Wenn der Computer kaputtgeht, ist die Katastrophe programmiert. Für solche Fälle gibt es Experten, die private Reparaturdienste anbieten – eine Branche, die wächst wie kaum eine andere.

Es gibt einen Satz, den hat Thomas Grabinger lange nicht mehr gehört. Früher, wenn er Kunden sagte, die Reparatur des Computers würde dauern, er müsse das Gerät für ein paar Tage mitnehmen, da hieß es meist: „Kein Problem, ich sitze sowieso nicht jeden Abend vor der Kiste.“ So war das vor zehn Jahren, als Grabinger anfing, Zettel an Laternenpfähle zu kleben mit der Aufschrift: „Hilfe bei Computerproblemen“. Eine Webseite, dachte Grabinger, brauche er nicht. Menschen mit kaputtem Computer, die suchen doch nicht im Internet nach Hilfe.

Noch immer reagieren viele Kunden überraschend entspannt auf die Aussicht, ihren Computer einen Tag nicht benutzen zu können. Aber was sie sagen, klingt wie aus einer anderen Zeit. Klar, sagen einige, wenn die Reparatur dauere, benutzen sie ihren Dienst-Laptop. Und „für alles andere“ das iPad, das Tablet ihrer Frau oder den Computer der Tochter. Außerdem, sagen sie, die dringendsten Mails lesen und beantworten, das geht auch mit dem Smartphone. „Echt, kein Problem. Nehmen Sie das Gerät ruhig mit.“

Unverzichtbar wie warmes Wasser

Thomas Grabinger hat mit seiner Reparatur-Firma „mein-pc-wieder-ok.de“ auf eine Branche gesetzt, die innerhalb weniger Jahre so gewachsen ist wie kaum eine andere. Computer gelten in vielen Haushalten als so unverzichtbar, wie es früher der Boiler für warmes Wasser war.

Techniker in privaten Haushalten müssen diskret arbeiten. Es gibt kaum Gegenstände, die für Menschen persönlicher sind als ihre Festplatten. Und von Ärzten einmal abgesehen gibt es kaum Dienstleister, die so viel über die Vorlieben von Menschen wissen wie Experten für Computer und Datenrettung.

Pornos auf allen Computern

Fast alle Männer haben Pornos auf ihren Computern. Von Professoren bis hin zu Maurern. Gar nicht so wenige haben Sexbilder von sich selber gespeichert, Männer wie Frauen. Grabinger erzählt das in gelangweiltem Ton. Computertechniker wissen so was. Zwar gilt der Datenschutz auch für sie, aber die Kunden erlauben ihnen vertraglich, Stichproben nach Reparaturen zu machen. „Wäre da etwas Illegales dabei, ich würde es sofort der Polizei melden“, sagt er. Bisher sei das aber nicht passiert.

„Dieses Schwein.“ So einen Satz hört Thomas Grabinger schon mal, wenn er in einem fremden Wohnzimmer sitzt und in einen Bildschirm schaut. Dann sitzt er neben Frauen, deren Ex-Freund sich „um das Technische“ gekümmert hat. Und weil es dauert, einen Computer zu reparieren oder neu zu installieren, muss er sich schon mal anhören, wie die Beziehung so gelaufen ist. Einige Kunden beauftragen ihn auch, einst gemeinsam genutzte Computer nach Spuren von Affären zu durchsuchen. Grabinger ist aber kein Detektiv, wie er sagt, außerdem ist da ja auch der Datenschutz. Er weiß ohnehin, dass Material dieser Art viel eher in Chatprogrammen auf dem Smartphone des Verdächtigen zu finden wäre.

Der übliche Weg: Quereinstieg

Thomas Grabinger erzählt von seiner Arbeit in einem Café in Mitte. Ein gewinnender Typ im Anzug. Einer, den man gerne in sein Haus lässt. Der hilfsbereite Freund eines Freundes, den man oft und gerne anrief, wenn zu Hause der Computer streikte. Logisch, dass er anfing, dafür Geld zu nehmen. Die typische Laufbahn für einen Notdienstler: Quereinstieg. Viel selbst beigebracht.

Computer-Klempner für private Haushalte, eine richtige Ausbildung dafür gibt es bisher nicht. Dabei ist der Bedarf an verlässlicher Unterstützung hoch: Mit der steigenden Nutzung ist das Verständnis für Computer kaum gestiegen. Wer weiß schon, was Begriffe wie „4x3,9 Gigaherz“ bedeuten. Oder, dass private Fotos automatisch ins Netz geladen werden, weil man irgendwann mal einen Schalter umgelegt hat. Oder dass Fotos, die ein Familienvater im Ski-Urlaub macht, auch auf dem Tablet daheim auftauchen können. Zugleich ist der Druck hoch, sich neue Geräte anzuschaffen. Inzwischen brauchen sogar Nachrichtenseiten mit ihren Bannern und Videos so viel Rechenpower, wie sie sich früher nur Computerfreaks anschafften.

