Immer mehr Lehrer verlassen die Hauptstadt. Sie ziehen in Bundesländer, die sie besser bezahlen, im Gegensatz zu Berlin auch verbeamten und ihnen so eine unbefristete, feste Anstellung bieten können. Je nach Ausbildung und Anstellung verdienen sie dort zwischen 500 und 1000 Euro mehr.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) fordert nun eine bundeseinheitliche Regelung gegen die Abwanderung von Lehrern in andere Bundesländer. Angesichts des zunehmenden Weggangs von Pädagogen in besser zahlende Länder sagte der Politiker, er frage sich, „wo diese Spirale noch enden soll“.
Wowereit sagte, er unterstütze Zöllners Anregung zur bundesweiten Regulierung des Themas. Die Länder müssten sich auf eine Obergrenze bei der Bezahlung verständigen. „Denn wenn wir 500 Euro draufpacken, packt der nächste 600 drauf oder bietet eine Schulleiterstelle an“, warnte Wowereit. Damit bestehe die Gefahr „umfassender Verwerfungen“. Ein ganzes System komme „ins Rutschen“ und werde teuer für alle. Er forderte eine Absprache zwischen den Bundesländern. Zudem kündigte er an, dass das Thema bei der nächsten Klausurtagung des Berliner Senats erörtert wird.
Dass junge Lehrer in Bundesländer mit besserer Bezahlung abwandern, sei kein spezifisches Berliner Problem. Der Druck werde für alle Länder größer werden, solange es an Lehrern mangele. Darum müssten die Bundesländer mehr Lehrer ausbilden.
Der Senat werde aber selbst etwas für höhere Gehälter tun, auch wenn das für Berlin sehr teuer werde. Es gehe dabei nicht nur um Junglehrer. Es könne nicht sein, dass ein Berufseinsteiger mehr bekomme als ein Fachbereichsleiter. Im neuen Doppelhaushalt 2010/2011 soll dem Vernehmen nach eine durchschnittliche Gehaltssumme von 3500 Euro brutto pro Lehrkraft veranschlagt werden.
Wer will, soll die Arbeitszeit reduzieren können
Als Anreiz für Lehrer, sich für einen Arbeitsplatz an einer Berliner Schule zu entscheiden, plant die Koalition auch besonders flexible Arbeitszeiten. Anders als in anderen Bundesländern sollten sich die Pädagogen entscheiden können, ob sie weniger Stunden unterrichten und entsprechend weniger verdienen wollen, sagte die Fraktionschefin der Linken Carola Bluhm.
126 junge Berliner Lehrer werden sich jetzt in anderen Bundesländern bewerben. „Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) hat nicht mit konkreten Vorschlägen auf unsere Freigabeanträge reagiert“, sagte Torsten Ulrich, Sprecher der Initiative „Verbeamtung jetzt“. Dieser gehören mehr als 300 Pädagogen an, die seit zwei oder drei Jahren an Berliner Schulen arbeiten. Die jungen Lehrkräfte fordern, dass ihr Gehalt dem der Kollegen angeglichen wird, die noch vor fünf Jahren eingestellt oder verbeamtet wurden. „Wir haben zwar mit dem Senator gesprochen, passiert ist bisher aber nichts“, so Ulrich.
Im West sind die Gehälter deutlich besser als im Osten
Morgenpost Online hat das Gehalt von Lehrern in den verschiedenen Bundesländern verglichen. Obwohl viele Länder wesentlich mehr bezahlen, lockt aber nicht nur das Geld. In Hessen beispielsweise werden Lehrer überdies bis zum 50. Lebensjahr verbeamtet. In Hamburg helfen Schulen neuen Kollegen bei der Suche nach einer Wohnung oder einem Kita-Platz. In Baden-Württemberg werden neue Lehrkräfte sofort auf Probe verbeamtet und bekommen das bundesweit beste Gehalt.
Nachdem Hessen und Hamburg gezielt Lehrer aus Berlin abgeworben haben, startet nun auch Baden-Württemberg in der kommenden Woche eine Werbeaktion – auch in Berlin.
375.000 Euro kostet die Kampagne, die mit Plakaten, Anzeigen und im Internet um gut qualifizierte Lehrer wirbt. Grund sei laut Bildungsministerium, dass zum kommenden Schuljahr noch 400 Gymnasiallehrer und 200 Berufsschullehrer in den naturwissenschaftlichen Fächern wie Chemie und Physik sowie in Metall- und Elektrotechnik fehlen. Der Lehrerbedarf erkläre sich durch die neuerdings kleineren Klassen. „Nach drei Jahren Probezeit werden die Lehrer unbefristet verbeamtet, verdienen von Anfang an überdurchschnittlich gut, und unsere Schulen sind in einem stabilen sozialen Umfeld“, sagt der stellvertretende Sprecher des Kultusministeriums in Stuttgart, Hans-Jörg Blessing.
Nach Angaben der Vorsitzenden der Lehrergewerkschaft GEW, Doro Moritz, liegen bereits zahlreiche Bewerbungen aus Berlin vor. „Die Lehrer begründen ihre Anträge mit finanzieller und beruflicher Sicherheit.“
Bildungssenator Zöllner sieht die Situation mit Besorgnis, will die Lehrer in Berlin halten. Er räumt ein, dass die Differenz in der Bezahlung im Vergleich zu anderen Ländern zu groß ist. Konkrete Lösungsvorschläge hat er jedoch nicht parat. „Der Bildungssenator will verschiedene Möglichkeiten abwägen und das Thema auf der nächsten Konferenz der Kultusminister ansprechen“, sagt Kenneth Frisse, Sprecher der Bildungsverwaltung. Zöllner befürworte Absprachen über die Höhe der Lehrergehälter, von einer Rückkehr zur Verbeamtung sei er nicht begeistert.
In Berlin fehlen vor allem Mathe- und Physiklehrer
In Berlin fehlen bereits heute Lehrer: Von den 165 Stellen, die in Berlin zum Halbjahr offen sind, konnten bisher nicht alle fachgerecht besetzt werden. Wie in anderen Ländern auch, fehlen insbesondere Mathe- und Physiklehrer. „Wir mussten feststellen, dass es größere Schwierigkeiten gibt als noch im vergangenen Schuljahr“, sagte Zöllner. „Die Situation macht deutlich, wie groß der Lehrerbedarf auch in anderen Bundesländern ist.“
Die GEW warnt vor einem Wettbewerb der Länder. „Sollten sich nur reiche Bundesländer gute Lehrer leisten können, ist eine qualitativ einheitliche Bildungsversorgung nicht mehr gewährleistet“, sagte Doro Moritz. Durch die Anwerbeaktionen würden die „Preise“ für Lehrer weiter in die Höhe getrieben. „Wenn wir 500 Euro draufpacken, packen andere 600 drauf“, sagte auch der Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit (SPD). Die Bundesländer müssten mehr Lehrer ausbilden.
Auch Rheinland-Pfalz und dem Saarland fehlen Lehrer, nicht nur in den naturwissenschaftlichen Fächern, sondern auch im Kunst- und Musikunterricht. Doch sie haben das Problem anders gelöst: „Wir bieten eine berufsbegleitende pädagogische Ausbildung für Quereinsteiger an“, sagt Wolf-Jürgen Karle vom Kultusministerium in Rheinland-Pfalz. Bildungssenator Zöllner will ein ähnliches Programm jetzt auch für Berlin.