Integration

In Kreuzberg fühlen sich Muslime besonders wohl

| Lesedauer: 3 Minuten
Jens Anker

Kreuzberg ist beim Thema Integration vorbildlich. Das hat eine Studie der Viadrina-Universität in Frankfurt an der Oder zum Zusammenleben der Kulturen ergeben. Jeder vierte Einwohner des Berliner Ortsteils hat einen Migrationshintergrund. Trotz der hohen Identifikation mit ihrem Kiez haben die meisten Muslime aber auch schon einmal Diskriminierung erfahren.

Das friedliche Nebeneinander der Kulturen und Religionen in Kreuzberg ist europaweit vorbildlich. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Muslime in Berlin“ der Viadrina-Universität in Frankfurt an der Oder im Auftrag des Open Society Institutes des amerikanischen Finanzinvestors George Soros, die Morgenpost Online vorliegt.

Der Bezirk biete zahlreiche Lektionen für andere Städte mit hohem Migrationsanteil, wie das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen organisiert werden könne, heißt es in der Studie. Kreuzberg profitiere von seinem vielseitigen Sozialklima. Die Muslime erlebten Kreuzberg nicht nur als sicher, sondern geradezu als Rückzugsort. In anderen Stadtbezirken und Deutschland insgesamt fühlten sie sich oft ausgegrenzt, gaben die Befragten an. Folgerichtig begriff sich die Mehrheit der Befragten als „Kreuzberger“ und weniger als „Berliner“ oder „Deutsche“. Die Verbundenheit mit dem Bezirk zeige sich auch durch die lange Wohndauer der Befragten im Bezirk. Während die Mehrheit der Muslime zehn oder mehr Jahre in Kreuzberg wohne, lebten Nicht-Muslime in der Regel nicht so lange in dem Stadtviertel. In Friedrichshain-Kreuzberg leben insgesamt rund 150.000 Menschen, rund jeder vierte hat einen muslimischen Hintergrund.

Die Verfasser loben Kreuzberg dafür, auf allen Ebenen muslimische Verbände und Organisationen in kommunale Entscheidungen einzubinden. Außerdem verfüge der Bezirk über einen nennenswerten Anteil von Muslimen in öffentlichen und politischen Ämtern, was die deren Identifikation mit den Institutionen fördere. Als Zeichen gelungener Integration wertet die Studie, dass jedes zehnte Unternehmen, das in Deutschland von einem türkischstämmigen Inhaber geführt wird, sich in Kreuzberg befindet Bundesweit beträgt deren Zahl 61.000.

Trotz der hohen Identifikation mit dem Bezirk haben die meisten Muslime Diskriminierung erfahren. Vier von fünf Muslimen berichteten den Verfassern der Studie, sich im vergangenen Jahr mindestens einmal diskriminiert gefühlt zu haben. Neun von zehn Muslimen beklagen Vorurteile gegenüber ihrer Religion.

Mehr Lehrer empfohlen

Die Autoren empfehlen dem Senat und der Bezirksverwaltung, mehr in die Akzeptanz von Menschen islamischen Glaubens zu investieren. Nach wie vor der größte Hinderungsgrund für die Integration sei der Bildungsstand. Die Senat müsse deshalb mehr Lehrer in Schulen mit besonders hohem Migrationsanteil zu beschäftigen, heißt es in der Studie.

Die Verfasser befragten mehr als 300 repräsentativ ausgewählte Kreuzberger nach ihrer Herkunft und ihren Lebensumständen. Das Open Society Institute gab gleiche Studien in elf europäischen Städten in Auftrag, darunter London, Amsterdam, Rotterdam und Hamburg. Neben der Berliner Studie liegt bislang ein weiteres Ergebnis für Leicester (Großbritannien) vor. Das Open Society Institute (OSI) ist eine Stiftung des Milliardärs George Soros. Das Institut fördert Initiativen der Zivilgesellschaft