Viele Berliner Lehrer gehen kurze Zeit in ein anderes Bundesland, um den Beamtenstatus zu erhalten. Das will Senatorin Scheeres verhindern.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will die Position der angestellten Lehrer stärken. „Ich werde verhindern, dass junge Pädagogen für eine kurze Zeit in ein anderes Bundesland wechseln, um dann als Beamte nach Berlin zurückzukehren“, sagte Scheeres der Berliner Morgenpost. Sie werde dieser Praxis „einen Riegel vorschieben“, kündigte die Senatorin an. Künftig soll jungen Lehrern, die sich in einem anderen Bundesland verbeamten lassen, erst dann die Rückkehr nach Berlin ermöglicht werden, wenn sie einige Jahre in dem entsprechenden Bundesland unterrichtet haben.

Sachsen als Vorbild

Darüber hinaus habe sie die gesamte Gruppe verbeamteter Lehrer im Blick, die aus anderen Bundesländern nach Berlin kommen wollen, sagte die Senatorin. Scheeres will sich offenbar am Bundesland Sachsen orientieren. Dort gibt es nur angestellte Lehrer. Bewerber aus anderen Bundesländern dürfen im Übernahmefall ihren Beamtenstatus nicht mitnehmen.

Die Vorsitzende des Philologenverbandes Berlin-Brandenburg, Kathrin Wiencek, warnte indes vor den Plänen der Senatorin. „Das ist der falsche Weg. Berlin sollte stattdessen wieder alle Lehrer verbeamten“, sagte sie. Ansonsten hätte die Hauptstadt einen riesigen Standortnachteil und würde schon bald nicht mehr genug Lehrer bekommen. Selbst Sachsen würde derzeit überlegen, zur Verbeamtung zurückzukehren, so Wiencek. In den kommenden Jahren würden in allen Bundesländern sehr viele Lehrer in den Ruhestand gehen. Länder, die ihre Pädagogen nicht verbeamten, seien im Wettbewerb um junge Lehrer dann im Nachteil.

Mehr Geld für die gleiche Arbeit

Senatorin Scheeres geht mit ihrem Vorstoß auf die Forderungen der angestellten Lehrer Berlins nach einer Gleichstellung mit ihren verbeamteten Kollegen ein. „Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass junge Pädagogen es als ungerecht empfinden, wenn sie hier angestellt werden, während Kollegen erst einmal kurz woanders hingehen, um dann als Beamte zurückzukommen.“

Konkrete Zahlen lägen zwar nicht vor, um der Gerechtigkeit willen wolle sie diese Möglichkeit aber abschaffen, sagte Scheeres. Viele der rund 8000 angestellten Lehrer wollen nicht länger hinnehmen, dass verbeamtete Lehrer tricksen, indem sie aus anderen Bundesländern nach Berlin kommen, die gleiche Arbeit machen, aber besser bezahlt werden. „Das führt zu einer Zweiklassengesellschaft im Lehrerzimmer“, sagt Florian Bublys von der Initiative Bildet Berlin. 2012 seien rund 150 Beamte aus anderen Bundesländern an Berliner Schulen gekommen, doppelt so viele wie 2011. Die Tendenz sei steigend.

Kampf um Gleichstellung

Die Initiative Bildet Berlin, der etwa 2000 angestellte Lehrer angehören, kämpft um die Gleichstellung der Lehrer. Mit einer Aktion auf dem Potsdamer Platz hat sie am Dienstag auf die entsprechenden Forderungen aufmerksam gemacht.

Die angestellten Lehrer fordern darüber hinaus auch eine verlässliche tarifliche Bezahlung, die eine Einkommensentwicklung sichert. „Verbeamtete Lehrer verdienen in 40 Dienstjahren über 100.000 Euro mehr als angestellte“, sagte Florian Bublys. Die zuständige Bildungsverwaltung müsste endlich ein Konzept zur Eingruppierung angestellter Lehrer vorlegen.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres verwies indes auf die politische Entscheidung von 2009, angestellte Lehrer schon zu Beginn ihrer Berufslaufbahn nach der Erfahrungsstufe 5 zu bezahlen. Das bedeute, dass sie 1300 Euro Brutto mehr bekommen. Ein Lehrer mit zwei Fächern fange mit einem Bruttogehalt von 4400 Euro an, sagte Scheeres. „Das ist auch gerechtfertigt, weil Lehrer eine sehr anspruchsvolle Arbeit machen.“

