Es ist ein Glücksfall, dass diese Kirche erhalten geblieben ist.“

Kirche seit drei Jahren gesperrt

Doch seit drei Jahren schon haben Besucher keinen Zutritt mehr. Die Skulpturen, die die Stiftung zeigte, sind ausgelagert. „Die Kirche ist dauerhaft geschädigt“, so der Kirchenoberbaurat. Es sei zu bleibenden Verformungen gekommen. „Gutachter sagen, dass genau das Gleiche auf der östlichen Seite noch einmal droht.“ Man dürfe es nicht erneut auf Schäden ankommen lassen, forderte Jörg Antoine, Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche.

Mit dem Bauherrn auf westlicher Seite, der Firma Bauwert, hatte die Evangelische Kirche eine nachbarschaftliche Vereinbarung abgeschlossen. Bauwert kommt für die Schäden auf. Im September 2015 feierte das Unternehmen das Richtfest für die „Kronprinzengärten“. Elf Gebäude entstehen auf dem 3200 Quadratmeter großen Grundstück. 38 Wohnungen, sieben Gewerbeflächen und ein Botschaftshaus sind geplant. 90 Millionen Euro kostet das Vorhaben.

Der Bauherr des östlichen Areals, die Frankonia Europabau, will weitere Schäden an der Friedrichswerderschen Kirche verhindern. „Wir setzen eine filigrane Baugrubentechnik ein“, sagte Vorstandschef Uwe Schmitz. Die Arbeiten sollen weniger Erschütterungen mit sich bringen, die Schlitzwände zur Sicherung des Untergrundes seien „deutlich stabiler als auf der Westseite“. Man habe alles Erdenkliche getan, „damit uns nicht passiert, was dem Nachbarn passiert ist, dass nämlich die Kirche Schaden nimmt.“

Strafzahlung für jeden Millimeter Risse

Eine Nachbarschaftsvereinbarung mit der Evangelischen Kirche sei ausgearbeitet, so Schmitz. Für jeden Millimeter Rissbildung sei eine Strafzahlung vorgesehen. „Wir übernehmen auch alle Reparaturen, die eventuell notwendig werden.“ Im Kircheninneren sollen Lasergeräte die Erschütterungen messen. „Damit jegliche Bewegungen rund um die Uhr erfasst werden“, so Schmitz. Einige Messinstrumente seien bereits installiert.

Wenn bestimmte Grenzwerte überschritten würden, sollen die Bauarbeiten gestoppt und das Kirchenfundament stabilisiert werden. Die kritische Phase beginne beim Ausheben der Baugrube. „Da dürfen jetzt keine handwerklichen Fehler gemacht werden“, so Schmitz. Sie dauere bis zur Fertigstellung des Rohbaus. „Nach menschlichem Ermessen kann aber nichts passieren.“ 60 Millionen Euro investiert Frankonia in den Gebäudekomplex. 23 Eigentumswohnungen entstehen. Auch Geschäftshäuser sind geplant. Baubeginn werde voraussichtlich in den kommenden zwei Wochen sein, sagte Schmitz.

Kirche: Neue Häuser nehmen Sicht auf die Kirche

Die Evangelische Kirche ist jedoch noch nicht zufrieden. Der Nachbarschaftsvertrag mit Frankonia sei noch nicht zu Ende verhandelt, teilte eine Sprecherin am Freitag mit. Die Bauaufsichtsbehörde habe festgelegt, dass die Arbeiten erst beginnen dürften, „wenn die Messeinrichtungen an der Kirche aufgebaut sind und funktionieren“.

Die Evangelische Kirche kritisiert auch, dass die neuen Häuser die Sicht auf das Schinkel-Gebäude nehmen. „Man baut in wenigen Metern Entfernung und bis zur Traufhöhe“, sagte Konsitorialpräsident Antoine. „Wie geht man hier in Berlin mit Kulturgut um?“ Als der Bebauungsplan aufgestellt wurde, hätte stärker öffentlich diskutiert werden müssen, ob die Kirche so eng von Luxuswohnbauten umstellt werden soll.

Jetzt, so Antoine, stehe die Frage wieder bei der St. Matthäus-Kirche in Tiergarten, auf dem Gelände des Kulturforums, wo das Museum der Moderne errichtet werden soll. „Auch dort will man dicht bis ans Gebäude bauen und sehr hoch“, sagte der Konsistorialpräsident. Dadurch verschwinde die Kirche hinter dem Neubau. Man müsse jetzt darüber nachdenken, „ob wir das als Berliner wollen“.