Netzqualität

Internetwüste Berlin – Warum Daten hier so langsam fließen

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Jürgen Stüber

Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

Die Internet-Übertragungsraten sind in Berlin in vielen Fällen niedriger als von den Anbietern versprochen: Nur selten wird die im Vertrag vereinbarte Bandbreite erzielt – und es fehlt an Transparenz.

Ruckelbilder beim Videostreaming, Probleme beim Surfen im Internet in der Berliner U-Bahn. Selbst im Stadtgebiet ist die Internetversorgung trotz vollmundiger Versprechen der Telekommunikationsunternehmen nicht zufriedenstellend.

Wie eine Studie der Bundesnetzagentur zeigt, erreichen die Übertragungsraten die im Vertrag genannten Bandbreiten nur selten.

Das ärgert die Nutzer und schadet der Internetwirtschaft: „Aktuell haben rund 70 Prozent der Haushalte in Deutschland einen Breitbandanschluss. Fast einem Drittel bleibt Video-on-Demand damit vorenthalten“, sagt Sabine Anger, Geschäftsführerin des Berliner Videostreamingdienstes Watchever. Videos in HD-Qualität schlucken Unmengen Daten, das betrifft auch Onlinespiele und andere Anwendungen wie YouTube.

Ganz schwierig ist es in Mitte

Der Berliner IT-Systemberater Christian Sauer kennt die Probleme von Verbrauchern mit den Anbietern von Internet- und Telefoniediensten. „In Teilen von Mitte, hinter der Bundesdruckerei, ist es ganz schwierig, Anschlüsse zu bekommen“, sagt er. Dort würden IT-Kunden schon mit Funktechnik ausgestattet, weil es keine freien Kabel mehr gebe. Es komme auch vor, dass Schaltpunkte der Netzbetreiber knapp würden.

„Dann müssen sich Leute Schaltpunkte teilen, und dadurch sinkt die Bandbreite“, sagt Sauer. Verbraucher sind mit einem Anbieter- oder Tarifwechsel schnell überfordert. „Das ist schwierig für Verbraucher, die nur alle paar Jahre mit Providern zu tun haben“, sagt der IT-Spezialist. Sie finden nicht den richtigen Berater und kaufen ganz oft Technologien, ohne an Folgekosten zu denken – etwa für neue Telefone, weil die alten für neue Anschlüsse ungeeignet sind.

Auch die Kommunikation mit den Diensteanbietern sei oft schwierig – vor allem mit den kleineren. Sauer rät insbesondere Firmenkunden, sich rechtzeitig vor einem Umzug über die Netzinfrastruktur zu informieren.

Berlin schneidet im regionalen Vergleich schlecht ab

Die Bundesnetzagentur als Regulationsbehörde für Telekommunikationsdienste hat die Netzqualität in Deutschland im vergangenen Jahr mit einer Studie untersucht. Dazu wurden mehr als eine viertel Million Messungen ausgewertet. „Die Studie bestätigt die Vielzahl der Kundenbeschwerden über Abweichungen zwischen der vertraglich vereinbarten Bis-zu-Bandbreite und der tatsächlichen Bandbreite“, sagt René Henn, Sprecher der Netzagentur.

Nur bei jedem fünften Kunden in Deutschland (19,5 Prozent) wurde die volle vermarktete Übertragungsrate erreicht. Knapp 70 Prozent der Studienteilnehmer erreichen 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Internetbandbreite oder mehr. Lokale Zahlen für DSL-Anschlüsse gibt es nicht. Ähnlich schlecht steht es um die Qualität des mobilen Netzes. Nur jedem zweiten LTE-Kunden stand mehr als 50 Prozent der Vertragsbandbreite zur Verfügung. Auch hier kam nur jeder fünfte Nutzer in den Genuss der maximalen Übertragungsrate. Im regionalen Vergleich schnitt Berlin hier schlecht ab. In nahezu allen anderen Städten wurden bis zu doppelt so hohe Übertragungsraten beim Download gemessen.

