Berlin sucht besten Ausbildungsbetrieb

Wer Brauer werden will, muss auch etwas Kraft mitbringen

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Constanze Nauhaus

Foto: Massimo Rodari

Brauer zählt in Berlin zu den selten gewählten Ausbildungsberufen – ebenso wie Fischwirt. Bis zum 30. April können alle Berliner vorbildliche Ausbildungsbetriebe für einen Preis vorschlagen.

Überall Bier. Bier in Flaschen, Bier auf Bildern, vor allem aber Bier in großen kupferfarbenen Behältern. Dem Geruch nach zu urteilen ist auch die Lache am Boden, in der Alexander Bellin mit weißen Gummistiefeln watet, Bier. „Keine Sorge, das ist nur Wasser“, versichert er aber. Der 25-Jährige beugt sich tief hinab in einen der Kupferkessel, in der Hand einen Gummischlauch. Dann spritzt es. Sicher nicht nur Wasser. Vor Bierspritzern hat Alexander Bellin aber keine Angst, das wäre auch ungünstig, bei seiner Berufswahl. Der Falkenseer ist angehender Brauer, einer von zwei Lehrlingen in der Hausbrennerei Eschenbräu in Wedding. Dort lernt er den Herstellungsprozess verschiedener Biersorten kennen, von der Schrotung der in der Mälzerei zu Malz verarbeiteten Gerste über die sogenannte Einmaischung bis hin zum Abfüllen des fertigen Bieres.

600 Bewerbungen geschrieben

„Nach der 10. Klasse war mir schon klar, dass ich was in Richtung Alkohol machen will. Hab mich in meiner Freizeit auch ein bisschen mit Biertrinken beschäftigt“, sagt Bellin und lacht. So fand er über Umwege zum Eschenbräu, ist nun im 2. Ausbildungsjahr. Einen seltenen Beruf hat er sich ausgesucht, die wöchentlichen Berufsschulstunden am OSZ für Ernährung und Lebensmitteltechnik in Wittenau teilt er mit zehn weiteren Braulehrlingen, Berlinern und Brandenburgern des 2. und 3. Lehrjahres. Die Klasse gilt als groß, andere zählen nur fünf bis sechs Schüler.

In ihr sitzt auch Julian Widera, ebenfalls Lehrling bei Eschenbräu. „Ich habe deutschlandweit an die 600 Bewerbungen geschrieben, vom Chiemsee bis Kiel“, erinnert sich der 21-Jährige. „Aber die meisten Gasthausbrauereien bilden gar nicht aus.“ In Berlin hatte der Bochumer dann Glück. An seine Ausbildung will er ein Ingenieursstudium für Brauwesen und Getränketechnologie anschließen, ein Studium, dass es nur in Berlin und München gibt.

Dafür ist die Betriebsausbildung oder zumindest ein Praktikum allerdings Voraussetzung. Wer Brauer werden will, sollte Verständnis für technische Zusammenhänge mitbringen. Und auch ein wenig Kraft, denn Bierbrauen ist trotz aller Technologisierung immer noch ein Handwerk.

Deutsche Brauer sind im Ausland begehrt

„Wenn man so rumfragt – die meisten wissen gar nicht, dass es den Beruf überhaupt gibt“, sagt Alexander Bellin. „Die denken, Bier wird nur in großen Fabriken hergestellt.“ Eine große Fabrik ist die Brauerei Eschenbräu in der Tat nicht. Im Brauraum stehen hinter einer Glasfront vier große Kupferbehälter, eine Spüle und ein winziger Schreibtisch nebst Stuhl auf einer Fläche, die einem durchschnittlichen WG-Zimmer entspricht. Weit entfernt ist man hier von Dimensionen etwa der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei, der größten in Berlin.

Alexander Bellin ist froh, in einer kleinen Brauerei lernen zu können. „Man hat Kontakt zu den Rohstoffen und nimmt alles in die Hand, weiß, wie es schmeckt und riecht.“ Dafür sei die Arbeit körperlich aber anstrengender als in einem großen Betrieb. Was er nach seinem Abschluss machen will, weiß er noch nicht. Das Ausland reizt ihn. „Da man den Beruf als richtige Ausbildung nur noch in Deutschland, Österreich und der Schweiz erlernen kann, sind deutsche Brauer im Ausland sehr begehrt“, sagt er. Aber wenn sein Chef Martin Eschenbrenner ihn übernehmen würde, bliebe er gern noch. Eschenbrenner, selbst Braumeister, gründete die Brauerei 2001.

Im Keller befindet sich eine Kneipe, im Sommer lädt ein Biergarten in den Innenhof ein. Auch Obstbrände, Apfelsaft und sogar Whisky werden hier hergestellt. „Einen Azubi hatte ich bisher, Julian und Alex sind Nummer zwei und drei“, erzählt der Braumeister. „Ausbilden lohnt sich. Nach einem Jahr Investition ist ein gut ausgebildeter Lehrling, der was auf dem Kasten hat, eine Riesenhilfe.“ Sein Ziel: ein festangestellter Brauer, der ihm zur Hand geht. Gute Aussichten also für seine beiden Lehrlinge.

Einziger Fischwirt-Azubi in Berlin

Jan Everts berufliche Perspektive ist ähnlich rosig. Auch zu seiner Arbeitskleidung gehören Gummistiefel, mit diesen ist er auf Booten oder in Fischteichen unterwegs. Der Spandauer ist Berlins einziger in Ausbildung befindlicher Fischwirt, was ihm gute Aussichten auf einen Arbeitsplatz bietet. „Ich hab mich schon immer für Fische und Angeln interessiert“, erklärt der 19-Jährige seine ungewöhnliche Berufswahl.

Auf der Suche nach einem geeigneten Platz für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr stieß er im Internet dann auf eine Anzeige des Berliner Fischereiamtes an der Havelchaussee, das einen Auszubildenden suchte. Er bewarb sich mit knapp zehn anderen und wurde genommen, befindet sich nun im 2. Lehrjahr. Im Fischereiamt erwirbt Jan Evert Kenntnisse rund um Fische und Wasser, von der Fischhaltung und -verarbeitung über Bootsarbeiten und Netzeflicken bis zu physikalischen und chemischen Eigenschaften von Gewässern.

„Das würde ich nie gegen einen Bürojob tauschen“

Meist ist er hier an der Havelchaussee unterhalb der Heerstraße oder auf den umliegenden Gewässern unterwegs, wenn er nicht im sächsischen Königswartha am Blockunterricht der Berufsschule teilnimmt. Der Berliner ist einer von wenigen Quereinsteigern im Fischerberuf, die meisten der etwa 30 Berliner Fischereien sind Ein-Mann-Betriebe, die höchstens die eigenen Kinder ausbilden. Von denen gibt es allerdings immer weniger, und die Fischer werden älter. So kann es für Jan Evert auch eine Perspektive sein, einen Fischereibetrieb zu übernehmen.

„Wer Fischer werden will, sollte handwerkliche Begabung mitbringen, Naturverbundenheit und ein bisschen Boots- und Angelerfahrung“, sagt Olaf Küster, staatlicher Fischereiaufseher und Jans Ausbilder. „Und wetterfest sein.“ Das ist Jan Evert. „Es ist ein schöner Beruf, ich bin den ganzen Tag draußen. Das würde ich nie gegen einen Bürojob eintauschen wollen.“