Die Berliner Polizei rechnet auch 2015 mit einer Vielzahl großer Einsätze. „Wir stehen vor neuen Herausforderungen“, sagte Polizeipräsident Klaus Kandt. Ein Staatsbesuch des israelischen Ministerpräsidenten werde einen ähnlich hohen Aufwand wie zuletzt der Berlin-Besuch von US-Präsident Barack Obama im Sommer 2013 erfordern. Zudem müssten die Finalspiele der Champions League im Fußball der Männer (Juni) sowie der Frauen (Mai) mit Tausenden Fans abgesichert werden. „Das alles kostet Kraft und Personal.“
Der Polizeipräsident rechnet nicht mit weniger Demonstrationen als 2014. „Jede Spannung in der Welt bildet sich in Berlin ab. Es sind global unruhige Zeiten und das merkt man hier“, sagte Kandt. Seit Jahren steigt die Zahl von Kundgebungen und Aufzügen in der Hauptstadt. 2014 gab es etwa 4950 Demonstrationen. „Das ist der absolute Rekord“, betonte Kandt. Zum Vergleich: 2010 wurden etwa 2400 Demos verzeichnet.
Die Polizei stelle sich zudem auf weitere Demonstrationen zu den geplanten Container-Dörfern für Flüchtlinge ein, sagte der 54-Jährige. „Das wird sicher noch eine Weile weitergehen.“ Anwohner sowie Neonazis protestieren gegen die Unterkünfte, aber auch Gegendemonstranten sind unterwegs.
Demonstrationen rund um die Flüchtlingswelle
Rund um den 1. Mai werde die Polizei wiederum mit einem Großaufgebot im Einsatz sein, sagte Kandt. „Das ist eingespielt und läuft sehr professionell.“ In den Vorjahren kam es gerade am Abend des 1. Mai in Kreuzberg immer wieder zu Gewaltausbrüchen von zumeist betrunkenen Randalierern.
Im Mittelpunkt standen in diesem Jahr die Demonstrationen rund um die Flüchtlingswelle. Während sich die Kundgebungen in der ersten Jahreshälfte vor allem um das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz in Kreuzberg und die benachbarte Gerhart-Hauptmann-Schule an der Reichenberger Straße drehten, stehen derzeit Demonstrationen um neu errichtete Flüchtlingsunterkünfte in den Randbezirken im Vordergrund. Dabei treffen Gegner neuer Unterkünfte auf Unterstützer der Flüchtlinge.
Anders als in anderen Städten spielt das in den vergangenen Wochen erstarkte „Pegida“-Phänomen („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) in Berlin bislang keine Rolle. Im Gegenteil: Die Zahl der Demonstranten gegen flüchtlings- oder ausländerfeindliche Kundgebungen ist regelmäßig höher.
Höhepunkt war der 25. Jahrestag des Mauerfalls
Den Höhepunkt stellte in diesem Jahr allerdings die Kundgebungen rund um ein historisches Ereignis dar: den 25. Jahrestag des Mauerfalls. Rund eine Million Menschen nahmen an dem Jubiläum an verschiedenen Veranstaltungen an der ehemaligen Grenze entlang teil. Höhepunkt war der Fall der „Lichtgrenze“, als 6800 Luftballons, die entlang des ehemaligen Todesstreifens aufgestellt waren, mit persönlichen Botschaften in den Himmel flogen. Die Bilder dieser Demonstration der Freiheit gingen um die Welt.
Traditionell gehörten auch die Walpurgisnacht und die Veranstaltungen rund um den 1. Mai zu den größten Demonstrationen dieses Jahres. Mit fast 20.000 Teilnehmern war die sogenannte 18-Uhr-Demonstration eine der größten Kundgebungen. Mehr als 6400 Polizeibeamte aus zehn Bundesländern und von der Bundespolizei waren an Walpurgisnacht und dem Tag der Arbeit im Einsatz. 61 Polizisten wurden an beiden Tagen verletzt, fünf mussten in der Folge vom Dienst abtreten, eine Beamtin kam wegen eines Kollapses ins Krankenhaus. Festgenommen wurden 68 Menschen, 103 Straftaten zählte die Polizei. Vor zwei Jahren war nach Angaben des Innensenators Frank Henkel (CDU) die Zahl der Verletzten noch doppelt so hoch. Der Trend zu einem friedlichen 1. Mai setzte sich demnach auch 2014 fort.
Demonstration vor dem falschen Haus
Kurzzeitig sorgte auch eine geplante Hooligan-Demonstration gegen Salafisten bei den Ermittlungsbehörden für Aufregung. Nachdem eine derartige Demonstration in Köln mit 5000 Teilnehmern eskaliert war und mit Polizeigewalt aufgelöst werden musste, planten die Organisatoren eine vergleichbare Veranstaltung zunächst am 9. November, später dann am 15. November vor dem Brandenburger Tor. Die Demonstration wurde jedoch kurzfristig abgesagt.
Zahlreiche Demonstrationen richteten sich gegen undemokratische Regierungen in aller Welt. Außerdem demonstrierten regelmäßig Palästinenser in diesem Jahr gegen das Vorgehen Israels in den besetzten Gebieten.
Einen Reinfall erlebte eine Gruppe von 70 Aktivisten, die gegen eine Zwangsräumung an der Neuköllner Jahnstraße 87 demonstrieren wollte. Die Räumung, von 50 Polizisten begleitet, fand gleichzeitig ungestört vor der Hausnummer 77 statt.