Lenins Kopf ist auf der Zitadelle angekommen. Die Zauneidechsen sind vorerst umgezogen

Ein Stück vom Ohr fehlt. Vom Bärtchen ist etwas abgebrochen. Ansonsten ist der Granitkopf von Lenin unbeschädigt. Das 3,5 Tonnen schwere Objekt ist am Donnerstag auf der Zitadelle Spandau angekommen. Dutzende Kamerateams, Fotografen und Journalisten haben das Schauspiel verfolgt, wie bei einem Staatsempfang.

Erstaunlich klein wirkt das Paket in grauer Plastikplane, mit dem der Tieflader über das Kopfsteinpflaster der alten Festung rumpelt. Der Spandauer Kulturstadtrat Gerhard Hanke (CDU) lässt sich die Enthüllungszeremonie nicht nehmen. Er springt auf die Ladefläche und löst mit den Transportarbeitern zusammen die Gurte, mit denen der Granitbrocken festgezurrt ist. Er habe sich vergewissern wollen, so der CDU-Politiker, dass es wirklich der Granitkopf der Lenin-Statue ist.

Der Kopf ist auf einer Holzpalette transportiert worden. Schließlich hebt ein Kran das Objekt der Begierde an und lässt es auf den Boden herunter. Stadtrat Hanke ist von Journalisten umringt. Besonders interessiert sind die russischen Reporter. „Denkmale sollte man nicht zerstören, sondern erhalten“, sagt Hanke. „Denn sie sind Zeitzeugen.“ Die Lenin-Skulptur sei erhalten geblieben. Doch als Spandau den Kopf für die Ausstellung ausgraben lassen wollte, habe sich das Land Berlin „ein bisschen schwierig“ angestellt.

Fröhlich und unaufgeregt beobachtet Andrea Theissen das Hin und Her der Kamerateams auf dem Zitadellenhof. Die Kunstamtsleiterin von Spandau hatte schon 2009 die Idee, den Kopf in die Ausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ zu holen. Sie wird Denkmale zeigen, die einst das Stadtbild prägten, aber aus politischen Gründen verschwanden. An diesem Donnerstag sagt sie: „Ich hatte nie Zweifel daran, dass das gelingt.“ Für sie wäre die Ausstellung nicht vollständig ohne dieses Objekt. Seine Bergung kostete rund 60.000 Euro. Weitere 12.000 Euro waren für ein biologisches Programm erforderlich, weil sechs Zauneidechsen umgesiedelt werden mussten, die auf dem Boden über Lenins Kopf lebten. Sie sind auf einen Nachbarhügel umgezogen.

Früher stand die Skulptur in Friedrichshain

Lenins Oberlippenbart wird nicht ergänzt, das fehlende Stück am Ohr nicht nachgebildet. Der Kopf werde konserviert, aber nicht restauriert, sagt Andrea Theissen. Bleiben werden auch die vier Schrauben, die aus dem Schädel ragen. Sie wurden 1991 angebracht, bei der Demontage der Skulptur, die einst in Friedrichshain stand. Der 1,70 Meter hohe Granitkopf sei kein Denkmal, sondern ein Ausgrabungsfund, sagt Theissen. So wie er gefunden wurde – auf der Seite liegend – wird er ausgestellt. Die gesamte Bergung ist von einer Drohne gefilmt worden. Dieser Film wird in der Ausstellung gezeigt.

Wichtige andere Objekte sind das Marmordenkmal von Friedrich Wilhelm III., das einst im Tiergarten stand und durch eine Betonfigur ersetzt wurde. Das Original wird auf der Zitadelle zu sehen sein. „Es ist auf Anregung der Bürgerschaft entstanden, die dem König danken wollte“, sagt Kunstamtsleiterin Theissen. Aus der Zeit der Weimarer Republik stammt ein Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Eisenbahner. Sie stand einst vor dem Hamburger Bahnhof und kam, im Zuge des Umbaus zum Museum, ins Depot. In der Ausstellung wird auch eine digitale Denkmalkarte aufgebaut, die 600 Objekte in der gesamten Stadt zeigen kann. Die Ausstellung sei gründlich vorbereitet worden und werde „zu einer Attraktion weit über Spandau und über Berlin hinaus“, sagt Andreas Nachama, Mitglied im Beirat zur Ausstellung und geschäftsführender Direktor der Stiftung Topografie des Terrors.
Als Eröffnungsdatum geben Theissen und Hanke Frühjahr 2016 an. Mehrmals schon musste der Ausstellungsbeginn verschoben werden. Weil die Sanierung des alten Proviantmagazins komplizierter war als vermutet. Der Estrich müsse noch aufgebracht werden, sagt die Kunstamtsleiterin. Doch die Konzeption der Ausstellung ist fertig. „Wir warten auf das Startzeichen der Bauleute.“ In dem Gebäude mit fast neun Meter hohen Räumen werden etwa 100 Denkmale stehen. Weitere 50 Denkmale in einer Kaserne, die außerdem Dokumente und Entwürfe für die Skulpturen zeigt. Das gesamte Vorhaben wird mit EU-Mitteln und Geld der Lotto-Stiftung finanziert. Es kostet etwa 14 Millionen Euro.

Ein weiterer Fund aus der Zeit des Nationalsozialismus

Nicht nur der Lenin-Kopf und viele Standbilder, die einst an der Sieges­allee standen, waren vergraben. Auch eine weitere Skulptur, die aus der Zeit des Nationalsozialismus stammt. Sie sei bereits für die Ausstellung auf der Zitadelle geborgen worden, sagt Andrea Theissen. Doch um welches Werk es geht, will sie noch nicht mitteilen.

Vorerst wird der Lenin-Kopf auf der Zitadelle den neugierigen Blicken wieder entzogen und in einem Gebäude untergestellt. Kunstamtsleiterin Theissen kann sich wieder den Texten für die Ausstellung zuwenden. Das Loch im Boden der Seddinberge in Treptow-Köpenick wird mit Sand zugeschüttet. Darüber wächst Gras. Die Eidechsen können zurückkehren.