Viele Kunden haben aufgegeben

„Viele private Kunden haben aufgegeben“, sagt Grabinger. Die meisten würden gar nicht mehr hinterfragen, wie ein Computer funktioniert. Was die Sicherheit ihrer Daten angeht, aber auch, was der neue Computer alles kann. Während es in Firmen oft ganze Abteilungen sind, die Computer pflegen wie einen Fuhrpark mit teuren Autos, fragt man bei Problemen im Haushalt lieber einen Bekannten um Hilfe. Was dabei herauskommt, erlebt Grabinger besonders oft am Anfang seiner Arbeitswoche. Da steht eine Familie um den Rechner im Arbeitszimmer, die Geschichte die sie erzählen fängt immer an mit: „Da ging was nicht, ein Bekannter hat sich das am Wochenende mal angeschaut“, und endet mit: „Jetzt geht nichts mehr.“

„Kaum ein Autofahrer kann einen Motor reparieren, aber jeder weiß, wie man Öl nachfüllt und auf den Reifendruck achtet“, sagt Grabinger. So müsste es bei Computern eines Tages auch sein. Größere Reparaturen sind etwas für Fachleute. Eben auch kostengünstige Routinechecks.

Kaum einer macht Sicherungskopien

Von der „Kiste, vor der man nicht jeden Abend sitzt“, haben es Computer in den Mittelpunkt der menschlichen Beziehungen geschafft. So ist schon mal ein Laptop nach einem Telefonat über Skype zerstört. Es gab Streit und einer hat wütend auf die Tasten geschlagen. Bei allem Virtuellen brauchen Menschen eben etwas zum Anfassen. Genauer: Der Mensch bildet sich ein, dass er es anfassen kann. Ein weiteres Problem.

Fotos zum Beispiel. Kaum einer zieht sie noch im Labor ab und schaut sie auf dem Bildschirm an. Aber sie sind nicht greifbar, von einem Tag zum anderen können sie weg sein. Mehr als 90 Prozent seiner Kunden, sagt Grabinger, hätten keine Sicherheitskopien.

Alle Festplatten gehen kaputt

Wer wissen will, wie unsicher eine Speicherung der Hochzeitsfotos ist, muss Martin Schauerhammer von „030-datenrettung.de“ treffen. Er ist etwas schweigsamer als sein Branchenkollege Grabinger, hat Informatik und Politik studiert und gelernt, in einem staubfreien Labor mit Mundschutz daran zu arbeiten, dass verlorene Daten wieder auftauchen. Er sagt: „Es ist nicht die Frage ob eine Festplatte kaputtgeht, sondern nur wann.“

Als Datenretter hilft Schauerhammer sehr unterschiedlichen Kunden. Familien, deren Bilder verschwunden sind, aber auch Unternehmen. Kürzlich stellte er die komplette Adresskartei eines Sportstudios wieder her. Der Laden hätte sonst schließen können. Auch Promis und ehemalige Bundesminister haben ihm schon virenverseuchte Computer und defekte Festplatten anvertraut. Einer wie Schauerhammer wird offensichtlich gerne weiterempfohlen. Er betreibt seit Jahren sein eigenes Labor in Berlin.

Windige Anbieter für Datenrettung

Das Geschäft mit der Datenrettung ist inzwischen so groß geworden, dass viele Firmen mit der Verlustangst der Kunden viel Geld verdienen wollen und absurde Preise verlangen, wie kürzlich der „Stern“ berichtete. Andere Firmen verschicken die Festplatten in Länder mit billigen Arbeitslöhnen. Vielleicht auch kein Umgang, den man sich mit sensiblen Privatdaten wünscht.

Schauerhammer zeigt Bilder auf seinem Handy von einer defekten Festplatte. So sieht das Ding also aus, dem viele Menschen ihre wertvollsten Daten anvertrauen: Eine Magnetscheibe und ein schwebender Lesearm. Klebt eine Hautschuppe auf der Magnetfläche, dann ist das für den Lesearm, als würde ein Auto mit 100 Kilometern in der Stunde über einen Stein fahren. Und obwohl sie sehr empfindlich sind, seien Festplatten noch die erprobtesten Speichermedien. Anders bei sogenanntem Flash-Speicher, wie er in USB-Sticks oder den meisten Smartphones verwendet wird: Der speichert die Daten nach einer Ordnung, die nur ein eingebauter Chip entschlüsseln kann. Ist dieser Chip defekt, wird es auch für Profis wie Schauerhammer schwer, die Daten zu retten. Schauerhammer findet, dass diese technischen Entwicklungen den Nutzer entmündigen. Auch hier ist es bei Computern wie bei Autos: Früher konnte man sie wenigstens noch aufschrauben, den Aufbau verstehen und Schäden reparieren.

Schon jetzt sind viele Datenrettungen nur möglich, weil Schauerhammer persönlich stundenlang im Labor sitzt und Wege sucht, die Daten mit eigenen Lesegeräten zu kopieren. Als er das erzählt, ist es kurz nach 20 Uhr an einem Dienstag. Noch immer klingelt sein Handy: Um diese Zeit sind es oft Jugendliche, die ein Spiel zocken wollen, aber Probleme mit der Technik haben. Schauerhammer nimmt den Anruf an und erklärt etwas, sehr geduldig. Ein Geschenk, Geld nimmt er dafür nicht. Er ist eben auch einer dieser gutmütigen Helfer, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben.