Nach einer Prognose des ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust werden die Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den kommenden Jahren drastisch sinken – weil immer weniger Menschen geboren werden und weil immer mehr Bundesbürger wegen Arbeitslosigkeit von den GEZ-Gebühren befreit sind. Der RBB hat deshalb schon Szenarien aufgestellt, was mit weniger Geld überhaupt noch machbar ist. Radiowellen sind bedroht, das eigene TV-Programm könnte drastisch reduziert werden. Über die Konsequenzen für das Angebot des RBB sprach Morgenpost Online mit der Intendantin, Dagmar Reim.
Morgenpost Online: Frau Reim, können Sie noch gut schlafen?
Dagmar Reim: Ja.
Morgenpost Online: Aber Sie werden doch als die Intendantin des Abbruchs beim RBB in die Geschichte eingehen?
Dagmar Reim: Nein. Der RBB hat in den sieben Jahren seines Bestehens viel geleistet. Die Kolleginnen und Kollegen haben die Fusion hervorragend umgesetzt. Es ist uns gelungen, den RBB aufzubauen, ohne einem einzigen Mitarbeiter kündigen zu müssen. Wir haben aber 300 Stellen sozial verträglich abgebaut. Unsere Programme sind unsere Aushängeschilder. Nun müssen wir uns darauf einstellen, dass die Finanzlage schwieriger wird. Da geht es uns wie allen anderen Medienunternehmen, wie fast jedem Zeitungsverlag.
Morgenpost Online: Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust prognostiziert, dass die ARD bis zum Jahr 2020 mit 15 Prozent weniger Einnahmen auskommen muss. Die Prognose ist doch realistisch angesichts des demografischen Wandels. Erst recht in Berlin, denn hier kommt verschärfend hinzu, dass schon jetzt mehr als 15 Prozent der Haushalte von Hartz IV leben und deshalb von den GEZ-Gebühren befreit sind.
Dagmar Reim: Es weiß niemand, ob diese Prognose so eintreffen wird. Aber die Klugheit gebietet es, sich damit zu beschäftigen. Deshalb haben wir die interne Strategiegruppe „Zukunft RBB“ eingerichtet, die nun verschiedene Szenarien entwickelt hat. Nach dem Motto: Was wäre, wenn? Die Strategiegruppe hat aber kein Geheimpapier geschrieben. Wir haben die Szenarien den Mitarbeitervertretungen vorgestellt und in der letzten Rundfunkratsitzung öffentlich präsentiert.
Morgenpost Online: Eines der Szenarien sieht vor, die Radiowellen von sechs auf drei zu halbieren. Kann die Region Berlin-Brandenburg eine solche Einschränkung verkraften?
Dagmar Reim: Diese Frage stellt sich im Moment nicht. Denn unser Ziel ist es ja, das derzeitige RBB-Angebot in vollem Umfang zu erhalten. Wir machen kein Defizit. Wenn wir auch ab 2013 ungefähr die gleichen Einnahmen erhalten wie derzeit, dann wird uns das gelingen. Wenn uns aber Gebühreneinnahmen fehlen, dann müssen wir den Rotstift ansetzen.
Morgenpost Online: Drastisch könnte es auch für das Fernsehen werden, so ein anderes Szenario: „Abendschau“ und „Brandenburg Aktuell“ würden zusammengelegt, nur noch zwischen 18 und 20 Uhr würde der RBB eigenes Programm senden. Wird das so kommen?
Dagmar Reim: Ich kann mich nur wiederholen: Das wäre der schlimmste denkbare Fall. Ich hoffe und wünsche, dass wir das so nie realisieren müssen. Wir werden alles tun, um den Worst Case zu verhindern. Das heißt, dass wir auch an anderer Stelle sparen müssen. Ich sage immer: Gespart wird im Keller, auf dem Dachboden und hinter den Kulissen, aber nicht im Schaufenster. Und das Schaufenster sind unsere Programme.
Morgenpost Online: Und was sind Keller, Dachboden und hinter den Kulissen?
Dagmar Reim: Technik, Verwaltung, Organisation.
Morgenpost Online: Und da ist noch Luft zum Sparen? In den letzten Jahren wurden die Kosten doch in diesen Bereichen schon kräftig reduziert.
Dagmar Reim: Sparen ist der genetische Code des RBB. Seit der Gründung des RBB am 1. Mai 2003 bestimmt dies das Handeln. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir die Kosten jetzt noch senken können, beispielsweise auch durch Kooperationen mit dem MDR und in der ARD insgesamt.
Morgenpost Online: Schon im Jahr 2008, als Sie das TV-Magazin „Polylux“ und die Radiowelle Multikulti eingestellt haben, sprachen Sie sich für mehr Kooperation innerhalb der ARD aus. Läuft das denn nicht schon?
Dagmar Reim: Die ARD ist an sich eine große Kooperationsfabrik. Wir übernehmen schon heute viele Produktionen von anderen ARD-Sendern. Und ohne die vielen ARD-Inlands- und Auslandskorrespondenten könnten wir kein anspruchsvolles Programm machen. Dennoch sage ich: Es geht immer noch mehr.
Morgenpost Online: Im Juni werden den Gremien von Radio Berlin-Brandenburg und auch allen Mitarbeitern die Szenarien vorgestellt. Fallen dann auch schon Entscheidungen, ob und wie das Programm eingeschränkt werden muss?
Dagmar Reim: Nein. Bis zum Juni wird nun gerechnet. Beispielsweise werden wir herausfinden, was uns drei oder vier oder fünf Radiowellen kosten. Diese Ergebnisse werden dann vorgestellt und in den Gremien beraten. Aber es gibt keine Notwendigkeit, vor Ende der Gebührenperiode, also vor Ende 2012, etwas zu ändern.
Morgenpost Online: In den nächsten zweieinhalb Jahren bleibt beim RBB-Programm also alles so, wie es heute ist?
Dagmar Reim: Ja.