Karlsruhe. Das Berliner Landgericht will das Verfassungsgericht über den Mietendeckel entscheiden lassen. Dort war ein Eilantrag gescheitert.
Das Landgericht Berlin hat in einem Berufungsverfahren die Auffassung vertreten, dass die gesetzlichen Vorschriften des Berliner Mietendeckels formell verfassungswidrig sind. Die 67. Zivilkammer des Gerichts habe deshalb beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht das strittige Mieterhöhungsklageverfahren des Amtsgericht Spandaus vorzulegen, heißt es in einer Mitteilung der Berliner Zivilgerichte vom Donnerstag.
In dem Fall, den nun die obersten Richter in Karlsruhe entscheiden sollen, hatte das Spandauer Amtsgericht die beklagten Mieter zur Zustimmung zu einer Mieterhöhung von 895,00 Euro auf 964,61 Euro mit Wirkung ab dem 1. Juni 2019 verurteilt. Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung haben sich die Mieter auf den im Verlaufe des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen Berliner Mietendeckel berufen und geltend gemacht, der mit der klagenden Vermieterin geschlossene Mietvertrag unterliege dem Mietenstopp.
Das Landgericht jedoch hält die gesetzlichen Vorschriften des Mietendeckels für formell verfassungswidrig, da dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz fehle. Aus diesem Grund erfolge die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht. Im Falle der Verfassungsgemäßheit des Mietendeckels, so die Kammer weiter, könnten sich die Mieter auf den dort angeordneten Mietenstopp berufen. „Eine schallende Ohrfeige für #r2g!“ twitterte in einer ersten Reaktion Berlins CDU-Landeschef Kai Wegner.
Berliner Vermieter unterliegen vor dem Bundesverfassungsgericht
Unterdessen haben sechs Berliner Vermieter vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Niederlage erlitten. Das oberste Gericht der Bundesrepublik lehnte ihren Eilantrag gegen den Berliner Mietendeckel ab, wie das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag mitteilte. Die Antragsteller, die Wohnungen in Berlin vermieten, wollten erreichen, dass die Verletzung von bestimmten Auskunftspflichten und Verboten zur gesetzlich bestimmten Höchstmiete vorläufig nicht als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro.
Die Nachteile aus der vorläufigen Anwendung der Bußgeldvorschriften seien zwar von besonderem Gewicht, sollte sich das Gesetz als verfassungswidrig erweisen, hieß es in dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss der dritten Kammer des Ersten Senats vom Dienstag. „Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Bußgeldvorschriften außer Kraft träten, sich das Gesetz aber später doch als verfassungsgemäß erweisen würde“, so die weitere Begründung (BVerfG 1BvQ15/20).
Das Bundesverfassungsgericht lehnte einen weiteren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab und nahm eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Keinen Zweifel ließ die Kammer jedoch daran, dass die von den Vermietern vorgetragene Verfassungsbeschwerde „weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet“ sei. Denn: „Die Frage, ob das Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz für die hier umstrittenen Regelungen zu Mietobergrenzen besaß, muss als offen bezeichnet werden“.
Mieterverein sieht die erste Hürde genommen
Der Berliner Mieterverein wertet die Entscheidung der Richter als Hinweis auf die rechtliche Haltbarkeit des umstrittenen Gesetzes, mit dem das Land Berlin juristisches Neuland betritt. „Wir begrüßen den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes, dem Eilantrag von Vermietern auf vorläufige Außerkraftsetzung von Teilen des Mietendeckelgesetzes nicht stattzugeben“, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. „Der Berliner Mietendeckel hat damit eine erste Hürde genommen“. Die Vermutung der Verfassungsrichter wie auch der antragstellenden Vermieter ist eindeutig: Ohne die Bußgeldvorschriften sei damit zu rechnen, dass sich die Vermieter nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten würden. „Unmissverständlicher kann man sich nicht über die Gesetzestreue von Wohnungsanbietern äußern“, so Wild weiter.
Gänzlich anders bewertete der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) die Entscheidung der obersten Richter. „Auch nach der heutigen Ablehnung der Eilanträge bleibt die Rechtsunsicherheit für Hunderttausende Vermieter und Mieter bestehen“, betonte Andreas Ibel, Präsident des BFW. Denn der Beschluss beinhalte noch keine Aussage zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des vom Berliner Senat erarbeiteten Gesetzes. „Die heutige Ablehnung der Eilanträge gegen den Mietendeckel durch das Bundesverfassungsgericht trifft keine endgültige Aussage darüber, ob der Deckel verfassungsgemäß ist oder nicht“, so Ibel. Auch die Frage, ob das Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz für den Mietendeckel besitze, sei nach wie vor offen. „Wir sind davon überzeugt, dass das Land Berlin mit dem Gesetz offenen Verfassungsbruch begeht. Der Berliner Senat stellt Ideologie über das existierende Rechtssystem“, so Ibel.
Mietendeckel trat Mitte Februar in Kraft
Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Linke) bezeichnete die Entscheidung des Gerichts, die Eilanträge abzulehnen, als wenig überraschend. „Wir gehen weiterhin davon aus, dass das vom Senat und dem Abgeordnetenhaus von Berlin erarbeitete Gesetz, auch künftigen Überprüfungen im Wesentlichen standhalten wird“, sagte Lompscher.
Der vom Abgeordnetenhaus beschlossene Mietendeckel war Mitte Februar in Kraft getreten. Danach werden die Mieten zunächst auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren und dürfen ab 2022 höchstens um 1,3 Prozent jährlich steigen. Ausgenommen sind unter anderem Neubauwohnungen, die ab 1. Januar 2014 bezugsfertig wurden. Auch CDU und FDP im Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus hatten angekündigt, nach Karlsruhe zu gehen. Sie wollen das Landesgesetz mit einer Normenkontrollklage zu Fall bringen. Bis zu einer Entscheidung müssen sich die Vermieter an den Mietendeckel halten.
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