Die Versäumnisse des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) beim Abschluss von Verträgen mit Flüchtlingsheimbetreibern sind offenbar weitreichender als bislang bekannt. Nach Informationen der Berliner Morgenpost weisen alle von Wirtschaftsprüfern durchleuchteten Verträge gravierende Mängel auf. Das betreffe nicht nur Vereinbarungen mit den privaten Heimbetreibern Pewobe und Gierso, sondern auch solche, die mit freigemeinnützigen wie etwa der Arbeiterwohlfahrt (Awo) abgeschlossen wurden. Zudem gebe es Hinweise, dass diese Mängel auch bei älteren Verträgen auftreten. Bislang wurde von der Amtsführung stets erklärt, die wegen stark gestiegener Flüchtlingszahlen angespannte Personalsituation sei der Grund für mögliche Versäumnisse.
Sozialsenator Mario Czaja (CDU) äußert sich dazu nicht. Er verweist auf den Abschlussbericht der Wirtschaftsprüfer, der am Donnerstag vorgestellt werden soll. Czaja hatte die Kontrolleure beauftragt, nachdem im vergangenen Winter der Vorwurf laut geworden war, das Lageso würde private Heimbetreiber bevorteilen. Auch der Präsident des Landesamtes, Franz Allert, geriet unter Druck, als bekannt wurde, dass die Firma Gierso von seinem Patensohn geleitet wird. Eine interne Revision ergab zwar keine Hinweise auf Korruption oder rechtswidrige Entscheidungen, allerdings wurde eine mangelhafte Aktenführung kritisiert. Auch die Staatsanwaltschaft und der Landesrechnungshof ermitteln wegen der Vorgänge im Lageso.
Verfahren nicht ausreichend dokumentiert
Die Wirtschaftsprüfer nahmen 16 Verträge, die das Landesamt mit den beiden privaten Betreibern Pewobe und Gierso geschlossen hatte, unter die Lupe, und zum Vergleich sechs weitere. Nach Morgenpost-Informationen ist in aller Regel nicht nachvollziehbar, unter welchen Voraussetzungen die Auswahl eines Heimbetreibers erfolgte, weil das Vergabeverfahren nicht ausreichend dokumentiert worden und die Aktenführung unvollständig sei. Damit sei auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit nicht dokumentiert, heißt es. Aufgabenprozesse und Verantwortungsstrukturen seien im Lageso nicht klar definiert, das Handeln der Verwaltung damit teilweise nicht kontrollierbar. Das bedeutet andererseits, dass auch die Wirtschaftsprüfer nicht davon ausgehen, dass Pewobe und Gierso gegenüber Mitbewerbern bevorzugt wurden. Auch die umstrittenen „einmaligen Liquiditätshilfen” für Investitionen sind nach Informationen der Berliner Morgenpost an mehrere Heimbetreiber geflossen.
Nach Vorlage der Prüfberichte sind weitere Disziplinarverfahren gegen leitende Mitarbeiter des Lageso nicht auszuschließen. Nach Morgenpost-Informationen sind bereits Verfahren gegen Allert sowie gegen eine Abteilungs- und eine Referatsleiterin anhängig. Geprüft wird dabei insbesondere, ob beim Bau des Flüchtlingsheims an der Haarlemer Straße gegen die Landeshaushaltsordnung verstoßen wurde.
Von Abgeordneten wird kritisiert, dass das Lageso in etlichen Fällen Heime eröffnet hat, ohne dass überhaupt ein abgeschlossener Betreibervertrag vorgelegen habe. Details über Tagessätze und Investitionen wurden dann erst im Nachhinein verhandelt. Derzeit zahlt das Landesamt für 22 seiner rund 60 Heime nur vorläufige Tagessätze, für zehn weitere muss der Vertrag aktuell neu ausgeschrieben werden. Um die Verträge korrekt auszugestalten, hatte Czaja um personelle Unterstützung aus anderen Senatsverwaltungen gebeten. Die Gruppe besteht aus zwölf Personen, vor allem Betriebsprüfer und Juristen.
Entlastung durch Containerdörfer
Entlastung bei den Unterkünften sollen in diesem Jahr vor allem die sechs Containerdörfer für mehr als 2000 Flüchtlinge bringen, die die Sozialverwaltung auf landeseigenen Grundstücken errichtet. Bislang sind erst zwei in Betrieb, in Köpenick und Buch (Pankow). Wie die Verwaltung der Berliner Morgenpost auf Anfrage mitteilte, ist für die Containerdörfer in Marzahn und Falkenberg (Lichtenberg) mit insgesamt 680 Plätzen die Eröffnung nun für Mitte Juli vorgesehen. Anfang August sollen die Unterkünfte in Lichterfelde und Zehlendorf mit insgesamt 640 Plätzen in Betrieb gehen.
Wegen des Umgangs Europas mit Flüchtlingen protestierte am Dienstag in Berlin eine Künstlergruppe. Das „Zentrum für politische Schönheit“ bestattete nach eigenen Angaben eine im Mittelmeer ertrunkene Syrerin auf dem muslimischen Friedhof in Gatow. Die Frau sei mit ihrer Tochter auf dem Weg von Libyen nach Lampedusa ertrunken, teilte die Gruppe mit. Die Angaben konnten aber nicht überprüft werden, da die Aktionisten keine weiteren Informationen herausgaben. Sie kündigten an, vor dem Kanzleramt die Grundsteine für einen Flüchtlingsgedenkfriedhof zu legen.