Schließfachkunden

Opfer der Tunnelgangster streiten mit Berliner Volksbank

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Ulla Reinhard

Foto: Sergej Glanze / Glanze

Ein Jahr nach dem Einbruch warten Kunden noch immer auf ihre Wertsachen. Ihre Hilflosigkeit hat sich in Entschlossenheit verwandelt. Jetzt wollen sie demonstrieren und vor Gericht ziehen.

Beim ersten Treffen sei die Stimmung gedrückt gewesen, sagt Roland Sieben. „Wir saßen zusammen und haben uns hilflos gefühlt.“ Rund 30 Schließfachkunden der Berliner Volksbank, die beim Tunneleinbruch von Steglitz teilweise beträchtliches Vermögen verloren hatten. Knapp ein Jahr später sei vielen noch immer unklar, ob sie ihre Wertgegenstände wiedersehen oder entschädigt werden. Aber die Hilflosigkeit hat sich offenbar in Entschlossenheit verwandelt. „Die Volksbank unterstützt uns nicht“, sagt Sieben. „Und dagegen wehren wir uns.“

Demonstration zum ersten Jahrestag der Tat

Der 60-Jährige ist der Sprecher der Interessengemeinschaft Tunnelraub, die sich nach dem Einbruch in die Steglitzer Volksbank-Filiale vor einem Jahr gegründet hatte. In den vergangenen Tagen machte die Gemeinschaft, die inzwischen rund 100 Anhänger hat, mit der Ankündigung einer Demonstration Schlagzeilen. Am kommenden Dienstag wollen sich die Geschädigten des Tunnel-Coups vor der Volksbank-Filiale an der Schloßstraße versammeln und demonstrieren. An diesem Tag jährt sich der Tunneleinbruch zum ersten Mal.

Die Betroffenen werfen der Volksbank eine ganze Reihe schwerer Versäumnisse vor. Der Tresorraum, in den sich die Täter von einem selbst gegrabenen, 45 Meter langen Tunnel aus gebohrt hatten, sei nicht genügend gesichert gewesen. Es habe keine Stahlverkleidung der Wände gegeben, die Schließfächer seien nicht an die Wände montiert und Überwachungskameras im Tresorraum nicht installiert gewesen.

Zudem sei die für die Bank zuständige Sicherheitsfirma nicht angewiesen worden, wie im Falle eines Alarms vorzugehen sei. Deshalb hätten die Mitarbeiter der Firma in jener Nacht, als die Täter in die Volksbank einstiegen und dabei einen Alarm auslösten, nicht im Tresorraum nachgesehen. „Das alles ist doch unvorstellbar angesichts der Tatsache, dass dort Kunden Gegenstände im Wert von mehreren Millionen Euro aufbewahrten“, sagt Sieben.

Volksbank weist alle Vorwürfe zurück

Die Volksbank weist die Vorwürfe zurück. „Der Tresorraum war und ist sicher“, sagt Sprecherin Nancy Mönch. Die Wände bestünden aus 80 Zentimeter dickem Stahlbeton. Was das Vorgehen der Sicherheitsfirma betrifft, wolle man sich aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht äußern.

Die Beschwerden der Interessengemeinschaft beziehen sich jedoch nicht nur auf den Zeitraum vor dem Einbruch. Danach, so Sieben, habe die Volksbank es versäumt, die Rückgabe der Gegenstände angemessen zügig zu veranlassen und über eine Entschädigung zu informieren. Wie berichtet, hatten die Täter diverse Wertgegenstände und auch Bargeld in der Volksbank zurückgelassen.

Weil sie vor ihrer Flucht Feuer legten, wurde ein Teil davon zerstört oder beschädigt. Die Volksbank forderte die betroffenen Kunden auf, Listen über ihre Schließfachinhalte anzufertigen. Nur ein geringer Anteil der 294 geschädigten Kunden hatte sein Schließfach versichern lassen.

1480 Gegenstände ohne Besitzer

Roland Sieben, der in Lichterfelde einen Antiquitätenladen betreibt, hat eigenen Angaben zufolge eine Liste mit mehr als hundert Gold- und Silbermünzen und mehreren Goldbarren im Wert von mehr als 100.000 Euro aufgestellt, aber nur acht Münzen im Wert von 8000 Euro zurückbekommen. „Ich weiß immer noch nicht, ob die Barren und restlichen Münzen verschwunden oder noch im Besitz der Volksbank sind.“ Vor einiger Zeit habe ihm die Bank mitgeteilt, dass es keine Gegenstände mehr gebe, die er sich anschauen könne.

Nur weil seine Anwältin noch mal nachgehakt habe, sei ihm dann ein Ordner mit Fotos vorgelegt worden, auf denen Ohrringe und angeschmolzener Silberschmuck, aber keine Münzen zu sehen waren. Aus der Presse habe er erfahren, dass es aber noch mehr als 1000 Gegenstände gibt, die keinem Besitzer zugeordnet werden konnten. Sein Vorwurf: „Warum bekomme ich die Sachen nicht zu sehen?“

Nach Angaben der Volksbank gibt es noch 1480 Gegenstände, die nicht zugeordnet wurden. „Eine Zuordnung ist beinahe unmöglich, weil die Sachen zu beschädigt oder unspezifisch sind“, so Nancy Mönch. Unter den Gegenständen seien beispielsweise einzelne Perlen und Steine oder handelsübliche Ringe und Silberketten ohne besondere Merkmale. Fotos von Münzen und Goldbarren würde die Volksbank grundsätzlich nicht zeigen, weil diese Gegenstände nicht identifizierbar seien.

Altersvorsorge im Schließfach

„Da würde jeder Kunde sagen, das gehört mir.“ Deshalb seien zurzeit Gespräche im Gange, wie mit den übrig gebliebenen verwertbaren Sachen verfahren werde. Ein Modell sehe vor, dass die Gegenstände verkauft werden und der Erlös unter den geschädigten Kunden aufgeteilt wird. „Es ist aber eine Illusion, dass wir den Ansprüchen jedes einzelnen Kunden gerecht werden können.“

Roland Sieben und die Anhänger der Interessengemeinschaft Tunnelraub sind der Meinung, dass so eine Lösung schon längst hätte gefunden werden müssen. Außerdem verlangen sie eine Entschädigung von der Bank. „Dafür gibt es keine Grundlage, so bitter und hart sich das auch anhört“, sagt Mönch. Einige Kunden wollen laut Sieben gegebenenfalls vor Gericht ziehen. Er wird das nicht tun. „Das dauert mir zu lange und ist mir zu unsicher.“ 34 Jahre lang hatte er das Schließfach in der Volksbank gemietet. „Der Inhalt war ein Teil meiner Altersvorsorge.“