In der Verwaltung von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) hieß es dazu: „Das Land Berlin hat die übertarifliche Regelung, angestellte Lehrer in Berlin sofort nach der höchsten Erfahrungsstufe zu bezahlen, bis zum Jahr 2017 verlängert und gesichert – obwohl diese Regelung von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder skeptisch gesehen wurde. Inwiefern das Land darüber hinaus nach Eintritt in diese Tarifgemeinschaft zum 1.1.2013 noch eigenständige tarifrechtliche Spielräume hat, wird die Finanzverwaltung – auch im Gespräch mit der GEW – klären.“

„Wir fühlen uns als Lehrer zweiter Klasse“

Ein Spektakel der besonderen Art gab es am Dienstagnachmittag auf dem Potsdamer Platz zu sehen. In blaue Mülltüten gehüllte Lehrer standen dort für Kollegen aus anderen Bundesländern Spalier und begrüßten diese mit großem Hallo und jeder Menge Konfetti. Das Ganze war natürlich ein Scherz, präsentiert von rund 200 angestellten Lehrern, die auf ihre Situation an den Berliner Schulen aufmerksam machen wollten.

Initiator der Aktion war die Initiative Bildet Berlin. Deren Sprecher Florian Bublys sagte, dass es ihm und seinen Kollegen vor allem darum gehen würde, deutlich zu machen, dass sich die angestellten Lehrer als Lehrer zweiter Klasse fühlten. „Im Vergleich zu den verbeamteten Kollegen, die aus anderen Bundesländern nach Berlin kommen, sind wir so zusagen der Müll, diejenigen, die für die gleiche Arbeit deutlich weniger Geld bekommen“, so Bublys.

Die angestellten Lehrer würden diese Ungleichbehandlung nicht länger hinnehmen wollen. „Wir fordern eine tarifrechtlich gesicherte Zulage und darüber hinaus weitere Einkommensstufen“, so Bublys. Die derzeit gültige Zulage für Berufsanfänger sei von der Verwaltung jederzeit kündbar. „Wir haben zwar eine Zusage bis 2017, doch was danach passiert, ist ungewiss“, sagte Bublys. Die angestellten Lehrer forderten deshalb eine tarifrechtlich gesicherte Vereinbarung.

Schultüten für SPD-Politiker

Unterstützung bekamen die angestellten Lehrer am Dienstag vom bildungspolitischen Sprecher der SPD, Ilkin Özisik. In einem Gespräch mit einer Abordnung der Initiative Bildet Berlin erklärte Özisik, dass er hinter den Forderungen der angestellten Lehrer stehe. „Es gibt eine klare Ungleichbehandlung, dagegen müssen wir vorgehen“, sagte er. Geld sei im System. Schließlich habe man sich mit der Sonderzulage für die Berufsanfänger unter den angestellten Lehrern bis 2017 festgelegt.

„Wir brauchen Euch, wir sind deshalb froh, dass Ihr hier geblieben seid“, sagte Ilkin Özisik zu den angestellten Lehrern. Über die Pläne der Bildungssenatorin, die offenbar verhindern will, dass weiterhin verbeamtete Lehrer aus anderen Bundesländern nach Berlin kommen und die Ungleichheit in den Lehrerzimmern damit festgeschrieben wird, schien Özisik zu diesem Zeitpunkt indes nicht informiert gewesen zu sein.

Auch Scheeres bekam Geschenke

Nach dem Gespräch mit dem bildungspolitischen Sprecher der SPD überreichten die Lehrer den Mitgliedern der SPD-Fraktion, die an diesem Nachmittag zu einer Sitzung zusammenkamen, eine kleine Schultüte. In dieser steckten neben einigen Süßigkeiten die schriftlich aufgeführten Forderungen der angestellten Lehrer. Florian Bublys dazu: „Die Abgeordneten sollen sich später nicht damit herausreden können, dass sie von unserem Anliegen nichts gewusst haben.“

Auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres bekam eine Schultüte. Sie sagte, dass sie die Ungerechtigkeit bei der Bezahlung angestellter und verbeamteter Kollegen im Blick habe. „Ich will, dass Sie hierbleiben, Sie leisten viel“, rief die Bildungssenatorin den Pädagogen noch zu, bevor sie im Sitzungssaal verschwand.

