Berlin. Mit einer Großdemonstration in Verbindung mit einem Konzert am Brandenburger Tor mobilisieren die Initiatoren des Volksentscheids „Berlin 2030 Klimaneutral“ am Sonnabend für die am Tag darauf angesetzte Volksabstimmung. Zu der in Anlehnung an frühere Benefizkonzerte „Berlin Climate Aid“ genannte Veranstaltung werden laut Polizei etwa 35.000 Menschen erwartet, das Programm am 25. März dauert von 14 bis 20 Uhr.
Nach Angaben des Bündnisses Klimaneustart Berlin werden unter anderem die Berliner Band Element of Crime, die Musikerinnen Annett Louisan und Alli Neumann sowie Arnim Teutoburg-Weiß und Thomas Götz von den Beatsteaks auftreten. Auch der Pianist Igor Levit und Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten mit der Künstlerin Danielle de Picciotto werden erwartet. Geplant ist zudem die Aufführung von „Karneval der Tiere“ mit der Schauspielerin Nora Tschirner. Reden wollen unter anderem die Klimaaktivistin Luisa Neubauer (Fridays for Future), Nachhaltigkeitsexpertin Maja Göpel sowie Initiatoren von Klimaneustart Berlin.
Kurzfristig suchen Bezirkswahlämter noch 500 Wahlhelfer
Die Prominenten stellen sich hinter das Ziel des Volksentscheides, das in der ersten Stufe des Verfahrens auch mehr als 260.000 Berliner mit ihrer Unterschrift unterstützt hatten: Berlin soll schon 2030 und nicht erst wie bisher vom Senat angestrebt 2045 klimaneutral werden. Dafür soll das Energiewendegesetz des Landes geändert werden. Die dort genannten Ziele zur Senkung der Kohlendioxidemissionen wollen die Initiatoren in Verpflichtungen umwandeln. Und natürlich soll die nötige Reduktion der Klimagase um 95 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 deutlich früher erfolgen. Bei 95 Prozent weniger Kohlendioxid wäre Klimaneutralität erreicht, weil Bäume, Moore und sonstige Senken einen Teil des Gases direkt in Berlin wieder aufnehmen.
Der Volksentscheid ist dann erfolgreich, wenn eine Mehrheit der Teilnehmenden mit Ja stimmt. Gleichzeitig ist dabei ein Teilnahmequorum von 25 Prozent vorgeschrieben. Insgesamt müssen dafür rund 608.000 Ja-Stimmen eingehen. Die Initiatoren wollten die Abstimmung eigentlich parallel zu den Wiederholungswahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 12. Februar stattfinden lassen, um eine höhere Beteiligung sicherzustellen. Dieser Plan war aber an Bedenken des Landeswahlleiters gescheitert. Stephan Bröchler wollte nach den schweren Pannen von 2021 den zweiten Wahlversuch keinesfalls gefährden. So sind 2,4 Millionen Wahlberechtigte am 26. März zum zweiten Mal binnen sechs Wochen zu den Urnen gerufen.
Dabei werden kurzfristig noch Wahlhelfer gesucht. Die Bezirkswahlämter verzeichneten zahlreiche kurzfristige Absagen, teilte die Landeswahlleitung am Montag mit. Eine größere Anzahl von Vorstehern und Schriftführern fehlt zudem in Charlottenburg-Wilmersdorf, Treptow-Köpenick und Lichtenberg. Landeswahlleiter Stephan Bröchler sprach von etwa 500 Menschen, die nun noch gesucht würden. Insgesamt sollen rund 25.000 Wahlhelfer im Einsatz sein.
Interesse an Klima-Wahl deutlich höher als bei früheren Volksentscheide
Das Interesse an der Abstimmung ist rege. Inzwischen sind bereits mehr als 433.200 Abstimmungsscheine ausgestellt worden. Sie sind die Voraussetzung für eine Abstimmung per Brief. Nach offiziellen, regelmäßig online veröffentlichten Daten der Landeswahlleitung ist die Zahl innerhalb einer Woche um rund 60.800 gestiegen. Damit könnte fast ein Fünftel (17,8 Prozent) der Stimmberechtigten bei dem Volksentscheid auf dem Postweg abstimmen. Nach Angaben des Vereins Mehr Demokratie liegt das Interesse an Briefwahl diesmal deutlich höher als bei früheren Volksabstimmungen in Berlin.
Die Politik in der Stadt tut sich schwer, mit dem Entscheid umzugehen. Zwar werben die Sozialdemokraten vereinzelt auf den Straßen für ein Nein, eine größere Kampagne ist aber im Stadtbild nicht zu sehen. Nur die grünen Plakate der Befürworter werben an vielen Orten für ein Ja. Die Zurückhaltung der Politik liegt an den Eigenheiten des Volksentscheids.
Der rot-grün-rote Senat hat sich in einer offiziellen Stellungnahme zum Volksentscheid gegen die Änderung des Gesetzes ausgesprochen. Er hält es nicht für realistisch, Klimaneutralität in Berlin schon bis 2030 zu erreichen. Diese Einschätzung teilen die meisten Experten. Die noch zu mindestens 80 Prozent an fossilen Brennstoffen hängende Energieversorgung der Stadt könne nicht in sechseinhalb Jahren komplett auf erneuerbare Quellen umgebaut werden, sind sie überzeugt.
Volksentscheid Berlin klimaneutral 2030: alle Infos in der Übersicht
Name |
Volksentscheid über ein klimaneutrales Berlin ab 2030 |
Ort | Berlin |
Termin | 26. März 2023 |
Zeitraum | 8 bis 18 Uhr |
Wahlberechtigte | 2.431.772 Personen |
Wahlvoraussetzung | in Berlin gemeldet, über 18 Jahre, deutsch |
Erforderliche Ja-Stimmen | 608.000 Stimmen |
Inzwischen sind aber die Grünen und die Linken von der damals in Regierungsfunktion formulierten Meinung abgerückt. Die Grünen werben inzwischen offensiv bei ihren Anhängern um ein Ja. Einzelne Sozialdemokraten sind auf der Straße, um Menschen zum Nein-Sagen zu bringen, so am Wochenende in Lichterfelde-West. Die Jungsozialisten wiederum unterstützen den Volksentscheid. Wahlsiegerin CDU hält sich zurück, wirbt nur in interner Kommunikation unter Mitgliedern dafür, teilzunehmen und mit Nein zu stimmen.
Experten glauben nicht an Umsetzung, aber ans Signal
Experten, die wissen, dass das 2030-Ziel unrealistisch ist, wollen dennoch mit Ja stimmen, um das politische Signal auszusenden, dass eine mögliche neue Koalition Tempo machen muss beim Klimaschutz. Andere Städte in Deutschland und Europa haben das 2030-Ziel für sich festgelegt. In den wenigsten Fällen ist es dort aber in einem Gesetz festgelegt.
Zur Meinungsbildung beitragen möchte der Verein Mehr Demokratie. Er lädt am Mittwochabend zur einzigen größeren Diskussionsveranstaltung über den Volksentscheid ein. Debattieren werden Grünen-Fraktionschef Werner Graf, Prof. Bernd Hirschl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, der CDU-Umweltpolitiker Danny Freymark, Christoph Deimel von der Architektenkammer und Jessamine Davis, Sprecherin von Klimaneustart. Die Teilnahme ist online möglich unter mehr-demokratie.de.