Berlin. Aufgrund starker Kritik an Rammstein will Innensenatorin Spranger Aftershowpartys der Band verbieten. Grüne prüfen rechtliche Schritte.
Rammstein steht massiv unter Druck: Sänger Till Lindemann wird beschuldigt, Frauen gezielt bei Konzerten ausgewählt und mit diesen gegen ihren Willen Sex gehabt zu haben. Die Vorwürfe erreichen die Band am Anfang ihrer Europatour, die auch drei Konzerte in Berlin vorsieht. Am 15., 16. und 18. Juli soll Rammstein im Olympiastadion auftreten. Aufgrund der Anschuldigungen gibt es nun harsche Reaktionen aus Berlin.
Innensenatorin Spranger verbietet Aftershowparty
Am Mittwochnachmittag schaltete sich auch Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) in die Diskussion ein und kündigte an, dass es in ihrem Verantwortungsbereich keine Aftershow-Partys von Rammstein geben werde – das Land Berlin ist Eigentümer des Olympiastadions. „Es gilt die Ermittlungen abzuwarten, aber die Vorwürfe wiegen so schwer, dass Schutz und Sicherheit der Frauen absoluten Vorrang haben“, teilte Spranger auf Twitter mit.
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Laut dem Sprecher der Olympiastadion Berlin GmbH seien solche Partys im Vertrag mit der umstrittenen Band ohnehin nicht vorgesehen. Für ein Awareness-Konzept sei zudem der Veranstalter MCT Agentur GmbH zuständig, der sich auf Anfrage dieser Redaktion jedoch bisher nicht zurückmeldete.
Die Sicherheit im Stadion wird laut Polizei vom Veranstalter garantiert, während die Einsatzkräfte außerhalb agieren. Ob die Vorwürfe gegen Rammstein bei der Einsatzplanung eine Rolle spielen? Gegebenenfalls, so eine Sprecherin auf Anfrage der Berliner Morgenpost. Dazu könnten aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Aussagen gemacht werden. „Sollten Gefahren im Stadion entstehen, greift die Polizei ein.“
Berliner Politik sieht keine Handhabe für Konzert-Absagen
Doch gehen die Reaktionen so weit, dass eine Konzert-Absage im Raum steht? In der Politik wird das klar abgelehnt. „Für ein Verbot der Berliner Konzerte besteht momentan aufgrund der Unschuldsvermutung kein Anlass und auch rechtlich ist das eher schwierig“, erklärt die kulturpolitische Sprecherin der SPD im Abgeordnetenhaus, Melanie Kühnemann-Grunow. „Auch das Konzert Rogers Walters durfte trotz der Antisemitismusvorwürfe in Frankfurt stattfinden“, merkt sie an.
„Es gibt keine Handhabe für ein Verbot“, ergänzt ihr Kollege aus der CDU-Fraktion, Robbin Juhnke. „Wir leben nicht in einem Obrigkeitsstaat.“ Er fände es außerdem bedenklich, aus einer moralischen Empörung heraus zu agieren. Die Vorwürfe müssten zunächst juristisch bewertet werden, ohne dass die Politik vorgreife.
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Noch deutlicher drückt sich die AfD aus: „Die medialen Vorverurteilungen sind der Versuch, moralische Befindlichkeiten über das Recht zu stellen“, sagt Robert Eschricht, der bei der in Teilen rechtsextremistischen Partei für das Themenfeld Kultur zuständig ist. „Staatliche Verbote von Kulturveranstaltungen lehnen wir als Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Kunstfreiheit ab.“
Grüne planen rechtliche Schritte
Die Grünen kündigen an, die Vorgänge weiter aufmerksam zu beobachten. Crew-Mitglieder und Musikerinnen und Musiker sollten ihre Verantwortung ernst nehmen und sich zu einem Verhaltenskodex verpflichten. „Insbesondere beim anstehenden Rammstein-Konzert ist die Sorge absolut berechtigt“, so Daniela Billig, Sprecherin für Kultur bei der Grünenfraktion. „Wir befinden uns derzeit noch in der Prüfung aller juristischen Möglichkeiten, um dagegen vorzugehen.“ Damit sei beispielsweise gemeint, mit Hilfe der Mietverträge Awareness-Teams zur Bedingung für die Show zu machen, wie der Fraktionssprecher erklärt. Bislang gebe es dahingehend keine Verpflichtungen.
Auch die kulturpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Manuela Schmidt, fordert eine klare Haltung der Band. Diese hatte die in den Tagen nach Bekanntwerden der Anschuldigungen ein Statement herausgegeben, in dem sie jede Art von Übergriffigkeit verurteilt und beteuert hat, die Vorwürfe sehr ernst zu nehmen. Darüber hinaus rief Rammstein seine Fans dazu auf, sich „nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber [zu beteiligen], die die Anschuldigungen erhoben haben“, wie es in einem Statement heißt. Die dpa berichtet aus dem Umfeld der Band, dass sich diese in einer Art Schockstarre befinde.

Für Schmidt ist allerdings wichtig, beim Fall Rammstein nicht zu vergessen, dass das Thema Gewalt gegen Frauen ein gesamtgesellschaftliches und nicht nur auf den Kulturbetrieb zu begrenzen sei. Für Letzteres sei es notwendig, Awareness-Konzepte zu entwickeln. „Die Olympiastadion Berlin GmbH muss Konsequenzen ziehen“, fordert sie vom Betreiber des Veranstaltungsorts. Eine sogenannte Row Zero, also der Bereich vor der Bühne, aus dem Frauen für den Backstage-Bereich ausgesucht werden, dürfe es nicht geben. „Es braucht geschützte Räume.“
Berliner Tätowiererin bietet kostenlose Entfernung von Rammstein-Tattoos an
In der Berliner Zivilgesellschaft rufen die Anschuldigungen gegen Rammstein teils drastische Reaktionen hervor: Die Tätowiererin Mila Loba hat in einem Instagram-Beitrag angeboten, Rammstein-Tattoos kostenlos oder gegen eine Spende zu überzeichnen.

Die Einnahmen sollen ihrer Aussage nach an Organisationen gehen, die sich gegen Gewalt gegen Frauen einsetzen. Welche genau, sei noch nicht klar. „Ich versuche gerade Input zu sammeln, welche Organisationen am besten wären“, so Loba gegenüber der Berliner Morgenpost. Bislang habe sie aber noch kein Tattoo überzeichnet und daher noch keine Spendeneinnahmen.
Nur ein paar Wenige hätten sich über die Aktion aufgeregt, die Reaktionen seien überwiegend positiv ausgefallen. „Ich dachte, das hält sich in meinen Kundenkreisen, ist aber total explodiert“, zeigt sie sich überrascht über die Wellen, die ihr Beitrag geschlagen hat. Hunderte Anfragen hätten sie erreicht. Dabei sei sei komplett ausgebucht.
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