Alles am Fluss

Die Spree war einst die Lebensader der Region

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Sven Felix Kellerhoff

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Bis hinein in das 20. Jahrhundert hatte die Spree eine wichtige Funktion für die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln, Bau- und Heizmaterial. Heute ist sie eine der Hauptattraktionen Berlins.

Geblieben sind ein paar Namen: Oberbaumbrücke und Unterspree zum Beispiel oder Schiffbauer- und Mühlendamm. Die erinnern an die große Bedeutung, die jahrhundertelang die Spree für Berlin hatte. Heute ist davon nicht mehr viel zu spüren, denn der Fluss prägt die Stadt längst nicht mehr so wie etwa der Rhein bis heute Köln oder der Main Frankfurt. Dennoch war die Spree bis ins 20. Jahrhundert hinein die Lebensader der Region.

Die Gründungsgeschichte Berlins wurde lange mit dem Titel eines populären Buches zusammengefasst: „Vom Fischerdorf zur Weltmetropole“. Richtig war das allerdings nie. Zwar gab es auf dem Gebiet der heutigen Bundeshauptstadt schon vor anderthalbtausend Jahren Siedlungen wendischer, also elbslawischer Bauern und auch Fischer. Spuren davon fanden sich etwa in Spandau und Köpenick, aber auch in Marzahn und Mahlsdorf, Pankow und Treptow. Mit dem eigentlichen, dem heutigen Berlin aber hatten diese Siedlungen wenig bis nichts zu tun.

Die Spree dafür umso mehr. Ungefähr zur selben Zeit, als Albrecht der Bär aus dem Adelsgeschlecht der Askanier um 1150 die Herrschaft über die spätere Mark Brandenburg übernahm, entstanden auf dem heutigen Schlossplatz erste Bauten, darunter ein Keller und ein Brunnen. Das Areal war damals sumpfig und von mehreren kleinen Armen des Flusses eingeschlossen.

Übergänge in Spandau und Köpenick

Obwohl es flussaufwärts mit Köpenick und flussabwärts mit Spandau bewährte Übergänge gab, entstand ein Handelsweg über die Spree hinweg. Möglicherweise orientierte sich seine Lage an einer Furt des Flusses, die im trockenen 12. Jahrhundert mit einem Knüppeldamm befestigt wurde. Um 1170 herum jedenfalls existierten beiderseits des Wassers kleine Siedlungen.

Wann genau daraus die beiden Städte Cölln auf der Spreeinsel südlich des Schlossplatzes und Berlin am nordöstlichen Ufer wurden, bleibt unklar. Umstritten unter Historikern und Archäologen ist sogar, wo die erste feste Verbindung über den Fluss entstand: Am Ort der heutigen Rathausbrücke, der geografisch engsten Stelle der Spree? Oder doch am heutigen Mühlendamm, wo allerdings eine fast doppelt so große Entfernung zu überwinden gewesen wäre?

Stadtrecht im 13. Jahrhundert

Auf jeden Fall aber lag der mittelalterliche Kern des heutigen Berlins beiderseits dieses kurzen Flussabschnitts. Irgendwann in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, möglicherweise zwischen 1220 und 1230, erhielten die beiden Siedlungen mit ihren Kirchen St. Nikolai und St. Petri jedenfalls das Stadtrecht – das zeigt, dass es sich schon nicht mehr um ganz unbedeutende Ansammlungen von Häusern gehandelt haben kann.

Zu wirtschaftlichem Aufschwung führte dann ein anderes Privileg, das eng mit der Spree verknüpft war: Die Bürgerschaften erhielten das Stapel- oder Niederlagrecht. Es bedeutete, dass durchreisende Kaufleute, ob nun zu Lande oder auf dem Wasser, ihre Güter für einige Tage in Cölln-Berlin feilbieten mussten. Typischerweise führte die – meist teuer erkaufte – Verleihung eines solchen Privilegs zum Aufschwung eines Ortes als Markt. Genau das geschah auch in Berlin. Weil aber mehrere Stadtbrände nahezu alle Urkunden aus der frühesten Stadtgeschichte zerstört haben, lassen sich genau Angaben zum Zeitpunkt dieser Verleihung nicht machen.

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Fest steht: Als 1237 ein „Symeon, Pfarrer zu Cölln“ als Zeuge einer Urkunde der Markgrafen zu Brandenburg Johann und Otto benannt wurde, gab es die Doppelstadt beiderseits der Spree bereits. Sieben Jahre später war derselbe Geistliche ans andere Ufer gewechselt und tauchte nun als „Propst von Berlin“ auf. Zu dieser Zeit standen bereits die ersten großen Steinbauten, nämlich die beiden Pfarrkirchen und mindestens ein mächtiger Turm auf dem heutigen Schlossplatz.

Handelsprivileg macht die Stadt stark

Für die weitere Entwicklung besonders wichtig war der Mühlendamm. Wohl im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts entstand hier ein Stauwehr mit einem schmalen Durchlass für Schiffe, vor allem aber mit bis zu sechs wasserkraftgetriebenen Mühlen – ein einträgliches Geschäft erst für die Bürgerschaft, ab 1448 wieder für den Landesherren. Das Handelsprivileg, die verkehrsgünstige Lage und die Energie der Spree machten die Doppelstadt wirtschaftlich stark.

Doch ein offener Fluss barg auch Gefahren – er musste verschlossen werden können. Deshalb entstand wohl noch im 13. Jahrhundert eine doppelte Befestigungsanlage: im Osten auf Höhe der späteren, heute nicht mehr existierenden Waisenbrücke zwischen Märkischem Ufer und Littenstraße, im Westen etwa an der heutigen Friedrichsbrücke zwischen Bodestraße und Burgstraße.

Weil die Lücke in der Mitte mit einem langen und dicken Stamm verschlossen werden konnte, dem „Baum“, nannte man diese beiden Flusstore „Oberbaum“ und „Unterbaum“. Erst beim Ausbau der Stadtbefestigung im 18. Jahrhundert wurden die beiden Tore verlegt, zur heutigen Oberbaumbrücke und zur Kronprinzenbrücke nordwestlich des Reichstags. Das Areal flussabwärts des neuen Unterbaums bekam den Namen „Unterspree“.

Experiment als Seemacht

Zu dieser Zeit hatten die Mark Brandenburg und das daraus entstandene Königreich Preußen schon ihr erstes Experiment als Seemacht hinter sich. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm träumte von einer eigenen Marine und siedelte am Nordufer des Spreebogens einige Werften an. Doch das Vorhaben erwies sich als teure Fehlinvestition: Friedrich I. löste die königlich-preußische Marine 1711 auf, und sein Sohn Friedrich WilhelmI. verlegte die Werften flussaufwärts ans nördliche Ufer, den heutigen Schiffbauerdamm.

Ökonomisch wichtig blieb die Spree jedoch auch in den kommenden zwei Jahrhunderten. Sie wurde sogar um zusätzliche Wasserwege wie den Landwehr-, den Teltow- und den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal ergänzt. Mit Eröffnung des Osthafens 1913 und des Westhafens zehn Jahre später ergänzten zwei moderne Umschlagplätze die Wasserstraßen im Raum Berlin. Im 21. Jahrhundert hat die Spree immer noch große Bedeutung für die Stadt, vor allem als Blickfang, attraktives Attribut manchen Wohnquartiers und für die Ausflugsschifffahrt.