Berlin. Raul De val Núnez hat seine Heimat Spanien wegen fehlender Perspektiven verlassen. Der Bauzeichner sah für sich auf Dauer keine Chance auf dem heimischen Arbeitsmarkt. Die Wirtschaftskrise 2008 hatte sein Land hart getroffen. Die Arbeitslosenrate war sprunghaft angestiegen – und auch De val Núnez wurde nach zwei Jahren im Beruf arbeitslos.
Wie viele andere wagte der junge Bauzeichner den Sprung ins europäische Ausland. Doch es dauerte noch einige Jahre, bis der junge Spanier die Chance bekam, sich beruflich neu zu orientieren. Mithilfe eines Förderprogramms für Erwachsene startet er jetzt in Berlin durch.
Übernahme ist schon abgemacht
„Erwachsenengerechte Ausbildung“, kurz EGA, heißt das von der Bundesagentur für Arbeit und vom Land Berlin geförderte Modellprojekt, an dem der 33-Jährige teilnimmt. Er steht bereits am Ende seiner 28-monatigen Ausbildung als Zerspanungsmechaniker. Die Übernahme durch seinen Praktikumsbetrieb ist schon abgemacht.
„Ich habe mein Ziel endlich erreicht“, sagt De val Núnez. Er ist glücklich, dass er jetzt dauerhaft in der Berufswelt angekommen ist. Und das Wissen aus seiner ersten Ausbildung hilft ihm sogar dabei: Für einen gelernten Bauzeichner sei es leicht, Konstruktionszeichnungen für Maschinenteile, die er herstellen soll, zu verstehen, findet er.
Erst nach London, dann nach Berlin
„Als ich während der Wirtschaftskrise in Spanien arbeitslos wurde und auch nach zwei Jahren noch keine Arbeit gefunden hatte, beschloss ich, Madrid zu verlassen“, erzählt der 33-Jährige. „Ich ging nach Großbritannien und wollte besser Englisch sprechen lernen, um so meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.“ Ein halbes Jahr lebte er in London, besuchte Sprachkurse und verdiente sich beim Jobben ein wenig Geld dazu.
Doch die Sehnsucht nach seiner damaligen Freundin, die in Madrid geblieben war, wurde immer größer. „Wir wollten zu der Zeit auf jeden Fall wieder zusammenleben“, sagt De val Núnez. „Wir sind dann nach Berlin gekommen. Ich hatte die Stadt schon als Tourist kennengelernt und wusste, dass man hier relativ günstig leben kann. Die Mieten sind nicht so hoch.“
Lange Fahrtzeit macht ihm nichts aus
In Berlin angekommen, kümmerte er sich zuerst um seine Sprachkenntnisse und belegte mehrere Deutschkurse. Das Geld dafür verdiente er mit Jobs als Reinigungskraft, Verpacker in einer Fleischerei und als Kellner. Mehrfach ist der Spanier schon umgezogen, doch dem Konzept der Wohngemeinschaft ist er treu geblieben. Derzeit wohnt er in Neukölln in einer Zweier-WG.
Raul De val Núnez fühlt sich wohl in dem Bezirk. Die tägliche Fahrzeit von etwa einer Stunde zum Praktikumsbetrieb in Hellersdorf oder zum ebenfalls im Osten der Stadt ansässigen Bildungsträger QE&U (Qualifizierungsgesellschaft für Energie- und Umwelttechnik) sieht er nicht als Belastung. „Ich gehe eben einfach früh ins Bett“, sagt er und lacht. In der Freizeit trifft man den 33-Jährigen oft im Schwimmbad. Er erkundet mit dem Rad die Stadt oder geht aufs Tempelhofer Feld. Er genieße den Weitblick und die „vielen jungen Leute“, erzählt er.
Raul bekommt viel Lob vom Chef
Die deutsche Sprache aber findet der Spanier „ganz schön schwer“. Wegen seines Akzents und mancher „merkwürdiger Wörter“ werde er von seinen Mitschülern in der Qualifizierungsmaßnahme schon einmal ausgelacht. „Ich weiß, dass es nicht böse gemeint ist“, sagt er. Mitlachen geht aber dennoch nicht immer.
Doch davon abgesehen ist er mit seiner Ausbildung sehr zufrieden. Das beruht auf Gegenseitigkeit: Jochen Papendorf, Geschäftsführer seines Praktikumsbetriebs FMW Diehl, sagt über ihn: „Raul ist pünktlich, höflich und lernwillig. Er passt gut in unseren Betrieb, in dem es familiär zugeht.“
Zurück in den Lernmodus war eine Herausforderung
De val Núnez’ Mitschüler in der Fördermaßnahme sind in seinem Alter. Viele haben wie er auch schon eine Berufsausbildung gemacht, erzählt der 33-Jährige. „Wir sind auf demselben Level.“ Wieder in den Lernmodus zu wechseln, sei allerdings eine Herausforderung gewesen. „Meine letzte Ausbildung war ja schon Jahre her.“
So wie ihm geht es vielen jungen Erwachsenen, die einen Neustart im Berufsleben wagen. Deshalb gehört zum Projekt EGA eine dreimonatige Einführungsphase. Dabei werden etwa die Grundkenntnisse in Deutsch und Mathe aufgefrischt.
Bildungsträger stellte ihm Coach zur Seite
„Ich hatte Glück, dass mir mein Arbeitsvermittler im Jobcenter vom EGA-Projekt erzählt hat“, sagt Raul De val Núnez. Für ein Studium fühlte er sich schon zu alt. Aus den insgesamt elf Ausbildungsangeboten des EGA-Projekts entschied sich De val Núnez für den Zerspanungsmechaniker beim Bildungsträger QE&U.
Das computergestützte Einrichten und Programmieren von Dreh- und Fräsmaschinen gefällt ihm. Wenn ihm dennoch einmal Zweifel kommen, ob er die Ausbildung schafft, spricht er mit seinem Coach, den ihm der Bildungsträger zur Seite gestellt hat. „Sie riet mir, ruhig zu bleiben“, erzählt Raul De val Núnez. „Dann würde ich es auch schaffen.“ Und bis jetzt habe sie immer recht behalten.
Informationen zum Projekt EGA
Im Rahmen der Erwachsenengerechten Ausbildung – EGA können Arbeitslose bis maximal 40 Jahre durch Vermittlung des Jobcenters in verschiedenen Berufen ausgebildet werden. Die Ausbildungen dauern zwischen 24 und 28 Monaten, und die Bandbreite reicht vom Fachinformatiker über den Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik bis hin zu Hotelkaufleuten.
In einem Auswahlverfahren werden die persönlichen Stärken und fachlichen Kompetenzen erarbeitet. In der dreimonatigen Vorbereitungsphase wird unter anderem Wissen aufgefrischt, die Berufswahlentscheidung gefestigt, ein Praktikum absolviert. Die Teilnehmer bekommen einen Coach zur Seite gestellt.
In der eigentlichen Ausbildung wird in Qualifizierungs- und Ausbildungszentren das berufliche Grundwissen in Theorie und Praxis erlernt sowie Fertigkeiten und Fähigkeiten trainiert, bevor es in die duale Phase mit verschiedenen Praktikumsunternehmen geht.