Nachrichten verbreiten sich schnell. Da die Ehefrau von Fatih K. im Saal 500 des Moabiter Kriminalgerichts saß – wie schon zuvor total vermummt –, ist es sehr wahrscheinlich, dass K.s irgendwo in Syrien lebender Freund, der einstige Gangsterrapper Denis Cuspert, schon bald von dem Strafantrag der Bundesanwaltschaft hören wird: sechseinhalb Jahre Freiheitsstrafe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Fatih K.s spätes Geständnis vor dem 1. Strafsenat des Kammergerichts hat sich aus Sicht von Oberstaatsanwältin Cornelia Zacharias nicht ausgezahlt. Die Aussage des 36-Jährigen sei „geprägt von Taktik“ und der „erdrückenden Beweislage“ geschuldet, sagte die Anklagevertreterin am Mittwoch. „Auch der härteste Gotteskrieger will nicht im Gefängnis sitzen.“
Angklagter soll ein Sturmgewehr Kalaschnikow bekommen haben
Zacharias sah es nach der monatelangen Beweisaufnahme als erwiesen an, dass Fatih K. im Sommer 2013 mit Frau und Kindern aus Berlin nach Syrien in ein Dorf gezogen war, das von den dort lebenden deutschen Dschihadisten „Türkmin“ genannt wird. Wenig später soll er sich der terroristischen Vereinigung „Junud al-Sham“ angeschlossen und eine paramilitärische Ausbildung durchlaufen haben. Dass sein Einsatz als Kämpfer geplant gewesen sei, zeige sich auch daran, dass dem Angeklagten ein Sturmgewehr Kalaschnikow AK-47 übergeben wurde, sagte die Oberstaatsanwältin. Auch habe er sich maßgeblich an der Herstellung von Propagandamaterial beteiligt. Nicht bewiesen werden konnte K., dass er sich aktiv an Kampfhandlungen des „Junud al-Sham“ gegen militärische Einheiten Syriens beteiligte. Auch das war von der Bundesanwaltschaft angeklagt worden.
Als sicher gilt, dass Fatih K. nach seiner Ankunft in Syrien von einem alten Freund aus Berlin begrüßt wurde: dem schon erwähnten Denis Cuspert, bekannt geworden als Rapper Deso Dogg. Der 39-Jährige soll inzwischen zum erweiterten Führungskreis der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) gehören und massive Nachwuchswerbung betreiben. Er steht wegen verübter Gräueltaten inzwischen weit oben auf der Liste weltweit gesuchter Terroristen. Im Sommer 2013 war Cuspert noch in Diensten der „Junud al-Sham“. Er und Fatih K. sollen für den Terrortrupp Propagandavideos gedreht haben: Sie zeigen unter anderem tote syrische Milizionäre, die übel beschimpft werden.
Bei seiner Wiedereinreise nach Deutschland im September 2013 wurde Fatih K. festgenommen. Oberstaatsanwältin Zacharias wertete die Heimkehr nicht als Rückzug aus der terroristischen Szene. Sie schilderte, wie der Vater von sieben Kindern in Syrien mit dem Tod zweier Gesinnungsgenossen konfrontiert worden sei. Auch habe er damals Cuspert, der bei einem Raketenangriff schwer verletzt wurde, in einem türkischen Krankenhaus besucht. Cuspert habe mit dem Tod gerungen. Das alles habe K. vermutlich zu der Einsicht gebracht, zumindest seine Frau und die damals sechs Kinder zurück nach Berlin in Sicherheit zu bringen, mutmaßte die Anklagevertreterin. Das siebte Kind wurde geboren, als Fatih K. schon im Gefängnis saß.
Dass der Angeklagte noch immer ideologisch verblendet sei, habe sich in der Untersuchungshaft gezeigt, sagte Zacharias. Ihm war es mehrfach gelungen, sich im Gefängnis Moabit trotz strenger Isolationshaft Handys zu besorgen. Darauf habe er „Bilddateien mit Gewalt verherrlichenden Darstellungen des Dschihad“ abgespeichert.
Berliner Fatih K. hat bereits zwei Freiheitsstrafen verbüßt
Der Senatsvorsitzende Josef Hoch und der Angeklagte Fatih K. waren sich im April 2011 schon einmal begegnet. Damals wurde der Berliner mit türkischen Wurzeln und deutschem Pass vom 1. Strafsenat des Kammergerichts als Terrorhelfer zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt – ohne Bewährung. K. hatte Geld für die Terrororganisation Deutsche Taliban Mudschahidin gesammelt und überwiesen. Im November 2013 wurde er wegen eines Pass-Vergehens zu sechs Monaten Haft verurteilt. Beide Strafen sind verbüßt. Fatih K. schwor im April 2011 vor Gericht, sich zu ändern. Das sei nicht erfolgt, so Anklägerin Zacharias: „Ein Gesinnungswandel hat nie stattgefunden. „Im Gegenteil, die Intensität der Taten hat sich sogar noch gesteigert.“
Im aktuellen Prozess behauptete Fatih K., dass es ihm in Syrien angeblich nur darum gegangen sei, den Boden für demokratische Wahlen zu bereiten. Die Kalaschnikow AK-47 habe er angeblich nur bekommen, um sich und seine Familie schützen zu können. Er könne sich vorstellen, später mit Frau und Kindern in die Türkei überzusiedeln. Das Land habe sich unter dem ehemaligen Vorsitzenden der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP), Recep Tayyip Erdogan, sehr zum Vorteil verändert. Die deutsche Staatsbürgerschaft wolle er zurückgeben, so Fatih K. Das Urteil soll am 9. September gesprochen werden.