Die Zukunft von Frank Steuer und Jens Wohltorf lässt sich auch an einer Zahl bemessen: 600. So viele Quadratmeter wird das neue Büro neben dem SO36 in Berlin-Kreuzberg messen, das die beiden mit ihrem erst im Juni 2012 geborenen Start-up Blacklane im Frühjahr beziehen werden. Derzeit quetschen sich die mittlerweile 55 Mitarbeiter in eine 180-Quadratmeter-Wohnung über der „Paris-Bar“ in der Kantstraße in Charlottenburg.
Im Wohnzimmer die Kundenbetreuer, im Esszimmer die Programmierer. Das Büro von Steuer und Wohltorf könnte das Kinderzimmer sein. Die beiden Schreibtische der Geschäftsführer und zwei Stühle für Gäste passen hinein. „Etwas eng hier“, sagt Frank Steuer zur Begrüßung. Zu eng auf jeden Fall für die Wachstumspläne der beiden Gründer.
Der Limousinenservice-Vermittler Blacklane mischt gerade den Markt für Chauffeurdienste auf. Der gilt als lukrativ, ist aber im Vergleich mit den USA oder Großbritannien unterentwickelt. „Unsere Partner sind lokale Anbieter, die nur wenig vernetzt sind“, sagt Wohltorf: „Ein sehr fragmentierter und schlecht ausgelasteter Offline-Markt.“ Rund eine Milliarde Euro Umsatz erlösen die deutschen Limousinendienste mit ihren rund 15.000 Fahrzeugen. Zum Vergleich: Die rund 50.000 deutschen Taxis setzen mehr als drei Milliarden Euro um.
Lückenfüller in der Branche
Wohltorf und Steuer wollen, dass der Chauffeurmarkt größer wird – und Blacklane einen möglichst großen Teil davon abbekommt. Die Idee dabei ist simpel: „Wir können als Lückenfüller der Branche verstanden werden“, sagt Steuer.
Blacklane vermittelt vor allem der wachsenden Zahl von Geschäftsreisenden, denen Taxifahrten zu unzuverlässig, unkomfortabel oder einfach nicht diskret genug sind, Limousinen lokaler Anbieter zum Festpreis – und das bald europaweit. „Unser Ziel ist, dass Geschäftsreisende auf all ihren Stationen von Berlin über Paris und London auf Limousinen von Blacklane zurückgreifen können“, sagt Wohltorf.
Dabei nutzen die Vermittler Leerfahrten, die bislang bei den Chauffeurdiensten bei fast jeder ihrer Touren zwangsläufig anfallen. Um das Taxigewerbe zu schützen, dürfen Limousinendienste in Deutschland keine spontanen Transfers anbieten. Das heißt, nach einer Fahrt und ohne weiteren Auftrag mussten sie bislang zur Zentrale zurückkehren. Hier setzt Blacklane an und vermittelt für die Rückfahrten Fahrgäste.
Provision für Vermittlungen
„Für unsere Partnerunternehmen ist das ein pures Zusatzgeschäft“, sagt Steuer. „Ihr regulärer Betrieb bleibt davon unberührt.“ Kunden bestellen den Fahrdienst über die Blacklane-Website oder eine mobile App. Blacklane erhält für die Vermittlung eine Provision.
In 15 deutschen Städten vermittelt das Unternehmen bereits Chauffeurdienste. Neben Berlin sind das unter anderem München, Stuttgart, Leipzig und Hamburg. Im Januar expandierte das Unternehmen erstmals ins Ausland nach Wien und Zürich.
Seit Mitte Februar gibt es das Angebot in Paris. „Der Markt in Paris ist so groß wie der aller Städte, in denen wir bislang aktiv sind, zusammengenommen“, sagt Wohltorf.
Einen ähnlichen Sprung erwartet sich Blacklane von dem Start in der Finanzmetropole London an diesem Montag. „London ist mit über acht Millionen Einwohnern die mit Abstand größte Metropole der Europäischen Union und die bedeutendste Stadt im europäischen Geschäftsreiseverkehr.“
Damit soll die Expansion aber nicht enden: Bis Jahresende will das Unternehmen in weiteren zehn Städten antreten. „Mindestens eine Stadt pro Monat“, sagt Wohltorf. Mehr als 250 Fahrdienste mit über 500 Wagen hat Blacklane nach eigenen Angaben bereits unter Vertrag. Gesteuert wird das Geschäft von aus Berlin.
