Sanierung

Berliner East Side Gallery wird aufpoliert

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Fast 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer haben die ersten Künstler mit der Wiederherstellung ihrer Werke auf der East Side Gallery an der Mühlenstraße in Friedrichshain begonnen. Die Generalüberholung der Freiluft-Gemälde war unumgänglich. Der Beton bröckelte, der Stahl rostete, die Bilder verblassten.

Um sein Motiv „Berlyn“ originalgetreu auf der neuen Berliner East Side Gallery auftragen zu können, muss Gerhard Lahr vorher genau Maß nehmen. Als einer der ersten Künstler beginnt der Maler und Grafik-Designer am Dienstag mit der Erneuerung seines Bildes auf dem frisch grundierten Abschnitt der ehemaligen Berliner Mauer an der Mühlenstraße in Friedrichshain. Die Open-Air-Kunstwerke am früheren Todesstreifen sind nach wie vor ein Touristen-Magnet. Deshalb sollen bis zum 20. Jahrestag des Mauerfalls alle Gemälde eins zu eins übertragen werden.

„Vor 19 Jahren überkam mich zu allererst ein Anflug von Angst“, erläutert Mauer-Künstler Lahr und begutachtet seine ersten Pinselstriche. Schließlich habe er den Betonwall 30 Jahre nicht einmal mit der Hand berühren dürfen. Doch auch, wenn seine Motivation heute eine andere sei, eine Sache sei dennoch geblieben. „Die Welt schaut auf Berlin, damals wie heute.“

Generalüberholung war bitter notwendig

Neben Lahr beteiligten sich im Frühjahr 1990 auch 117 weitere Künstler an der Aktion, den 1300 Meter langen Mauerabschnitt zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke entlang der Spree mit ihren Kunstwerken zu verschönern. 19 Jahre später sind es noch 89 deutsche und ausländische Maler, die nach der Sanierung des Betonwalls erneut den Pinsel und Stift ansetzen.

"Die Generalüberholung der Mauerkunstwerke war bitter nötig", betont der Vorsitzende der Künstlerinitiative East Side Gallery, Kali Alavi. “Der Beton bröckelt ab, der Stahl rostet, die Bilder verblassen und sind größtenteils mit Graffiti übermalt.„ Regenwasser, Sonnenstrahlen sowie die Autoabgase taten ihr Übriges. Nun werde mit hochwertiger Farbe sowie einer speziellen Grundierung gearbeitet. So könnten die schriftlichen Hinterlassenschaften der Touristen schnell und unkompliziert entfernt werden.

Für Wirbel sorgte bis zuletzt der Schöpfer eines der bekanntesten Mauer-Gemälde, der Moskauer Maler Dmitri Vrubel. Seine Darstellung des „Bruderkusses“ zwischen den ehemaligen Staatschefs der DDR und der Sowjetunion, Erich Honecker und Leonid Breshnew, musste den Restaurierungsmaßnahmen weichen und wurde wie die anderen Werke abgestrahlt. Der Künstler war zunächst entsetzt, hat sich jetzt jedoch offenbar anders besonnen. „Er kommt am 1. Juni nach Berlin“, versichert Alavi. Vrubel male das Bild nun mit finanzieller Unterstützung neu.

Abschluss der Sanierung am 7. November

Die Gemälde der fünf mittlerweile verstorbenen Mauer-Künstler sollen von Mitgliedern der Initiative rekonstruiert werden, erzählt der persische Künstler. Ungeklärt hingegen bleibt der Zwist um das Werk des Wahl-Berliners Bodo Sperling. “Er fordert ein angemessenes Honorar statt der Aufwandsentschädigung in Höhe von 3000 Euro. Dieser Mauerabschnitt bleibt erst einmal frei„, sagt Alavi.

Generell klagt die Künstlerinitiative über andauernde Probleme mit der Vermarktung ihrer Kunstwerke in der Open-Air-Galerie: „Da die Gemälde im öffentlichen Raum erstellt wurden, haben wir nach deutscher Gesetzeslage keine Nutzungsrechte für unsere Bilder.“ Die Initiative hoffe nun auf ein Sonderrecht für die East Side Gallery. "Es gibt Firmen, die seit 20 Jahren Geld mit unseren Motiven verdienen, während die Künstler für ihre eigenen Bilder keinen Pfennig sehen", kritisiert Alavi. “Das ist nicht gerecht.“

Abgeschlossen sein soll die aufwendige Restaurierung der Open-Air-Kunstwerke am 7. November 2009, zwei Tage vor dem 20. Jahrestag zum Fall der Mauer. “Auch wenn die Gefühle zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall nicht mehr die gleichen sein können, liegen uns die Gemälde nach wie vor sehr am Herzen„, beschreibt der Vorsitzende der Künstlerinitiative seine Gefühlslage. “So können wir unsere zerstörten Gedanken von damals retten.“