Berlin. Anja Idehen ist Restauratorin. Sie arbeitet ebenso an Gemälden wie Denkmälern, erstellt Gutachten und prüft, ob Signaturen echt sind.
„Viele Menschen haben eine sehr romantische Vorstellung von dem, was diesen Beruf ausmacht“, sagt Anja Idehen. Die 31-Jährige ist Diplom-Restauratorin – und weiß, dass es mit dem Reinigen, Retuschieren und Freilegen von Gemälden nicht getan ist. „Im Bereich der Baudenkmalpflege heißt es auch mal schwere Mörteleimer schleppen, auf Gerüsten stehen und stundenlang über Kopf arbeiten und Farbschichten abkratzen“, erklärt die Freiberuflerin.
Zu Idehens Aufgaben gehört es aber auch, „restauratorische Befunduntersuchungen“ samt Gutachten für die Denkmalschutzbehörde zu erstellen. „Aufgrund meiner Empfehlung wird dann entschieden, ob eine historische Farbgestaltung in einem Treppenhaus erhalten werden kann.“ Auch ob die Gestaltung für die Nachwelt dokumentiert werden soll, beurteilt die Behörde nach ihrem Gutachten.
Und das mit den alten Gemälden macht auch einen Teil ihrer Arbeit aus: Mithilfe von chemischen und physikalischen Prüfverfahren kann Idehen zum Beispiel erkennen, ob eine Signatur gefälscht wurde. „Spätere Übermalungen werden dabei nämlich sichtbar“, erklärt sie.
Im Malkursus entstanden neue Zukunftspläne
Schon als Kind habe sie gewusst, dass sie „irgendwas mit Kunst machen“ wolle, erzählt die gebürtige Dresdnerin. Damals war sie mit ihren reisebegeisterten Eltern in aller Welt unterwegs. Die Vielfalt der Kulturen habe ihr Interesse für Kunst geweckt, sagt Idehen.
Doch ihre Mutter riet ihr davon ab, freie Malerei zu studieren. „Da es sehr schwer sein würde, damit Geld zu verdienen.“ Während einer Afrikareise besuchte die damals 17-Jährige dann in Senegal einen Aquarellkursus der deutschen Künstlerin Eva Sol. „Sie erkannte meine Leidenschaft für Kunst und brachte mich aber auf die Idee, Restauratorin zu werden.“
Ein Film gab den Ausschlag
Etwa zu dieser Zeit sah Anja Idehen den Film „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“. „Ich war völlig fasziniert“, erinnert sie sich. „Der Film zeigte die Malerei und das Herstellen von Farben aus verschiedenen Pigmenten auch als Handwerk. Mein Entschluss, Restauratorin zu werden, stand danach fest.“ Ihre Eltern unterstützten ihren Berufswunsch. „Sie fanden den Beruf handfest.“
Für das Studium in Dresden musste Anja Idehen zunächst ein zweijähriges Vorpraktikum bei einem Restaurator absolvieren. „Das Vorpraktikum war so eine Art Volontariat, bei dem ich sehr viel gelernt habe“, sagt die 31-Jährige.
Know-how im Vorpraktikum erworben
Beim Diplom-Restaurator Uwe Gulde-Neumeister durfte sie bald viele Arbeiten an Gemälden selbstständig ausführen. „Ich habe mir während dieser Zeit ein großes Know-how angeeignet, von dem ich dann Jahre später wieder sehr profitieren sollte.“
Anja Idehen wohnte damals noch bei ihren Eltern in Dresden. „Ich wollte aber auf jeden Fall nach Berlin.“ Zusammen mit ihrem Lebenspartner zog sie nach Schöneberg. An der Fachhochschule Potsdam studierte sie ab 2006 weiter: Restaurierung im Fachbereich „Wandmalerei und Architekturfassungen“.
Noch während der Studienzeit heiratete Idehen, 2008 wurde ihre Tochter geboren. „Ich bin dankbar, dass ich früh Mutter geworden bin“, sagt sie. „Ein Kind bringt Struktur in den Alltag. Ich war so gezwungen, sehr effektiv zu arbeiten.“ Mittlerweile sind die Schöneberger zu viert. Ihr Sohn ist drei Jahre alt.
Studium an der Fachhochschule
Ihre Diplomarbeit schrieb Anja Idehen im Jahr 2012 über den Steinputz im Pergamonmuseum. „Restaurierung war damals noch ein Diplom-Studiengang“, erzählt sie. „Heute muss man sich an der Fachhochschule im Studiengang Konservierung und Restaurierung für eine Studienrichtung entscheiden. Man kann zwischen Holz, Metall, Stein und Wandmalerei wählen.“
Als junge Mutter konnte sie von ihrer Erfahrung als Gemälde-Restauratorin profitieren. „Ich konnte so vermeiden, auf Montage gehen zu müssen. Viele Projekte in der Baudenkmalpflege sind ja mit längeren Aufenthalten außerhalb Berlins verbunden. Mit zwei kleinen Kindern ist das schwierig.“
Aus dem Kellerraum ins schicke Atelier
Gleich nach dem Studium machte sich die Restauratorin selbstständig. Anfangs habe sie noch in einem Kellerraum ihres Mietshauses gearbeitet. Schon damals suchte Idehen aber nach einer festen Adresse für ihr Handwerk. Immer wieder sei sie an dem Atelier des Vergolders und Fassmalers Michael Janowski in Friedenau vorbeigekommen. „Eines Tages traute ich mich, ihn anzusprechen, und erzählte ihm von meinem Anliegen. Ich dachte damals schon, dass sich unsere Arbeit wunderbar ergänzen könnte.“
Um sie „auszuprobieren“, habe ihr Michael Janowski, der auch Bilder rahmt, erste Aufträge vermittelt. Seit Juni 2015 bilden die beiden eine Ateliergemeinschaft. Gerade haben sie die aufwendige Restaurierung eines prächtigen Mietshaus-Vestibüls in Friedenau fertiggestellt. „Dabei haben wir auch historische Wandgemälde, die die vier Jahreszeiten darstellen, restauriert. Ihre Farben leuchten jetzt wieder“, schwärmt Idehen.
Sie mag es, „das Schöne (zu) bewahren“. So hat sie auch ihre Internetseite genannt. Und wie sieht sie ihre Zukunft? „Das Geschäft läuft gut“, sagt Idehen. „Ich würde mich aber gerne noch in Kunstgeschichte weiterbilden, denn das kam während des Studiums etwas zu kurz.“