Berlin. Von Berlin aus will das Start-up wefox die Versicherungsbranche revolutionieren. Julian Teilcke, Gründer und CEO, im Gespräch
Die Berliner Start-up-Szene boomt. Und mittendrin: Das digitale Versicherungsunternehmen wefox, schon jetzt mit über einer Milliarde Dollar bewertet – und weiterhin steil auf Expansionskurs. „Ich bin sehr gespannt auf die Geschäftsidee und die Gründungsgeschichte“, sagt Claudia Große-Leege, Geschäftsführerin des VBKI, bei ihrer Begrüßung. Denn eigentlich zog es Julian Teicke, Founder und CEO, zunächst gar nicht in die Versicherungsbranche.
„Mein Vater hat schon in dem Bereich gearbeitet und ich wollte eigentlich keinesfalls in seine Fußstapfen treten“, sagte Teicke beim digitalen VBKI-Unternehmertreffen im Gespräch mit Gilbert Schomaker, stellvertretender Chefredakteur der Berliner Morgenpost. Der Berliner Teicke, der im Bezirk Zehlendorf aufgewachsen ist, ging in Richtung Technologie, studierte zunächst in der Schweiz und stieg dann als Praktikant bei „Groupon“ in London ein. „Innerhalb von wenigen Wochen stieg ich da dann zum Manager auf, musste plötzlich Verantwortung für Dinge übernehmen, die ich mir nie zugetraut hätte“, erzählt Teicke. Doch er wuchs mit seinen Aufgaben, wurde immer selbstbewusster und kam schließlich nach Berlin zurück, um die Start-up-Szene aufzumischen.
„Das war 2015 und mein Mitgründer war damals schon überzeugt, dass wir im Versicherungsbereich etwas auf die Beine stellen sollten“, erzählt Teicke. Er selbst war zwar weiterhin zurückhaltend – wurde dann aber einfach überrumpelt, weil in kürzester Zeit ein Schweizer Investor mit 300.000 Franken Startkapital gefunden war. „Man könnte fast sagen, ich wurde gezwungen, in der Versicherungsindustrie Fuß zu fassen“, sagt Teicke. Er habe das Meeting damals verwirrt verlassen und erstmal seinen Vater angerufen und ihn um Hilfe gebeten. Und die bekam er, denn es war sein Vater, der ihm den entscheidenden Tipp gab. Er sagte dann damals zu seinem Sohn: „Alle, die sich zur Zeit mit Versicherungen beschäftigen, setzen auf das Direktgeschäft ohne Makler, weil sie denken, es ist das Geschäft der Zukunft. Aber Fakt ist, dass noch immer neun von zehn Versicherungspolicen über Menschen verkauft werden.“ Deshalb riet der erfahrene Versicherungsmann, sich darauf zu fokussieren, die Arbeit der Agenten und Makler effizienter und kundenfreundlicher zu machen. „Das war ein super Ratschlag, denn dadurch waren wir einfach anders unterwegs als die meisten anderen“, so Teicke.
Die ersten drei Jahre baute wefox dann tatsächlich vor allem Technologie für Makler und Versicherungsvertreter, um produktiver zu arbeiten. 2018 entschied das junge Unternehmen, neben den 100 Versicherungspartnern, mit denen sie bereits zusammenarbeiteten, auch eigene Produkte anzubieten. „Mittlerweile haben wir 5000 Makler und 700 eigene Berater in ganz Europa“, sagt Teicke. „Wir sind sehr schnell gewachsen. Wir sind innerhalb von einem Jahr von 120 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro Umsatz angewachsen. Diese Jahr erreichen wir wahrscheinlich 700 Millionen.“
Die Ziele von wefox sind ehrgeizig. Bis 2030 strebt das Start-up einen Umsatz von 100 Milliarden Dollar an. Wie sie so schnell wachsen wollen? „Wir haben uns in den letzten Jahren immer verdoppelt“, sagt Teicke. Das passiere dadurch, dass sie in jedem Land, in dem sie aktiv werden, alle drei Vertriebskanäle ausrollen. Dadurch würde das Unternehmen organisch wachsen. dazu käme dann noch, was Teicke seine „internationale Wachstumsstrategie“ nennt. Das heißt: In einem neuen Land, in dem sie bisher nicht aktiv sind, kaufen sie einen Versicherungsvertrieb, der ihnen schnelles Wachstum ermöglicht. Außerdem geht es darum, neue Umsatzkanäle zu eröffnen. „2030 wollen wir rund 50 Prozent mit eigenem Prämienvolumen machen“, so Teicke, „30 Prozent über Provision und 20 Prozent über neue Umsatzquellen.“ Und zwar: Tech-Umsatz. Neue Umsatzquellen würden dabei aus der Risikoprävention entstehen, ein anderes Projekt, an dem wefox gerade arbeitet, heißt Plattform. Es soll ein Kernsystem sein, mit dem innerhalb von kürzester Zeit Versicherungsprodukte gebaut werden können, die dann in unterschiedlichen digitalen Vertriebskanälen angeboten werden. „So eine Plattform gibt es bisher weltweit noch nicht und wir werden sie dann gegen Gebühren anderen Versicherern zugänglich machen“, so Teicke.
Die Bedingungen in Berlin seien für dei weitere Entwicklung des Unternehmens gut. „Die Start-up-Szene entwickelt sich positiv, steht aber noch ganz am Anfang“, sagt Teicke. „Die zweite große Welle kommt erst noch.“ Er sei froh darüber, dass mittlerweile in der Politik angekommen sei, dass das hier der wichtigste Wirtschaftszweig der Zukunft wird. Und dass in zehn bis 15 Jahren die Mehrheit der DAX-Unternehmen allesamt aus diesem Berliner Ökosystem heraus kommen wird. „Es wird die neue wirtschaftliche Elite des Landes werden.“ Teicke sieht noch Chancen, dass auch deutsche Pensionsfonds, die bisher eher zurückhaltend in Start-ups investieren, ihre Strategie ändern. In Kanada, so Teicke, profitierten mittlerweile viele Rentner aufgrund der Investitionen eines Pensionsfonds vom Erfolg deutscher Start-ups.