Kurz vor Weihnachten hatte Berlins neuer Innensenator Frank Henkel (CDU) bereits angedeutet, dass er mit der Innenverwaltung über einen neuen Weg nachdenke, die Hängepartie um die Neubesetzung des Polizeipräsidentenamtes schnell zu beenden. Er ziehe es in Betracht, den Polizeipräsidenten wie etwa einen Staatssekretär direkt zu ernennen, ohne vorherige Ausschreibung, hatte Henkel bei einem Termin in der Berliner Industrie- und Handelskammer gesagt. Doch wie diese Lösung umgesetzt werden könnte, dazu wollte der Innensenator nichts sagen. Wie die Berliner Morgenpost nun aus Senatskreisen erfahren hat, plant die Innenverwaltung zurzeit, dem Landespersonalausschuss einen entsprechenden Antrag für eine direkte Ernennung vorzulegen.
Damit würde Henkel das nun schon ein Jahr währende Verfahren für die Neubesetzung des Postens, das sein Vorgänger Ehrhart Körting (SPD) begonnen hatte, abbrechen und darauf verzichten, einen ganz neuen Bewerbungsanlauf zu starten. Eine Neuausschreibung dauere zu lange, wenn Berlin noch vor dem nächsten 1. Mai einen neuen Polizeipräsidenten bekommen soll, heißt es.
Nun könnte es ganz schnell gehen
Wenn Henkel nun beantragt, den Polizeipräsidenten als einen politischen Beamten direkt einzusetzen, kann dagegen alles sehr schnell gehen. Im Februar tagt der Landespersonalausschuss das nächste Mal. Stimmt das Gremium dem Antrag zu, kann der neue Polizeichef umgehend ernannt werden. Auch ein Kandidat für den Posten ist offenbar schon auserkoren. Nicht der ehemalige Chef des Bundesgrenzschutzpräsidiums Ost, Udo Hansen, soll es werden, den Körting für das Amt vorgeschlagen hatte. Und auch nicht dessen Konkurrent Klaus Keese, Leiter der Berliner Polizeidirektion 1. Dem Vernehmen nach soll Klaus Kandt Favorit für den Posten sein. Der 51-Jährige ist Leiter der Bundespolizeidirektion Berlin, ein Nachfolger also von Hansen, der die Behörde vor der Reform geleitet hatte, bei der aus dem Bundesgrenzschutzpräsidium Ost die Bundespolizeidirektion Berlin wurde.
Kandt galt schon vor einem Jahr zu Beginn der Suche nach einem Nachfolger von Dieter Glietsch als Polizeipräsidenten für Berlin als ein möglicher Kandidat. Er hat Erfahrung, war Ende der 70er-Jahre bei der Eliteeinheit GSG 9, später Teamführer beim SEK in Berlin. In den 90er-Jahren wurde er Chef der Brandenburger Spezialeinheiten, bevor er zunächst Polizeipräsident in Frankfurt (Oder) und zuletzt Chef der Berliner Bundespolizei wurde.
Stopp wegen Verfahrensfehlern
Im Frühjahr hatte Kandt selbst die Spekulationen um seine Person beendet und erklärt, dass er sich gar nicht beworben habe und für den Posten nicht zur Verfügung stehe. Wenn sich das nun geändert haben sollte, könnte das an der veränderten politischen Konstellation liegen. Kandt gilt als CDU-nah, unter der rot-roten Landesregierung habe er sich nicht bewerben wollen, heißt es. Nun aber liegt die Innenverwaltung in Händen der CDU.
Henkel hat mit dem Thema Polizeipräsident ein verfahrenes Problem von seinem Vorgänger geerbt. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte am 7. Dezember bereits zum zweiten Mal das Auswahlverfahren des Senats für den Posten wegen Verfahrensfehlern gestoppt. Der noch rot-rote Senat hatte sich im Juni gegen die Stimmen der Linken bereits für Udo Hansen entschieden, der unterlegene Klaus Keese klagte dagegen – und bekam zwei Mal recht. Henkel verzichtete im Dezember darauf, gegen die zweite Entscheidung des Gerichts Beschwerde einzulegen. Doch die Verunsicherung in der Innenverwaltung ist nach den beiden ablehnenden Gerichtsurteilen dem Vernehmen nach groß. Eine juristisch einwandfreie Neubesetzung des Postens zu schaffen ist offenbar das größte Problem, nicht die Auswahl eines geeigneten Kandidaten.
„Ein peinliches, beispielloses Debakel“
Mit seinem Gang zum Landespersonalausschuss will Henkel deshalb rechtlich auf Nummer sicher gehen, vermutet Klaus Eisenreich von der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Nach unserer Einschätzung wäre dieser Schritt nicht nötig, denn unserer Meinung nach gibt es seit einigen Jahren bereits die Möglichkeit, den Polizeipräsidenten direkt zu ernennen“, sagt Eisenreich. Eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2009 mache es möglich, den Polizeipräsidenten ebenso wie Staatssekretäre als politische Beamte zu behandeln, die direkt ernannt werden und auch in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Auf diese Änderung hätte sich dann auch bereits Ehrhart Körting berufen können, der aber die Stelle vor einem Jahr offiziell ausgeschrieben hatte.
Die GdP begrüße es, wenn das „peinliche, beispiellose Debakel“ um den neuen Polizeipräsidenten schnell beendet werden könne, sagte Eisenreich. „In der öffentlichen Wahrnehmung über die Grenzen Berlins hinaus wurde dieses Amt durch die Hängepartie stark beschädigt.“ Kritisch sieht die Gewerkschaft es jedoch, dass der Polizeipräsident immer stärker politisch vereinnahmt werde. „Uns wäre ein unabhängiger Polizeipräsident mit einer starken Stellung und demokratischer Legitimation am liebsten“, erklärte der GdP-Sprecher. Die Wahl des Polizeichefs durch das Abgeordnetenhaus wurde aber bereits vor Jahren abgeschafft. Auch in anderen Bundesländern ist eine solche Wahl des Polizeichefs nicht üblich.
Von offizieller Seite gibt es noch keine näheren Erläuterungen, wie der Senat mit dem Fall umgehen will. Im Januar wolle der Innensenator einen Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise unterbreiten, hieß es zuletzt. Auch die Spekulationen um Klaus Kandt als neuen Favoriten wollte Henkel am Wochenende gegenüber der RBB-„Abendschau“ nicht kommentieren.