Die Verbindung des Berliner V-Mannes Thomas S. zum Thüringer Terrortrio um Beate Zschäpe war nach Informationen von Morgenpost Online möglicherweise enger als bekannt.
Thomas S. gab in seinen Gesprächen mit dem Berliner Landeskriminalamt (LKA) auch Hinweise auf einen Waffenhändler in Ludwigsburg, zu dem auch das NSU-Mitglied Uwe Mundlos engen Kontakt pflegte. Zusätzliche Brisanz erhalten die Hinweise dadurch, dass Ludwigsburg 35 Kilometer entfernt von Heilbronn liegt, dem Tatort des vom NSU verübten Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007.
Thomas S. war zwischen 2001 und 2011 V-Mann des Berliner LKAs. Die Ermittler erhofften sich von ihm vor allem Erkenntnisse über die rechtsextreme Musikszene. Damals ermittelte die Polizei unter anderem gegen die rechtsextreme Band „Landser“, in deren Umfeld auch Thomas S. aktiv war.
Das Landeskriminalamt ist inzwischen in die Kritik geraten, weil es mögliche Hinweise des V-Mannes zum Umfeld von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nicht weitergeleitet hat. Insgesamt fünf Hinweise wiesen in die Richtung des damals schon untergetauchten Trios. Das LKA beauftragte S. damit, mehr über den Waffenhändler in Erfahrung zu bringen, das gelang offenbar jedoch nicht.
An diesem Montag wird sich das Abgeordnetenhaus erneut mit der Berliner Verstrickung in den Skandal beschäftigen. In der Sitzung wollen Linke und Grüne erneut wissen, wie die Hauptstadtpolizei 2002 mit Hinweisen des mutmaßlichen NSU-Helfers Thomas S. auf die Terroristen umging.
„Auf unsere Fragen haben wir größtenteils keine oder nur unzureichende Antworten bekommen“, sagte Linke-Fraktionschef Udo Wolf am Freitag. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass bestimmte Dinge geheim gehalten werden, um die Behörden und nicht, wie angekündigt, die V-Person zu schützen.“ Wolf rechnet für Montag mit einem ersten Bericht des von Innensenator Frank Henkel (CDU) eingesetzten Sonderermittlers Dirk Feuerberg.
Neuer kommissarischer Leiter
Um auf die Kritik an seiner Amtsführung und am Versagen des Verfassungsschutzes zu reagieren, hat Henkel am Freitag Bernd Palenda zum kommissarischen Chef der Behörde ernannt. Der 52 Jahre alte Jurist werde ab Montag die Dienstgeschäfte führen und die Nachfolge der bisherigen Leiterin Claudia Schmid antreten. Mit Palenda habe man eine „erfahrene und integre Führungskraft“ gefunden, sagte Henkel. Bislang leitete Palenda in der Innenbehörde das Referat für das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.
Claudia Schmid hatte am Mittwoch um ihre Versetzung gebeten. Sie übernahm damit die Verantwortung für zwei Schredderaktionen beim Verfassungsschutz. Im Jahr 2010 und noch im Juli 2012 vernichtete der Verfassungsschutz Akten zum Rechtsextremismus, die unter anderem Erkenntnisse über die rechtsextreme Band „Landser“ und das inzwischen verbotene Netzwerk „Blood & Honour“ enthielten. Die Opposition im Abgeordnetenhaus fürchtet, dass bei der Aktion möglicherweise auch Hinweise auf die Terrorzelle NSU vernichtet wurden.
Der Rücktritt Schmids bedeutet den vorläufigen Höhepunkt der Berliner Verstrickung in den NSU-Skandal. Henkel war in den vergangenen Wochen stark in die Kritik geraten, weil immer neue Versäumnisse bekannt wurden. So hatte der Innensenator monatelang das Parlament nicht über die Existenz des V-Mannes unterrichtet, auch die erste Schredderaktion behielt die Behördenleitung zunächst für sich. Henkel kündigte auch die Ablösung des Referatsleiters Rechts- und Linksextremismus an. Er hatte Akten persönlich zur Vernichtung vorbereitet.
Henkel kündigte auch eine Reform des Verfassungsschutzes an. Die Behörde habe ernsthafte strukturelle Probleme und sei damit allein gelassen worden. So soll künftig bei der Besetzung frei werdender Stellen verstärkt auf das Rotationsprinzip gesetzt werden. Auch die Vorschriften zum Schreddern von Akten sollen neu gefasst werden. Außerdem wird der Verfassungsschutz wohl noch in diesem Jahr personell verstärkt.
Der Berliner Verfassungsschutz ist nach etlichen Skandalen seit dem Jahr 2000 keine eigene Behörde mehr, sondern eine Abteilung der Innenverwaltung mit derzeit 188 Vollzeitstellen.