Syrien-Konflikt

Berliner Arzt bringt alte Rettungswagen als Hilfe nach Syrien

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Ulla Reinhard

Foto: Amin Akhtar

Der Arzt Mustafa Mahjoub ersteigert von der Berliner Feuerwehr ausgemusterte Rettungsfahrzeuge und lässt sie nach Syrien transportieren. Im Krisengebiet werden sie dringend benötigt – und retten Leben.

Sie haben eine lange Reise vor sich, aber die erste Etappe ist bereits geschafft: Mustafa Mahjoub hat die beiden Rettungswagen, die ihm neuerdings gehören, von Berlin nach Hamburg transportiert. Dort stehen sie nun am Hafen und sollen, wenn alles gut geht, nächste Woche nach Syrien verschifft werden. Mahjoub spendet sie an die Hilfsorganisation Roter Halbmond. Der Berliner Arzt kommt selbst aus Damaskus und hat gehört, dass im Krieg etliche Rettungswagen zerstört wurden. „Das ist also mein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt er und lächelt traurig.

Mahjoub hat die Wagen bei der Berliner Feuerwehr ersteigert. Die Behörde bietet regelmäßig ausrangierte Rettungswagen, Löschfahrzeuge und Drehleitern zum Verkauf an. „Die Fahrzeuge sind nicht kaputt, sondern entsprechen nur nicht mehr den hohen Anforderungen einer Großstadt“, sagt Feuerwehrmann Joachim Podleksa. Sie seien ein wenig abgenutzt, hätten zum Beispiel Rostanhaftungen, Dellen im Blech oder die Elektrik sei eingeschränkt. Würde man etwas Geld investieren, würden sie noch jahrelang gut funktionieren.

Die Nachfrage ist nach Angaben von Podleska groß. Die Käufer sind meist freiwillige Feuerwehren aus anderen Bundesländern oder Feuerwehren und Hilfsorganisationen aus dem Ausland: In Polen und in der Türkei sind bereits Berliner Feuerwehrautos unterwegs. Die erste Anfrage für Syrien hat Mustafa Mahjoub gestellt.

Zollkontrollen verzögerten Verschiffung der Fahrzeuge

Natürlich hofft der 70-jährige Charlottenburger Chirurg, dass die beiden Rettungswagen in seinem Heimatland ein bisschen helfen können. Er wird vermutlich nicht erfahren, wo sie zum Einsatz kommen. Er weiß nur, dass sie ungefähr drei Wochen lang auf dem Wasser unterwegs sein werden und in der Hafenstadt Latakia ankommen sollen. „Ich wünsche mir, dass sie ihren Zweck erfüllen und Verletzte und Kranke transportieren, nicht Tote“, sagt er. Er wollte die Fahrzeuge keiner politischen Gruppierung spenden, sondern einer unabhängigen Organisation überlassen. „Jedem Landsmann soll geholfen werden, der in Not ist.“ Nachdem Mahjoub die Rettungswagen ersteigert hatte, musste er einen Platz finden, wo er sie zwischenlagern konnte. Auf der Straße durfte er sie mangels Kennzeichen nicht parken. Die syrische Botschaft bot ihm an, die Fahrzeuge auf ihrem Gelände abzustellen.

Mahjoub nahm Kontakt zu Reedereien auf, aber das gestaltete sich schwieriger, als er gedacht hatte. Die meisten schlugen ihm vor, die Rettungswagen bis nach Istanbul oder Beirut zu bringen. Aber Mahjoub bezweifelte, ob sie dann jemals in Syrien ankommen würden. Schließlich fand er eine Reederei, die sich zum Transport nach Latakia bereit erklärte. Eigentlich sollten die Fahrzeuge noch vor Ostern verschifft werden, aber die strengen Zollkontrollen verzögerten die Abreise. „Ich hoffe, dass das bald über die Bühne gebracht wird“, sagt Mahjoub. „Aber ich bin auch froh, dass so genau kontrolliert wird, dann können keine Waffen geschmuggelt werden.“

Dem Zoll musste er eine Auflistung sämtlicher Gegenstände schicken, die sich in den Rettungswagen befinden. Diese Liste war lang, Mahjoub wollte die Fahrzeuge dem Roten Halbmond nicht leer überreichen. Er füllte sie bis an die Decke und an die Türen mit medizinischen Geräten. Ein Großteil des Platzes ging für die Ausstattungen von drei Zahnarztpraxen weg, die er bei einer Insolvenz-Sammelversteigerung ersteigert hatte. Außerdem lud er Rollstühle und Gehstöcke in die Fahrzeuge.

„Ich mache das, weil ich Mensch und Arzt bin“

Die Rettungswagen sind nicht das einzige Hilfsprojekt, dass Mahjoub für Syrien auf die Beine gestellt hat. Tagsüber arbeitet er als Chirurg,. In den Hinterzimmern seiner Charlottenburger Praxis stapeln sich Schuhe, Winterkleidung und Lebensmittel. Seine Frau, seine Kinder und Freunde helfen ihm, die Sachen zu besorgen, zu ordnen und zu verschicken.

Manchmal wird Mahjoub überrascht von der Hilfsbereitschaft anderer Leute. Neulich habe sich der Besitzer eines Kreuzberger Marktstandes gemeldet und gefragt, was er tun könne. Manchmal wird Mahjoub jedoch auch enttäuscht. Einer seiner Bekannten ist sehr vermögend, erzählt er, aber er möchte nichts spenden. Wie viel er für die Rettungswagen bezahlt hat, möchte Mahjoub nicht sagen. Fest steht, dass er noch lange nicht aufhören wird mit seinem Engagement für Syrien.

„Ich mache das, weil ich Mensch und Arzt bin“, sagt Mahjoub. Vor einem Jahr sei er das letzte Mal in Syrien gewesen. „Es ist verheerend, dieses herrliche und ehemals friedliche Land so leiden zu sehen. Besonders schmerzt es mich, dass die Kinder keinerlei Perspektive haben. Sie haben nur Angst.“