Die BVG startet den Weiterbau der U5. Ab 2019 sollen die ersten Züge fahren - doch vorher gibt es noch viel Lärm und Straßensperrungen.

Sigrid Nikutta kann es gar nicht erwarten. „Jetzt geht es endlich los“, sagt die Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Energisch dirigiert die 43-Jährige den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Bilfinger-Berger-Chef Roland Koch und Projektleiter Jörg Seegers aus dem weißen Festzelt hinaus zum roten Knopf, mit dem allerorten Großes in Gang gesetzt wird.

In Berlin wird am Dienstag damit das offizielle Startsignal für das größte Infrastrukturprojekt der nächsten Jahre gegeben, den Weiterbau der U-Bahnlinie 5 vom Alexanderplatz bis zum Pariser Platz.

Schon vor zwei Jahren hatte es beinahe am selben Ort einen sogenannten ersten Rammstoß gegeben. Doch damals gab es weder eine Baugenehmigung, noch war eine Baufirma für das Projekt gefunden. Der Rammstoß diente vor allem zur Beruhigung des Bundes, der gemäß Hauptstadtvertrag rund 150 Millionen Euro für eine neue U-Bahn zum Regierungsviertel bereitgestellt hat.

2019 sollen die ersten Züge rollen

Ein Großteil des Geldes war schon für den Abschnitt zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor verbaut. Spätestens 2010 musste es weitergehen, sonst würde der Bund sein Geld zurückfordern. Wowereit erinnert an diese Historie, ist sie doch der Hauptgrund dafür, dass Berlin das Vorhaben trotz seines umstrittenen Verkehrsnutzens und seiner immensen Kosten – kalkuliert sind 433 Millionen Euro – doch weiter plante.

Nun jedoch soll die gern auch als „Kanzler-U-Bahn“ bezeichnete Linie auch zu Ende gebracht werden, 2019 sollen die ersten Züge vom Alexanderplatz bis zum Hauptbahnhof fahren. Ein überaus ambitioniertes Ziel, wie BVG-Chefin Nikutta unumwunden einräumt.

Denn schon die kleinste Panne kann, wie gerade der Wassereinbruch in die Baugrube am Leipziger Platz zeigt, den Zeitplan ins Wanken bringen. Doch noch geben sich alle Beteiligten optimistisch. „Ich gehe davon aus, dass solche Vorfälle nicht eintreten werden“, sagt Projektchef Jörg Seegers.

„Vor der Hacke ist es duster“

2,2 Kilometer Tunnel, bis zu 25 Meter tief unter Berlins historischer Mitte, unter Deutschlands berühmtesten Boulevard mit einem Dutzend Sehenswürdigkeiten, die in jedem Berlin-Reiseführer stehen: Sicherheitspannen wären eine Katastrophe bei diesem Projekt, das wissen die Beteiligten – nicht erst seit dem folgenschweren Einsturz des Stadtarchivs während des U-Bahnbaus in Köln, an dem ebenfalls Bilfinger Berger beteiligt sind.

„Vor der Hacke ist es duster“, zitiert BVG-Chefin Nikutta einen alten Bergmannsspruch. Im Klartext: Niemand weiß genau, was die Arbeiter im Boden erwartet. Gegen die Unwägbarkeiten des Untergrunds setzen BVG und Bilfinger Berger unter anderem auf modernste Mess-Sensorik und viele Rückfallebenen, die beim Versagen einzelner Systeme greifen sollen.

Konzernchef Koch verspricht für den Bau „höchste Qualität und Sorgfalt“. Um die Sicherheit für Anlieger und Tunnelarbeiter zu gewährleisten, habe man „ein Qualitätsmanagement entwickelt, von dem wir absolut überzeugt sind“, so Koch.

U6 insgesamt vier Monate länger gesperrt

Zwei Probleme kann aber auch die modernste Technik bei einem solch aufwendigen Bauvorhaben nicht lösen: Lärm und Dreck. Der prominenteste Baustellenanlieger weiß das. „Auch meine Mitarbeiter im Roten Rathaus werden darunter zu leiden haben“, sagt Wowereit.

„Das sind Beeinträchtigungen, keine Frage.“ Zugleich wirbt er aber um das Verständnis. „Leider ist noch keine Methode erfunden worden, so etwas ohne Lärm zu erledigen“, sagt er.

Ob das die Geschäftsleute an der Friedrichstraße besänftigt, ist fraglich. Sie haben lange mit der BVG über das Bauprojekt gestritten. „Fast alle unsere Anregungen wurden auch berücksichtigt“, sagt Rainer Boldt, Vorsitzender der Interessengemeinschaft (IG) Friedrichstraße.

Eine der wichtigsten Plan-Änderungen ist, dass der neue Bahnhof unter der Kreuzung Friedrichstraße und Unter den Linden nicht in offener Bauweise, sondern größtenteils unter einem Betondeckel errichtet wird.

Das hat allerdings zur Folge, dass die Sperrung der U-Bahnlinie U6 nun vom 1. Juli 2012 bis zum Oktober 2013 dauern wird und damit vier Monate länger als ursprünglich geplant. Auch für Autofahrer wird es eng, weil die Friedrichstraße und die südliche Fahrbahn Unter den Linden für ein Jahr gesperrt werden.

BVG: Baustelle wird eine "Attraktion"

Weil die Sperrung nicht ohne Folgen für die Umsätze der Geschäftsleute im Baustellenumfeld bleiben wird, hatte die IG Friedrichstraße auch einen Ausgleich für mögliche Umsatzeinbußen während der Bauarbeiten gefordert. „Leider konnten wir unsere Forderung nicht durchsetzen, dieses Problem vor dem Baustart zu lösen“, sagt Boldt.

Drei Anlieger klagen deshalb noch vor dem Bundesverwaltungsgericht. In dem Dauerstreit setzt BVG-Chefin Nikutta jetzt auf moderate Töne. „Natürlich wird es in den nächsten Jahren dreckig und laut werden“, sagt sie.

Die BVG werde mit viel Transparenz und Information aber „alle Beteiligten mit ins Boot holen“. Bestenfalls, so die BVG-Chefin, könnten die Arbeiten sogar zusätzliche Besucher anziehen, statt sie abzuschrecken. „Eine Baustelle dieser Dimension mitten in Berlin, das wird eine Attraktion“, sagt sie.