Start-up

Berliner Sprach-App Babbel erobert den US-Markt

| Lesedauer: 6 Minuten
Jürgen Stüber

Foto: Babbel

Die Sprachlern-Plattform Babbel bietet Kurse in 14 Sprachen an. Jede Stunde melden sich 1300 Lernende an. Nach dem Erfolg in Europa eröffnet das Berliner Start-up nun eine Niederlassung in New York.

Jeder kennt die Situation: Man kommt aus dem Urlaub und will die Landessprache bei der nächsten Reise besser sprechen können. Man weiß aber genau, dass man sich im Alltag die Zeit dazu nicht nehmen wird. Für solche Leute haben drei Berliner Babbel erfunden, eine Online-Plattform zum Sprachen lernen. Nach sieben erfolgreichen Jahren in Europa eröffnet das Unternehmen jetzt eine Niederlassung in New York. Denn der amerikanische Markt ist riesig.

Babbel ist das Sprachlernportal für Menschen, denen die Disziplin, das Geld oder die Zeit für einen Kurs in der Sprachschule fehlt. Anscheinend geht es vielen so: Denn stündlich melden sich 1300 Menschen zu einem Kurs in einer der 14 Sprachen an, die auf der Plattform gelernt werden können. Wie viele Nutzer Babbel insgesamt hat, will das Unternehmen nicht sagen. Schließlich ist der Markt hart umkämpft. Und die Konkurrenz schläft nicht.

„Unsere Idee war, uns nicht an die Leute richten, die aus beruflichen Gründen Sprachen lernen müssen und von vielen Anbietern umworben werden“, sagt Mitgründer Markus Witte. Babbel wollte Sprachkurse für jedermann machen. Das sei zwar der längere Weg, aber der nachhaltigere, sagt Witte.

Wie Babbel funktioniert

Wer die Babbel-App auf seinem Mobiltelefon oder Tablet-Computer (iOS, Android, Windows) installiert, sich registriert und eine Lernsprache ausgewählt hat, findet zunächst eine Liste mit Kursen auf unterschiedlichen Niveaus. Daraus wählt man seinen Wunschkurs aus – für Anfänger, für Fortgeschrittene, einen Grammatik- oder Aussprachekurs oder einen für einen bestimmten Zweck wie Reisen oder Küche.

Anschließend können Nutzer in einer kostenfreien Probelektion testen, ob der Kurs der richtige ist: Die Stimme aus der App spricht Worte oder Sätze vor, die der Lernende wiederholt. Mit einer roten oder grünen Anzeige quittiert die App, ob die Antwort richtig oder falsch ausgesprochen wurde. War sie falsch, wird die Lektion wiederholt.

Übungen schließen sich an. Am Ende verteilt die App Punkte. Von Lektion zwei an wird die werbefreie App kostenpflichtig: Ein Monat kostet 9,99 Euro, drei Monate 19,99 Euro. Nach dem ersten Kurs kann man sich im Präsens unterhalten. „Den meisten Nutzern reicht das nicht“, sagt Witte. Sie machen weiter.

Wachstum hat Priorität

Die App ist durchgehend zweisprachig. Aufgaben werden in der Muttersprache des Lernenden gestellt. Davon stehen sieben zur Auswahl. „Der Spanisch-Kurs für englische Muttersprachler ist ein anderer als der für deutsche Muttersprachler, weil die Grammatik-Anforderungen andere sind“, so Witte. Das mache das Lernen einfacher. „Wir übersetzen auch keine Kurse und machen aus keinem Italienischkurs einen Französischkurs.“

„Als wir angefangen haben, gab es ein derartiges Produkt noch nicht“, sagt Witte. Später hätten sich dann verschiedene Online-Communitys gebildet. Und auch die alten Verlage seien auf die Idee gekommen, Online- und Mobilangebote zu starten. „Aber bei genuinen Webangeboten in einem Premiumsegment sind wir erstaunlicherweise immer noch alleine. Wir können eine Einfachheit bieten, die Nutzer sonst nicht gewohnt sind“, sagt Witte.

Lehrjahre bei Native Instruments

Wie das funktioniert haben die drei Babbel-Gründer in der Musikindustrie gelernt. Lorenz Heine war 1997 Mitgründer des Berliner Synthesizer-Herstellers Native Instruments. Witte war dort sechs Jahre lang Online-Chef, und Thomas Holl, Technologiechef bei Babbel, hat die DJ-Hard- und Software Traktor entwickelt, die er an Native Instruments verkaufte. Dieser Controller gilt weltweit als führende Hardware in Clubs.

Wachstum genießt in dem Unternehmen zurzeit Priorität. Babbel will das gewaltige Marktpotenzial nutzen, das Produkt weiterentwickeln und in verschiedene regionale Märkte gehen. „Das sind aber taktische Entscheidungen. Wir haben immer die Wahl, langsamer zu wachsen.“ Denn das Unternehmen ist profitabel. Die Firma erwirtschaftet Gewinne.

Wie alle Start-ups brauchte auch Babbel Wachstumskapital. Das Unternehmen hat 2013 eine Finanzierungsrunde über zehn Millionen Dollar abgeschlossen, an der auch die Investitionsbank Berlin als Frühphasen-Investor des Unternehmens beteiligt war. Die USA mit der hohen Zahl an spanischsprachigen Einwanderern sind für Babbel ein spannender Markt, der Rest von Amerika übrigens auch, wie Witte betont. „Mittel- und Südamerika sowie Kanada sind nicht zu unterschätzen.“ In den USA sprechen lediglich 18 Prozent der Bürger mehr als eine Sprache. Zum Vergleich: In Europa sind es 53 Prozent.

Mit 300 Stellen immer noch Startup

Mit der Eröffnung der Niederlassung in New York schließt sich für Babbel ein Kreis. Denn in den USA hatten die Berliner ihre ersten Kunden gefunden. Das Branchenblog TechCrunch hatte über die Sprachlern-Plattform berichtet, die am 15. Januar 2008 mit einer fünfsprachigen Beta-Version live gegangen war. Die Zahl der Nutzer stieg rasch. Als die Berliner begannen, ihr Produkt zu vermarkten, konzentrierten sie sich auf das Europageschäft. Als President der Babbel Inc. wird einer der Babbel-Gründer und Geschäftsführer, Thomas Holl, die Aktivitäten in New York leiten.

Ob sich das Unternehmen mit seinen 300 Beschäftigten noch als Start-up versteht, will der Reporter vom Unternehmensgründer wissen. Entscheidend sei, wo die Firma in ihrem Entwicklungszyklus stehe, sagt Markus Witte. „Die Frage ist, wo wir sind und wo wir hinwollen. Und wenn da noch Faktor zehn dazwischen liegt, sind wir noch ein Start-up. Im Moment wachsen wir noch mehr als 100 Prozent im Jahr.“ Demzufolge dürfte Babbel noch auf lange Sicht ein Start-up bleiben.