Für gefährdete Politiker bietet Berlin zwei besonders sichere Adressen: Die Luxushotels Adlon am Brandenburger Tor und das Intercontinental am Zoologischen Garten. Beide verfügen über besonders gesicherte Präsidenten-Suiten. Das Intercontinental verwandelt sich dieser Tage erneut zu einer Festung, weil die Ministerriege Israels mit Premierminister Benjamin Netanjahu an der Spitze die Nacht zu Donnerstag in dem Fünf-Sterne-Hotel verbringen wird. Anlass für den Besuch der Politikerdelegation aus dem Nahen Osten in der Bundeshauptstadt sind die vierten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen am Donnerstag im Bundeskanzleramt.
Für mehr als 2000 Beamte der Berliner Polizei und ihrer Unterstützung aus anderen Bundesländern bedeutet der Besuch Netanjahus und acht seiner Minister höchste Wachsamkeit rund um die Uhr. An jeder einzelnen Station, an der sich Angehörige der israelischen Delegation aufhalten werden, muss bestmöglicher Personenschutz gewährleistet sein. Das gilt von der Ankunft der gesamten Delegation am Mittwochabend am Flughafen Tegel bis zur Abreise der Regierungsmitglieder.
Bereits am Mittwochabend wird Netanjahu zu einem ersten Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt erwartet. Offiziell soll es bei den Treffen um die Themen Innovation, Bildung und Nachhaltigkeit gehen. Erwartet werden aber auch Gespräche über den umstrittenen Siedlungsbau Israels.
Villa Borsig wird abgesichert
Am Donnerstag trifft sich Außenminister Guido Westerwelle (FDP) schon vor den um 9.30 Uhr beginnenden Konsultationen im Kanzleramt mit seinem israelischen Amtskollegen Avigdor Liebermann im Auswärtigen Amt. Am Donnerstagnachmittag werden die beiden Politiker gegen 15 Uhr die Gedenkstätte Gleis 17 am S-Bahnhof Grunewald besuchen. Von dort aus wurden von 1941 bis 1945 jüdische Mitbürger deportiert. Am Abend wird die Umgebung der Villa Borsig in Tegel auf Einladung des deutschen Außenministers Schauplatz eines abschließenden Empfangs – und gleichzeitig ein dienstlicher Treffpunkt von ungezählten Sicherheitsbeamten sein. Denn der Einladung Westerwelles werden nach Angaben eines Außenamtssprechers nicht nur die beiden Regierungschefs und deren Minister folgen. Auch Vertreter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin werden dort erwartet.
Das Hotel Intercontinental in Tiergarten sollte während des Besuchs weiträumig umfahren werden, rät die Polizei Autofahrern. Teile der Budapester und Stülerstraße bleiben bis zur Abreise der israelischen Delegation ohnehin vollständig gesperrt. Zudem ist auch das Corneliusufer am Landwehrkanal für motorisierte Fahrzeuge tabu, weil sich von dort ein freier Blick auf das Hotel bietet. Darüber hinaus ist im Stadtgebiet, besonders in der Innenstadt, immer wieder mit Fahrzeugkolonnen und damit verbundenen kurzfristigen Straßensperrungen zu rechnen, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag. Einzelheiten werden von Seiten der Behörde aber grundsätzlich nicht bekannt gegeben. Alle Routen und etwaige Ausweichstrecken sind streng geheim. „Wie bei jedem Staatsgast werden wir entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergreifen“, heißt es knapp von der Polizei. Im konkreten Fall seien die Vorkehrungen sehr hoch.
Neben den Schauplätzen des Regierungstreffens haben die Sicherheitskräfte auf auch einige ohnehin ständig bewachte Liegenschaften ein wachsames Auge. So werden jüdische Einrichtungen, die vom Zentralen Objektsschutz der Polizei bewacht werden, häufiger mit Streifenwagen angefahren. Dazu zählen neben den Synagogen an der Oranienburger Straße in Mitte und der Rykestraße in Prenzlauer Berg auch die Botschaft Israels an der Auguste-Viktoria-Straße in Wilmersdorf sowie das Jüdische Museum in Kreuzberg. Zusätzlich binden Demonstrationen Sicherheitskräfte. So soll es am Donnerstagvormittag vor dem Kanzleramt eine Demonstration für die Anerkennung Palästinas als Staat geben. Die Polizei rechnet hier mit 50 Teilnehmern.
442.000 Euro für einen Besuch
Der Besuch der israelischen Regierungsmitglieder illustriert einmal mehr die Sicherheitsaufgaben, die Berlin als Hauptstadt zu leisten hat – und um die mit dem Bund gestritten wird. Denn die Kosten für die Sicherheit bei Staatsbesuchen, Demonstrationen oder die Sicherung von Botschaften belasten mit 110 Millionen Euro jährlich den Haushalt. Vom Bund beglichen wird davon knapp die Hälfte. Der seit 2007 laufende Hauptstadtfinanzierungsvertrag enthält 60 Millionen Euro jährlich als pauschale Abgeltung von Sonderbelastungen im Sicherheitsbereich. Berlin zahlt also drauf: Von 2007 bis 2011 252 Millionen Euro.
Die Antwort der Innenverwaltung auf eine Anfrage der Piraten enthüllt, wie teuer Besuche ausländischer Delegationen mit besonders hohen Sicherheitsvorkehrungen für Berlin sind, wenn Hunderte Einsatzkräfte der Bundespolizei und der Polizeien anderer Bundesländer bezahlt werden müssen. So kostete etwa der zweitägige Besuch des israelischen Präsidenten im Jahr 2011 das Land Berlin genau 442.010,13 Euro, wie die Verwaltung mitteilte.
Innensenator Frank Henkel (CDU) drängt deshalb mit Unterstützung aller Fraktionen im Abgeordnetenhaus darauf, mehr Geld vom Bund zu bekommen. Doch sein Parteifreund, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), hat dem Wunsch mit Verweis auf den laufenden Hauptstadtvertrag bereits eine Absage erteilt. „Wir führen auf der Arbeitsebene Gespräche mit dem Bund über die Finanzierung der Hauptstadtaufgaben“, sagte Henkels Sprecher Stefan Sukale am Dienstag. Offiziell gibt es keine Aussage darüber, wie weitere Unterstützungsmöglichkeiten durch den Bund gestaltet sein könnten. Möglich wäre es etwa, dass künftig mehr Bundespolizei auf eigene Rechnung in der Hauptstadt eingesetzt wird.
Zusätzlich befeuert wurde die Diskussion um die Sicherheitsaufgaben zuletzt, als Außenminister Westerwelle nach einer Attacke von Demonstranten auf die iranische Botschaft Ende November die Schutzmaßnahmen in der Hauptstadt kritisierte. Westerwelle hatte an Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geschrieben und „akuten Handlungsbedarf“ angemahnt. Von der Innenverwaltung wurde das empört zurück gewiesen. Man schütze alle 169 diplomatischen Vertretungen der Stadt angemessen, hieß es. Die finanzielle Belastung dadurch sei „erdrückend“. Der Bund sei an der Reihe, sich mehr zu engagieren.