DGB-Kundgebung

1. Mai in Berlin: Franziska Giffey mit Ei beworfen

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Isabell Jürgens
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey wurde am 1. Mai 2022 in Berlin bei ihrer Rede mit einem Ei beworfen.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey wurde am 1. Mai 2022 in Berlin bei ihrer Rede mit einem Ei beworfen.

Foto: AFP

Schrecksekunde für die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey: Bei ihrer Rede wird sie mit einem Ei beworfen.

Berlin. Erst ging die Rede von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bei der Abschlusskundgebung der großen, vom deutschen Gewerkschaftsbund DGB organisierten Demonstration zum Tag der Arbeit vor dem Brandenburger Tor in Buh-Rufen und Pfiffen unter. Schließlich flog auch noch ein Ei in Richtung Giffey, das nur dank des schnellen Reaktionsvermögens ihres Bodyguards an einem aufgespannten Regenschirm zerschellte. Ihre Rede brach Franziska Giffey daraufhin ab.

Zuvor hatte die Regierende Bürgermeisterin minutenlang versucht, gegen die schrillen Töne anzukommen. Sie dankte allen Berlinerinnen und Berlinern, die während der Corona-Krise unter schwierigen Bedingungen weiter ihre Arbeit getan hätten. Ihnen sei es zu verdanken, dass das Land gut durch die Krise gekommen sei. „Gute Arbeit verdient faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen“, sagte sie. Der Senat leiste seinen Anteil durch Erhöhung des Landesmindestlohns auf 13 Euro.

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Diese Botschaft kam aber wohl nur bei den wenigsten an. Aus der Menge wurde lautstark gefordert, den Volksentscheid zur Enteignung von großen Wohnungsunternehmen umzusetzen. Beschimpfungen und Pfiffe kamen vorwiegend aus dem „Klassenkämpferischen Block“, in dem rund 300 Mitglieder von linken und sozialistischen Gruppen an der DGB-Demonstration teilnahmen.

Auch der DGB-Chef wird von Protestrufen unterbrochen

Die DGB-Bezirksvorsitzende Katja Karger sprang Giffey nach dem Eierwurf bei und bedankte sich dafür, dass diese an der DGB-Demonstration teilgenommen habe. „Es ist eine große Ehre für uns, dass Berlins Regierende Bürgermeisterin bei uns auf der Bühne spricht. Kritik ist wunderbar. Aber das muss zivilisiert erfolgen“, so Karger, die ihre Rede noch einigermaßen störungsfrei hatte halten können. Karger forderte vom Senat mehr Unterstützung angesichts der steigenden Energiekosten. Anders als die Unternehmen könnten die Beschäftigten die steigenden Kosten nicht einfach weiterreichen. Zudem wolle die Gewerkschaft darauf achten, dass es bei den vom Senat versprochenen 20.000 Neubauwohnungen pro Jahr um „soziale Wohnungen geht“.

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Anschließend ging der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, auf den Krieg in der Ukraine ein. Hoffmann warnte davor, den Militärhaushalt dauerhaft aufzustocken und den Sozialstaat zu vernachlässigen. „Deshalb sagen wir heute klar und deutlich Nein zu einer massiven Aufrüstung“, so Hoffmann. „Wir brauchen dieses Geld für Zukunftsinvestitionen in die Transformation. Und wir brauchen es für die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaats.“ Militärische Friedenssicherung dürfe nicht zulasten des sozialen Friedens gehen.

Als Hoffmann den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilte, kam es zu lautstarken Protestrufen aus der Menschenmenge heraus, auf die der DGB-Bundesvorsitzende jedoch nicht näher einging. Der Gewerkschafter kritisierte zudem das Entlastungspaket der Ampel-Koalition gegen die stark steigenden Energiepreise. Dieses sei richtig, aber nicht ausreichend. Rentner müssten einbezogen und arme Menschen stärker entlastet werden, forderte Hoffmann in seiner immer wieder gestörten Ansprache.

Für gerechte und soziale Zukunft in der Arbeitswelt

Dabei hatte am Sonntagmorgen zunächst alles friedlich begonnen. Um 10 Uhr hatte sich der DGB-Aufzug am Alexanderplatz formiert. Nach zwei Jahren, in denen größtenteils nur digital demonstriert wurde, waren viele Teilnehmer sichtlich froh, endlich wieder für eine gerechte und soziale Zukunft in der Arbeitswelt auf die Straße gehen zu können. Die Polizei zählte rund 7500 Teilnehmer, die am Demonstrationszug vom Alexanderplatz bis vor das Brandenburger Tor teilnahmen.

Viele Teilnehmer hatten aufwendig gestaltete Transparente dabei, auf einem von der IG Metall organisierten Anhänger war zudem Roland Busch, CEO der Siemens AG, aus Pappmaché zu sehen, wie er gerade dabei ist, das Dynamowerk, den ältesten Fertigungsstandort in der Siemensstadt, zu sprengen. „Wir wehren uns gegen die Herauslösung in eine GmbH“, erklärte Betriebsrat Daniel Karge. Zu den Demonstranten zählten auch Nancy und ihre kleine Tochter Leonie. Die BSR-Müllwerkerin und ihre Tochter, beide in BSR-orangen T-Shirts, schoben eine Mülltonne vor sich her. „Wir demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen“, sagte die 31-Jährige. „Wichtig ist mir aber auch, dass unsere Arbeit mehr Wertschätzung in der Gesellschaft erfährt“, sagte die Mitarbeiterin der Berliner Stadtreinigung.

Die Regierende Bürgermeisterin selbst gab sich am Nachmittag beim Besuch der Feuerwache an der Wiener Straße in Kreuzberg unbeeindruckt von Anfeindungen und Eierwurf. „Es war kein wirklicher Abbruch, sondern nur eine verkürzte Verabschiedung“, sagte Franziska Giffey. Sie sei mit ihrer Rede „ohnehin am Ende“ gewesen.