Zur Neueröffnung des Gartenplatzes waren alle gekommen. Staatssekretärin Hella Dunger-Löper (SPD), Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) und natürlich die Manager für das Quartier Brunnenviertel-Ackerstraße waren dabei, als der neugestaltete Platz eröffnet wurde. Die Umgestaltung war eines von 16 Projekten, das vom Quartiersmanagement im vergangenen Jahr in Angriff genommen wurde. Mit 2,6 Millionen Euro erhielt das Problemviertel im Bezirk Mitte soviel Geld wie kein anderes der insgesamt 34 Stadtquartiere, die mit einem Quartiersmanagement ausgestattet sind. Insgesamt hat Berlin im vergangenen Jahr fast 24 Millionen Euro für das Quartiersmanagement – kurz QM – ausgegeben.
Das Brunnenviertel wurde vor sechs Jahren zum QM-Gebiet. Nach dem Fall der Mauer war das Viertel abgerutscht. Die Sozialstruktur des Gebietes veränderte sich. Mittelstandsfamilien zogen zunehmend weg. „Für sie kommen oftmals Zuwandererfamilien mit einem geringen Bildungsstand, was dazu führt, dass der Anteil von Bewohnern nichtdeutscher Herkunft inzwischen bei knapp dreißig Prozent liegt“, beschreiben die Quartiermanager das Problem. „Viele Bewohner haben keine Arbeit und leben von staatlicher Unterstützung.“ Außerdem findet in der Brunnenstraße ein ausgeprägter Drogenhandel statt, der zusätzliche Probleme schafft.
Mit den Mitteln des Quartiermanagements, so die Absicht des rot-roten Senats, soll die soziale Abwärtsspirale in den Problemvierteln gestoppt werden. Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus betrachtet das Förderprogramm allerdings schon länger mit Skepsis. Sie kritisiert vor allem die fehlende Transparenz. „Das Geld wird zunehmend den Regeleinrichtungen entzogen und in Sonderprogramme verschoben“, sagt der Haushaltsexperte der Grünen, Oliver Schruoffeneger. „Dadurch wird die Kontrolle schwieriger, was mit dem Geld geschieht.“
So sei etwa die Senatsschulverwaltung derzeit nicht in der Lage anzugeben, wie viele Schulsanierungsprogramme es gebe, weil die Hälfte davon mittlerweile von der Stadtentwicklungsverwaltung über das Quartiermanagement verwaltet werde. „Das ist verrückt“, sagt Schruoffeneger. Es gebe inzwischen einen Wildwuchs an Förderprogrammen, mit denen in unterschiedlichen Verwaltungen die gleichen Ziele verfolgt werden. „In einigen Bereichen wird die Förderung zur Farce“, sagt der Haushaltsexperte.
Auch die CDU fordert eine bessere Erfolgskontrolle. „Beim Quartiersmanagement sollte es eine stärkere Beteiligung der Bezirksverordneten und des Parlaments geben“, sagt CDU-Haushaltsexperte Florian Graf. Nach der derzeitigen Praxis werde das Geld an den durch Wahlen legitimierten Einrichtungen vorbei verteilt.
Beide Politiker stellen das QM nicht grundsätzlich in Frage. Man müsse aber sehen, was sich in den vergangenen 15 Jahren bewährt hat und was nicht. Parallele Förderformen, wie es sie derzeit gebe, seien kontraproduktiv, kritisiert Schruoffeneger. Und auch Florian Graf sieht Handlungsbedarf. „Einzelne Projekte müssen auf den Prüfstand, weil die Erfolgskontrolle fehlt.“ Dagegen sieht die SPD keinen Grund, das Verfahren zu ändern. „Es mag ein wenig unübersichtlich sein, aber das Quartiersmanagement ist eine sinnvolle Einrichtung“, sagt die SPD-Haushaltsexpertin, Dilek Kolat. In vielen Quartieren sei bereits eine Stabilisierung der Lebensverhältnisse eingetreten. Allerdings hat das Abgeordnetenhaus den Senat und die Bezirke aufgefordert darzustellen, in welcher Weise sie in die Projektverteilung eingebunden sind. Das soll jedoch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, heißt es in einem Bericht der Stadtentwicklungsverwaltung, der in dieser Woche im Hauptausschuss beraten wird.
Das Quartiersmanagement besteht seit 1999 und wird von der EU, dem Bund und dem Land finanziert. Für den Förderzeitraum zwischen 2007 und 2013 sollen in Berlin insgesamt 150 Millionen Euro in den Problemstadtteilen eingesetzt werden. In den vergangenen Jahren hat sich das Quartiersmanagement vor allem gegen Kinderarmut in Problemstadtteilen eingesetzt, außerdem soll die Integration und die Bildungschancen der Bewohner durch gezieltes Eingreifen in die Infrastruktur verbessert werden.
Hohe Kinderarmut
Das meiste Geld floss 2010 in den Bezirk Mitte. Sechs Millionen Euro konnten die Quartiersmanager dort zur Verbesserung der Lebenssituation in den Problemkiezen ausgeben. 5,5 Millionen Euro erhielt Neukölln, 3,5 Millionen gingen nach Reinickendorf. Nach dem Brunnenviertel erhielt die Spandauer Neustadt mit 2,3 Millionen Euro das meiste Geld. Dagegen flossen in das Rollbergviertel in Neukölln – jahrelang das Sorgenkind der Berliner Problemviertel – nur noch 150.000 Euro.
Nach dem aktuellen Bericht der Sozialverwaltung ist der Förderbedarf in Berlin besonders hoch. Jedes dritte Berliner Kind lebt demnach in Armut. In Problemkiezen leben sogar drei von vier Kindern in ärmlichen Verhältnissen. Als armes Kind gilt, wessen Eltern auf Transferleistungen angewiesen sind. Nach Angaben der Stadtentwicklungsverwaltung konnte die Abwärtsspirale in den Problemstadtteilen in den vergangenen Jahren gestoppt werden. Es sei zwar in vielen Gegenden keine Verbesserung eingetreten, aber die Situation sei auch nicht noch schlimmer geworden, heißt es in dem Bericht.