Ein zweiter Brandanschlag in dieser Woche hat das Haus der Wirtschaft in Charlottenburg getroffen. Die Polizei vermutet die Täter im linksextremistischen Spektrum. CDU und Polizeigewerkschaft sehen eine Entwicklung hin zum Terrorismus.
Der Berliner Verfassungsschutz warnt nach den jüngsten Brandanschlägen mit selbst gebastelten Sprengsätzen davor, die Gefährlichkeit solcher Attacken zu unterschätzen. „Insbesondere die Benutzung von Gaskartuschen stellt eine Gefährdung von Menschenleben dar“, sagte Isabelle Kalbitzer, die Sprecherin der Behörde, an Donnerstag. Sie verwies dabei auf die immensen Risiken, die das Hantieren mit den Kartuschen beinhalte.
In der Nacht zu Donnerstag hatten Unbekannte zum zweiten Mal innerhalb von 48 Stunden einen Brandanschlag mit Gaskartuschen auf ein Gebäude verübt. Diesmal traf es das Haus der Wirtschaft an der Straße Am Schillertheater in Charlottenburg. Bereits in der Nacht zu Dienstag war das Gebäude der Stiftung Wissenschaft und Politik in Wilmersdorf Ziel eines Anschlags geworden.
In beiden Fällen richteten die Attacken Sachschaden an, Menschen kamen jedoch nicht zu Schaden. In der Vergangenheit wurden mehrfach Gaskartuschen verwendet, vor allem nachdem im vergangenen Jahr das Szene-Blatt „Interim“ eine detaillierte Anleitung zum Bau von Bomben mittels solcher Kartuschen veröffentlichte.
Am Haus der Wirtschaft hinterließen die Täter wie schon zuvor in Wilmersdorf den Schriftzug RAZ zusammen mit dem Emblem Hammer und Sichel. Inzwischen weiß der Staatsschutz, dass die Buchstaben für „Revolutionäre Aktionszellen“ stehen. Eine solche Gruppierung war bislang in Berlin unbekannt. „Dennoch können durchaus Personen hinter dem Anschlag stecken, die wir bereits kennen. In der Szene ist es schon seit langem üblich, unter immer neuen Namen aktiv zu werden, in der Hoffnung, damit Verwirrung zu stiften“, sagte ein Ermittler.
Oppositionspolitiker und Polizeigewerkschaftler sprachen im Zusammenhang mit den Anschlägen von einer neuen Qualität und einer bedrohlichen Entwicklung. Nach Ansicht des innenpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Robbin Juhnke, haben die Anschläge aus dem linksextremistischen Spektrum eine neue Qualität erreicht. „Dabei weisen sie immer deutlichere Züge eines linken Terrorismus auf“, sagte Juhnke.
Auch Michael Reinke, der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GDP), sieht in den jüngsten Anschlägen eine neue Qualität der Gewalt. Er warnte zwar vor einer voreiligen Benutzung des Begriffs Terrorismus, erklärte allerdings: „Wenn man einmal zurückschaut, aus welchen Anfängen sich der Terrorismus der RAF entwickelt hat, kann man derzeit ohne Weiteres von einer bedrohlichen Entwicklung sprechen.“
Nach Ansicht von Reinke rächt sich jetzt die jahrelange Sparpolitik des Senats. Die Kriminalpolizei verfüge längst nicht mehr über die notwendigen Kapazitäten, um solche Taten aufzuklären. „Und da vor allem in den Nachtstunden immer weniger Schutzpolizisten im Einsatz sind, ist das Entdeckungsrisiko für die Täter gering“, kritisierte der GdP-Vize gestern.
Im „Haus der Wirtschaft“ haben die „Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg“ (UVB) und andere Wirtschaftsverbände ihren Sitz. Ein UVB-Sprecher äußerte sich nur zurückhaltend über den Vorfall. „Der Betrieb geht weiter, beeindrucken lassen wir uns davon nicht“, sagte der Sprecher kurz und knapp. Man denke nicht daran, den Tätern durch öffentliche Erklärungen auch noch eine Plattform zu bieten, hieß es von Seiten eines anderen Verbandes.
Bei Nachbarn erzeugte der Brandanschlag Kopfschütteln. „Wenn die Täter ein Zeichen gegen Kapitalismus oder ähnliches setzen wollten, haben sie sich nicht unbedingt die richtige Adresse ausgesucht“, sagte ein Nachbar. In dem betroffenen Gebäude fänden ständig Bildungsmaßnahmen, unter anderem auch für arbeitslose Jugendliche und Migranten, statt.