Die angestellten Lehrer wollen ihren Forderungen auch weiterhin öffentlich Nachdruck verleihen. Die Lehrergewerkschaft GEW hat zum Streik aufgerufen. An etlichen Schulen werden die angestellten Pädagogen heute und morgen deshalb je zwei Stunden die Arbeit niederlegen.

Angestellte Lehrer streiken

Der Warnstreik soll in den meisten Schulen zwischen 7.30 Uhr und 9.30 Uhr stattfinden. Die betreffenden Kollegen wollen sich vor dem jeweiligen Schulgebäude einfinden. In einer Mitteilung der GEW heißt es, dass tarifliche Eingruppierungsregelungen gefordert werden sowie gleiches Einkommen von angestellten und verbeamteten Lehrkräften und eine Arbeitsentlastungen für junge wie ältere Lehrkräfte. In den Streik einbezogen sind laut GEW hauptsächlich berufsbildende Schulen und Oberschulen, aber auch Grundschulen würden sich beteiligen.

Zu den streikenden Lehrern gehören unter anderem Christian Gröschel vom Paulsen-Gymnasium in Steglitz sowie Josefine Hartmann vom Diesterweg-Gymnasium in Mitte und Andreas Gramm vom Gymnasium Tiergarten. Die jungen Lehrer haben miterlebt, dass viele ihrer Kollegen in andere Bundesländer wie Hamburg oder Baden-Württemberg abgewandert sind. Sie aber wollen bleiben, fordern jedoch bessere Arbeitsbedingungen.

Angleichung der Gehälter möglich

Andreas Gramm betonte, dass auch der Tarifvertrag der Länder, dem Berlin am 1. Januar dieses Jahres beigetreten sei, Zulagen für Lehrer gewährleiste. „Wenn alle Mittel des Tarifvertrages ausgeschöpft werden, ist es durchaus möglich, die Gehälter von Angestellten und Beamten fast anzugleichen“, sagte er. Es sei deshalb vor allem eine Frage des politischen Willens, was für die angestellten Pädagogen in Berlin getan werden könne.

Bessere Arbeitsbedingungen für Lehrer forderte auch Dorothea Weiß, Fachseminarleiterin für Geschichte und Politik des Studienseminars Reinickendorf. „Ich kann meinen Studierenden nicht guten Gewissens raten, dass sie nach der Ausbildung in Berlin bleiben sollen“, so Weiß. Derzeit seien die Arbeitsbedingungen an den Berliner Schulen schlecht. „Da ist zum einen die Ungleichheit zwischen angestellten und verbeamteten Lehrern“, sagte Weiß. Zum anderen sei die Arbeitszeitbelastung für Lehrer hoch und die Schülerschaft oft schwierig. Wenn das nicht verändert werde, würde Berlin weiterhin viele sehr gut ausgebildete junge Lehrer verlieren, warnte Weiß.

Ungleichheit im Lehrerzimmer

Verbeamtete Studienräte (A13, kinderlos und nicht verheiratet) erhalten nach Berechnungen von „Bildet Berlin!“ jährlich netto ein Gehalt von durchschnittlich 33.370 Euro. Verbeamtete Lehrer in Berlin verdienen innerhalb von 40 Jahren 157.000 Euro mehr als angestellte Lehrer. Außerdem gibt es Zulagen pro Kind und wenn der Beamte verheiratet ist. Die Höhe der Pension liegt bei etwa 72 Prozent des letzten Gehalts. Bei Krankheit läuft die volle Lohnfortzahlung unbegrenzt beziehungsweise bis zum Vorruhestand. Angestellte Studienräte (E13) haben ein Netto-Jahreseinkommen von 29.429 Euro. Neu eingestellte Lehrer werden in die höchste Erfahrungsgruppe eingestuft und erhalten seitdem zusätzlich 1200 Euro monatlich. Diese Zulage ist nicht tariflich festgeschrieben. Die Rente einer angestellten Lehrkraft liegt nach Berechnungen der Initiative bei sieben Prozent oder monatlich 220 Euro unter der Pension eines verbeamteten Studienrats. Im Krankheitsfall erhalten Angestellte nur sechs Wochen volle Lohnfortzahlung.