Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit begrüßt im Morgenpost-Interview die wachsende Zahl der Start-ups in der Stadt. In den nächsten Jahren sollen 100.000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Berliner Morgenpost: Die Messe „Deutsche Gründer- und Unternehmertage“ (deGUT) feiert in diesem Jahr 30 jähriges Jubiläum. Wie finden Sie diese Messe? Welchen Stellenwert hat sie inzwischen in Berlin?

Klaus Wowereit: Berlin hat in den letzten zehn Jahren eine beeindruckende wirtschaftliche Entwicklung geschafft. In keinem Bundesland war das Wirtschaftswachstum höher und auch die Schaffung von rund 250.000 neuen Arbeitsplätzen kann sich sehen lassen. Die vielen Unternehmensgründungen – Berlin liegt bei der Selbständigenquote ebenfalls vorn – haben dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet. Die deGUT ist dabei ein wichtiger Baustein im „Instrumentenkasten“, den die Region ihren Gründerinnen und Gründern anbietet. Mit dem neuen Standort am ehemaligen Flughafen Tempelhof hat die Messe zudem nochmals an Attraktivität und Bedeutung gewonnen.

Was bringt die deGUT-Messe der Stadt? Inwiefern arbeitet der Senat mit dieser Messe zusammen?

Zusammen mit der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) veranstaltet die Investitionsbank Berlin (IBB) die deGUT. Senat und IBB unterstützen die Gründermesse nachhaltig. Die deGUT bietet ihren mehr als 6000 Besuchern an den beiden Messetagen ein breites und hilfreiches Programm mit Beratung, Vorträgen, Workshops und Networking. Das erleichtert den Gründern einen erfolgreichen Start.

Berlin gilt als Gründermetropole Europas. Was zeichnet diese Stadt aus? Warum gibt es hier so viele Existenzgründungen?

Berlin hat sich in den letzten Jahren wieder zu einer offenen, attraktiven und dynamischen Weltmetropole mit einem lebendigen und vielfältigen Start-up-Ökosystem entwickelt. Menschen aus aller Welt kommen in unsere Stadt – als Touristen, zum Leben und Arbeiten, aber eben auch zum Gründen. Diese Talente und Macher sind das wichtigste Kapital des Gründungsstandortes Berlin. Sie treffen hier nicht nur auf Gleichgesinnte, sondern auch auf hervorragende Rahmenbedingungen: eine starke kreative Klasse, eine hervorragende Wissenschafts- und Forschungslandschaft, erschwingliche Gewerbemieten und vielseitige Netzwerke. All dies schafft ein einzigartiges Gründerklima!

Wie kann man den Gründergeist der Menschen stärker fördern? Welche Voraussetzungen will der Senat noch schaffen?

Das fängt schon bei der Schule an. Selbständigkeit muss viel stärker als heute Teil der beruflichen Orientierung sein. Schulprojekte wie „Mach’ Dich selbständig“ von der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) und Wirtschaftsjunioren sind da sehr hilfreich. Und auch an den Hochschulen werden wir unsere Gründungsaktivitäten weiter stärken. Insgesamt müssen wir Deutschen noch etwas risikobereiter werden und auch ein Scheitern nicht als Schlappe, sondern Chance begreifen. Wichtig ist mir zudem, dass wir es schaffen, künftig mehr Frauen zu Gründungen zu motivieren.

In den nächsten Jahren sollen in der Berliner Start-up-Szene 100.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Welche großen Projekte hat der Senat in diesem Zusammenhang?

Zunächst einmal stammt die Zahl von 100.000 neuen Jobs aus der McKinsey-Studie „Berlin gründet“ zum Gründungsstandort Berlin – ein Ziel, das der Berliner Senat aber teilt. Schon heute entsteht jeder achte neue Arbeitsplatz in der Digitalwirtschaft. Auch wenn diese nicht deckungsgleich mit den Start-ups ist, zeigt sie doch das enorme Beschäftigungspotential von Start-ups auf. Besonders freut mich, dass etwa im Logistikbereich der eCommerce-Branche Arbeitsplätze entstehen, von denen auch Langzeitarbeitslose profitieren. Im September haben wir erneut die wichtige Marke von 200.000 Arbeitslosen unterschritten, auch Dank der Start-ups. Um diese Entwicklung zu unterstützen, plant der Berliner Senat ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die von der neuen Berlin Start-up-Unit entwickelt und koordiniert werden. In ihr arbeiten Verwaltung, Institutionen, Verbände und Gründer zusammen, um unseren Standort für Start-ups noch attraktiver zu machen.

Am Flughafen Tempelhof soll ein Gründer-Campus entstehen. Welche Funktion wird dieser Campus haben? Wozu soll er dienen?

Zunächst ist nur ein kleiner Teil des ehemaligen Flughafengebäudes als künftiges Gründerzentrum ausgeschrieben. Ich könnte mir aber sehr gut vorstellen, dass dort perspektivisch etwas Größeres aufwächst – ein Gründerzentrum an der Schnittstelle von Kreativ- und Digitalwirtschaft. Das würde auch hervorragend zur aktuellen Nutzung als Messe- und Event-Standort passen.

Wie unterstützt der Senat die Existenzgründer in der Stadt? Was sind Ihre konkreten Schritte?

Sämtliche Angebote hier aufzuführen, würde den Rahmen eindeutig sprengen. Aber kurz gesagt: Das Thema Gründen ist in Berlin in der Breite verankert und jeder erhält die Beratung und Unterstützung, die er oder sie braucht. Das gilt etwa für das technologiegetriebene Life Science Unternehmen ebenso wie für innovative Dienstleistungen. Passgenaue Förderprogramme und Coachings bei der IBB, Beratung und Netzwerke bei der IHK und über Berlin Partner praktische Hilfe bei der Internationalisierung, sind nur einige Beispiele. Und als Regierender Bürgermeister fungiere ich natürlich gern als „Türöffner“, etwa auf meinen internationalen Delegationsreisen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Gründer- und Start-up-Szene in Berlin? Wird Berlin diese Spitzenposition in Europa halten können?

Na, zunächst müssen wir ja überhaupt erstmal die Nummer eins in Europa werden. Aktuell halten wir zwar deutschlandweit schon mit Abstand die Spitzenposition, es gibt aber auch andere starke Städte wie beispielsweise London oder Tel Aviv. Unser ehrgeiziges Ziel ist es dennoch, uns in den nächsten Jahren zum dynamischsten und attraktivsten Start-up-Hotspot in Europa zu entwickeln. Ich bin optimistisch, dass uns das gemeinsam auch gelingen kann und das nächste Facebook ein Berliner ist.