Das Verkehrsministerium erlaubt nur noch den großen Fahrgastschiffen, über Spree und Landwehrkanal zu fahren. 200 Jobs sind in Gefahr.
Vor allem der Paragraf 6 lässt Kirk Schoormann in letzter Zeit nicht mehr zur Ruhe kommen. Aus ihm folgt die Rechnung, die Schoormann aufmacht und die seine Existenz und die jener 16 Mitarbeiter gefährden könnte, die für sein kleines Berliner Schiffsunternehmen arbeiten.
„Für die kommende Saison habe ich meine sechs Charterboote bisher 15 Mal vermietet. Die Tinte unter den Verträgen mit den Kunden ist trocken. Wenn ich sie wegen der neuen Verordnung nicht einhalten kann, dann verliere ich mehrere Hunderttausend Euro“, sagt der Geschäftsführer der Bootsvermietung „Schiffskontor“.
Seine Schiffe buchen Kunden für Hochzeiten, Firmenfeiern oder um Geburtstag zu feiern. Wenn Schoorman das Wort Verordnung in den Mund nimmt, was er in letzter Zeit oft tut, dann schwingt etwas in seiner Stimme mit, das nach Wut, Unverständnis, auch ein wenig nach Furcht klingt.
Partyfloß darf nicht mehr ablegen
Denn eine neue Verordnung des Bundesverkehrsministeriums erlaubt es nur noch den großen Fahrgastschiffen über Spree und Landwehrkanal zu fahren. Kleinere Ausflugsboote, Salonschiffe, Partyflöße und historische Kähne hingegen dürfen künftig nicht mehr ablegen. Bisher war es kleinen Boote erlaubt inklusive Bootsführer vermietet zu werden.
Auf dieser Grundlage blühte in den vergangenen 15 Jahren ein Wirtschaftszweig auf – immer mehr touristische Kähne, Charterboote und Flöße fuhren über die Berliner und Brandenburger Gewässer. Die überarbeitete Sportbootvermietungsverordnung und deren Änderung durch den Artikel 2 Paragraf 6 entzieht ihnen nun die Geschäftsgrundlage: Seit Jahresbeginn erlaubt sie eine Vermietung lediglich ohne Bootsführer.
Das Geschäft liegt damit Brach. Nach Schätzungen des Wirtschaftsverbands Wassersport, in dem rund 50 kleine Schifffahrtsunternehmen mit 90 Booten organisiert sind, bedroht die neue Verordnung mehr als 200 Arbeitsplätze.
„Sicherheit geht vor“, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium. „Es soll sichergestellt werden, dass Personen gewerbsmäßig nur auf Schiffen transportiert werden, die auch die erforderlichen Mindestsicherheitsstandards erfüllen“, sagt eine Sprecherin. Eine solche Regelung, die zum Beispiel Auflagen für den Brandschutz und Evakuierung regelt, habe bisher gefehlt. Per Verordnung will das Ministerium gleichzeitig aber auch die sogenannte „verdeckte Fahrgastschifffahrt“ unterbinden.
„Zum Teil boten Unternehmen auch Fahrten gegen Einzeltickets an und verkehrten nach einem festen Fahrplan“, sagt die Sprecherin. In Folge dessen sei es auch des Öfteren zu einer wirtschaftlichen Konkurrenzsituation zwischen Betreibern von Fahrgastschiffen und Betreibern von Sportbooten gekommen, heißt es aus dem Ministerium.
90 Schiffe lahm gelegt
„Faktisch sind nun 90 Schiffe an die Kette gelegt. Und das bedroht nicht nur die Existenzen der Mitarbeiter, sondern schränkt auch die Möglichkeiten der Kunden ein: Individuelle Fahrten für 12 bis 30 Personen fallen einfach weg.“ Salonboote, Flöße und Yachten mit Bootsführern dürfen nicht mehr aufs Wasser. „Was macht in Zukunft die hippe Berlin-Mitte-Agentur, die in kleiner Runde über die Spree schippern möchte. Zwängt die sich auf ein Fahrgastschiff mit Hunderten Passagieren?“, fragt Max Hiller, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Wassersport.
Die neue Verordnung beschneide dramatisch die Vielfalt auf Berlins Gewässern. Das sei, sagt Hiller, eine typische „Lex Berlin“, die zu einem Monopol der großen Fahrgastschiffe führe. Besonders pikant in der Verordnung sei die Passage, die eine scheinbare Ausnahme verspreche: Erlaubt sind weiterhin Sportboote, aber lediglich in Fahrgebieten, „in denen keine oder nur in geringem Umfang Fahrgastschifffahrt betrieben wird.“ Viele Betreiber kleinerer Bootsunternehmen sehen hinter der neuen Verordnung Lobbyisten der großen Betreiber am Werk.
„Wenn wir nur noch dort fahren dürfen, wo die Etablierten nicht fahren, dann weiß man wo der Wind herweht. Konkurrenz ist doch nicht strafbar“, sagt die Bootsbetreiberin Katrin Oggesen. Nicht nachvollziehen kann Oggesen, warum es keine Staffelungen der Sicherheitsverordnung gibt, die auf Schiffstyp und Anzahl der Passagiere zugeschnitten sind. Es gibt nur Schwarz oder Weiß, keine Graustufen, nur großes Fahrgastschiff oder Bankrott, sagt sie.
„Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Einfamilienhaus bauen und müssen die Normen erfüllen, die für ein Hochhaus vorgesehen sind“, sagt die Diplom-Ingenieurin Oggesen, die seit zwei Jahren das Salonschiff „MS Marple“ vermietet. „Die Auflagen schreiben vor, dass das Schiff mindestens zwei Motoren haben muss und das kein Holz verbaut sein darf.“ Für die 46-Jährige klingt die Forderung des Bundesverkehrsministeriums absurd: „Ein holzverkleidetes Salonschiff ohne Holz?“
Auch Kirk Schoormann beteuert, dass Sportboote sicher seien. „Die Sportbootverordnung schreibt genaue Regeln für den Brandschutz vor, die wir einhalten. Diese sehen natürlich anders aus als für ein Schiff, auf dem mehrere Hundert Menschen fahren, aber sie sind genauso sicher“, beteuert er. Mit der Verordnung gehe quasi ein Berufsverbot einher, sagt der Reeder.
Hafen fürchtet um Arbeit
Auf Kritik stößt die neue Verordnung auch im Verein Historischer Hafen Berlin. Der kleine Anleger an der Fischerinsel ist Anlaufstelle für ein Dutzend restaurierter Binnenschiffe. „Die neue Bestimmung nimmt uns die Grundlage für unsere kulturelle und denkmalpflegerische Arbeit“, sagt Corinna Weidner aus dem Vorstand des Vereins.
Drei historische Boote, sagt Weidner, liegen ständig an dem Steg an der Spree. „Das sind alles ehemalige Berufsschiffe wie Schlepper und Barkassen, die für den Personentransport gebaut wurden und noch heute von Berufskapitänen gefahren werden.“
Damit entgehen dem Verein auch wichtige Einnahmen, die für Betrieb und Erhalt des Museumshafen an der Fischerinsel in Mitte unerlässlich sind.“ Der Bundesverband Binnenschifffahrt verteidigt die neue Verordnung. Genauso wie das Bundesverkehrsministerium, aus dem es heißt: „Die Binnenschifffahrt hat damit einen klaren Rechtsrahmen, der auch einen fairen Wettbewerb ermöglicht.“