Routen können im Voraus geplant werden
Mit dem Fokus auf Unternehmen, Geschäftsreisende und Hotelgäste, die ihre Routen im Voraus planen, unterscheidet sich Blacklane von dem US-Konkurrenten Uber (sprich: Über), der in den europäischen Markt drängt, im Januar in Berlin startete und bald in München an den Start gehen will. Uber bietet einen sogenannten „On-Demand-Service“. Das heißt, Limousinen können ähnlich wie bei Taxifahrten binnen Minuten geordert werden. Dabei haben die Kunden aber nur begrenzten Einfluss auf Automarke oder Ausstattung.
Uber zielt vor allem auf junge, unternehmungslustige Großstädter. Im firmeneigenen Blog verwies Uber zum Berlin-Start auf hunderttausend Veranstaltungen jährlich in Berlin.
„Wir machen kein Party-Business“, sagt dagegen Wohltorf, der die Fahrdienste als Berater von Boston Consulting in Chicago schätzen gelernt und daraus die Geschäftsidee entwickelt hat, „und wir machen auch kein Fünf-Sterne-Deluxe.“ Die Kunden können gleichwohl ihre Limousine binnen einer Stunde buchen und dabei wählen: BusinessClass, BusinessVan oder First Class. Stretch-Limousinen gibt es ausdrücklich nicht.
Bis zum Break Even durchfinanziert
Die Gründer machen derzeit weder Angaben darüber, wie viel Blacklane in den Expansionskurs investiert, noch darüber, wie viel das Unternehmen derzeit mit den Provisionen verdient. Immerhin ist es Wohltorfs ehrgeiziges Ziel, dass Blacklane in den nächsten neun bis zwölf Monaten die Gewinnschwelle erreicht. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben bis zum Break Even durchfinanziert.
Mit den eigenen Ersparnissen gestartet, haben die Blacklane-Gründer in den vergangenen zwei Jahren namhafte Finanzierer gefunden, darunter RI Digital Ventures, der gemeinsame Wagnisfinanzierer des Verlegers Dirk Ippen („Münchner Merkur“) und der Investmentgesellschaft der Immobiliengruppe Raffay. Darüber hinaus sind die Schweizer Car-4-you Holding und die Investmentgesellschaft Be-To-V Partners beteiligt. Im Januar war zudem der AWD-Gründer Carsten Maschmeyer in der zweiten Finanzierungsrunde über sein Investmentvehikel Alstin bei Blacklane eingestiegen.
Zum Vergleich: Der US-Konkurrent Uber hatte bis Herbst vergangenen Jahres rund 50 Millionen Dollar bei Investoren eingesammelt, darunter die US-Großbank Goldman Sachs und Amazon-Gründer Jeff Bezos. Uber ist in mittlerweile 25 Städten aktiv, vor allem in den USA. In Europa bietet das Unternehmen aus Kalifornien seinen Service neben Berlin in Paris, Amsterdam und Stockholm an. Dazu in London, wo Blacklane jetzt an den Start geht.
Mit Zuversicht in die Zukunft
Die Berliner Blacklane-Gründer schauen mit überraschend viel Zuversicht auf Ubers Markteintritt in Deutschland: „Uber hilft dabei, den Markt für weitere Kunden zu öffnen, die sich bislang nicht vorstellen konnten, eine Limousine zu ordern“, sagt Wohltorf, „das kann auch für uns nur gut sein.“
Auf einen anderen Konkurrenten sind die Berliner dagegen gar nicht gut zu sprechen: den Autovermieter Sixt. Wenn Wohltorf und Steuer darüber reden wollten. „Dazu ist alles gesagt“, ist das Einzige, was sie sich noch entlocken lassen.
Mit Sixt waren die Blacklane-Gründer im vergangenen Jahr im Gespräch über eine Kooperation. Doch stattdessen gründete der Vermietungskonzern einen eigenen Limousinen-Service. MyDriver heißt er, ist seit dem Jahresende am Start – und auf keinen Fall eine Blacklane-Kopie, sagt Sixt. Andere zu kopieren entspräche nicht der Philosophie des Unternehmens.