„Der Kunde weiß so nur vage, mit welcher Leistung er konkret rechnen kann. Auch nach Vertragsabschluss und erfolgter Schaltung besteht kein überschwängliches Bemühen, dem Endkunden aktiv einen transparenten Überblick über die Leistungsfähigkeit des konkreten Anschlusses zu bieten“, sagte Jochen Homann, der Präsident der Bundesnetzagentur, bei der Präsentation der Studie.

Rechtsanspruch auf Information für alle Nutzer angestrebt

Die Bundesnetzagentur will nun die Internetprovider per Verordnung zwingen, ihre Kunden besser zu informieren und für einen höheren Übertragungsstandard zu sorgen. Künftig sollen Kunden vor Vertragsabschluss über die maximal mögliche und die garantierte Mindestbandbreite informiert werden. Mobilfunkanbieter sollen die durchschnittliche Bandbreite angeben.

Die Netzagentur strebt an, dass alle Verbraucher einen Rechtsanspruch auf einfache und verständliche Informationen über ihre Übertragungsraten erhalten. „Wir wollen erreichen, dass sich der Verbraucher auf einen Blick darüber informieren kann, welche Datenübertragungsrate er in seinem Vertrag vereinbart hat und welche Qualität ihm nach der Schaltung seines Anschlusses tatsächlich geliefert wird“, erklärt Jochen Homann. Ferner sollen die Anbieter auf jeder Rechnung über das Ende der Mindestvertragslaufzeit informiert werden.

Bei der Telefónica (O2) heißt es, der Verordnungsentwurf werde noch geprüft. Telekom-Sprecher Philipp Blank verspricht dagegen schon vorab transparentere und einfachere Produkte. Allerdings will die Telekom die Bis-zu-Angaben bei den Bandbreiten beibehalten, weil weiterhin Kupferkabel verwendet werden, bei denen die Bandbreite mit jedem Meter Länge sinkt.

Probleme auch in der U-Bahn

Vodafone verweist auf Investitionen in Höhe von vier Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahren. „Sämtliche UMTS-Basisstationen werden mit dem superschnellen HSPA+-Standard ausgebaut, der Bandbreiten bis zu 42,2 Megabit pro Sekunde ermöglicht“, sagt Sprecher Dirk Ellenbeck. Das bedeute für die Vodafone-Nutzer eine Verdoppelung der mobilen Surfgeschwindigkeit.

Doch die Internetprovider sind nicht das einzige Problem. Bei Breitbandanschlüssen können auch technische Faktoren für eine schlechte Datenübertragung sorgen. Die Qualität hängt auch ab vom Router, dem Betriebssystem des Computers, dem Internetbrowser, dem WLAN und Programmen, wie etwa einer Firewall oder einem Virenscanner, der die Datenübertragung ausbremst.

Eine Internetwüste ist auch die U-Bahn. Laut BVG sind für die Mobilfunk- und Internetverbindung in den Berliner U-Bahnen die Mobilfunkbetreiber zuständig. Die BVG stelle nur die Infrastruktur zur Verfügung. Zu Verbindungsabbrüchen in Tunneln komme es deshalb, weil sich die einzelnen Funkzellen nicht überlappen, wie das im oberirdischen Bereich der Fall ist.

E-Plus hat unterdessen begonnen, die Berliner U-Bahn mit schnellen Internetverbindungen auszustatten. Ausgehend vom Kreuzungsbahnhof Hermannplatz werden die Linien U7 und U8 mit LTE- und UMTS-Sendern ausgestattet. Die ersten Streckenabschnitte sind bereits in Betrieb. „Wir waren der erste Anbieter, der die Berliner U-Bahnen mit Mobilfunk ausgestattet haben. Jetzt sind wir Vorreiter beim Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes“, sagte Sprecher Jörg Borm. Bis zum Jahresende solle das komplette E-Plus-Netz in der U-Bahn mit LTE ausgestattet sein.

Wer die Qualität seiner Netzverbindung testen will, kann dies unter www.initiative-netzqualität.de tun.