Wenn es in Berlin stark regnet, sterben die Fische. Die Kanäle sind voll, Dreckwasser strömt ungefiltert in Spree und Kanäle, die Wasserlebewesen gehen an zu vielen Nährstoffen zugrunde. Gegen solche kleinen Naturkatastrophen kann man in einer Stadt wie Berlin nur eines tun: das Regenwasser in Rohrleitungen und Rückhaltebecken sammeln und bei Trockenheit peu a peu an die Klärwerke weiterleiten. Selbst größere Klärwerke zu bauen, würde nichts helfen. Denn das stark verdünnte Schmutzwasser von den Straßen würde die Mikroorganismen, die das Wasser säubern, wegschwemmen.
Also bauen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) Rückhaltebecken. Früher, als Geld in West-Berlin keine Rolle spielte, entstanden turnhallengroße Bassins. Heute, wo Grundstücke wertvoll geworden sind, klemmen die Wasserbetriebe solche Tanks an Orte, wo eigentlich nur eine Rohrleitung hinpasst.
So wie am Weigandufer in Neukölln. 210 Meter lang ist das Bauwerk, das mehr als 1000 Kubikmeter Mischwasser speichern kann. Mit einer hydraulischen Vortriebsmaschine pressen die Arbeiter der Hamburger Spezialfirma Meyer & John die 20 Tonnen schweren Rohrteile mit einem Durchmesser von 2,60 Metern ins Erdreich am Neuköllner Schiffahrtskanal. Weil das Rohr millimeterweise „halb offen“ verlegt wird, mussten die Arbeiter nur einen schmalen Graben buddeln, aus dem der Bagger das Erdreich aushebt. Die Bäume am Uferstreifen bleiben erhalten. Autofahrer können die Straße immerhin halbseitig befahren.
Drei Millionen Euro kostet der Rückhaltetank für das Einzugsgebiet des Abwasserpumpwerks Neukölln 1, welches das Gebiet zwischen Autobahnring, Kottbusser Damm und Bezirksgrenze zu Treptow entwässert. Weil ein Teil des Gebietes nördlich des Kanals liegt, bauen die Wasserbetriebe wenige Meter von dem lang gestreckten Tank entfernt einen Düker unter dem Kanal. Das ist ein u-förmiges Rohr, das nach dem Prinzip kommunizierender Röhren das Abwasser erst hinunter, dann unter dem Neuköllner Schiffahrtskanal hindurch und auf der Südseite wieder hinauf befördert.
Um den Kanal zu unterqueren hat der BWB-Planer Jens Neugebauer Baugruben von 17 Metern Tiefe ausheben lassen. Denn niemand wusste, wie weit die uralten Spundwände des Kanals in die Tiefe reichen. Und wo es in 13 Metern Tiefe möglich gewesen wäre, ein Rohr unter dem Wasserlauf hindurchzutreiben, versperrte eine eiszeitliche Geröllschicht dem Bohrer den Weg. Also entschied man sich für die ganz tiefe Variante. „Sicher ist sicher“, sagt Neugebauer. Um die Anwohner zu beruhigen, lud Neugebauer die Nachbarn schon zum Tag der offenen Tür. Es sei ja schon ein merkwürdiges Gefühl, vor seinem Haus in ein 18 Meter tiefes Loch zu schauen. Und wenige Tage vor Baubeginn sei ja das Kölner Stadtarchiv nach Bauarbeiten in der Gegend zusammengestürzt.
Drei Millionen Euro lässt sich das Land Berlin, das die Wasserbetriebe mit diesen Arbeiten beauftragt, den neuen Rückhaltetank kosten. Das Bauwerk ist Teil des Gewässergüteprogramms, für das bis 2020 insgesamt 84 Millionen Euro investiert werden sollen.
Bisher kommt es ungefähr 30-mal im Jahr vor, dass in Berlin einzelne Kanäle voll sind und das Dreckwasser in die Gewässer entlassen müssen. „Das wird mit den neuen Bauwerken nur noch zehnmal im Jahr vorkommen“, sagt Kai Joswig, Generalplaner für Abwassersysteme bei den Wasserbetrieben. Bisher gelangen jedes Jahr sieben Millionen Kubikmeter Schmutzwasser nach Niederschlägen in Berlins Gewässer. Sie bringen mehr Schad- und Nährstoffe mit sich als die anderen 235 Millionen Kubikmeter, die zuvor den Reinigungsprozess in den Klärwerken durchlaufen haben.
Ziel ist es, nur noch vier Millionen Kubikmeter Schmutzwasser in die Kanäle laufen zu lassen. Deshalb werden weitere Rückhaltebecken und Tank-Kanäle unter anderem an der Chausseestraße in Mitte, am Mauerpark sowie an drei Stellen in Charlottenburg angelegt.
Und die Wasserbetriebe planen auch die künftigen schwimmenden Schmutzwassertanks auf der Spree. Das Geld vom Bundesforschungsministerium für den Ponton auf der Spree gegenüber dem Badeschiff in Höhe Osthafen sei da, sagt Planer Joswig, obwohl sich die ursprünglich kalkulierten Kosten inzwischen fast verdreifacht haben. Nur mit den Anliegern am Ufer müsse noch geklärt werden, wie die Wege geführt und die Rohre zum Tank verlegt werden. Der Druck, die Kanäle zur Wasserreinhaltung zu erweitern, steigt, wenn es stärker regnet. „Mit dem Klimawandel kann das häufiger vorkommen“, sagt Entwässerungsplaner Joswig.