Arbeitsplätze

Darum sind Coworking-Spaces gerade für Start-ups attraktiv

| Lesedauer: 8 Minuten
Petra Lang
Matthias Mayrock (l.) ist Gründer des Softwareunternehmens Veodin. Das Prinzip Coworking sei ideal für Start-ups, findet er.

Matthias Mayrock (l.) ist Gründer des Softwareunternehmens Veodin. Das Prinzip Coworking sei ideal für Start-ups, findet er.

Foto: Massimo Rodari

Mieten, Laptop aufklappen, loslegen – in Berlin gibt es mehr als 100 Coworking-Spaces, in denen Gründer Arbeitsplätze auf Zeit nutzen.

Berlin.  Es gibt ihn, den viel beschworenen Gründergeist. Er schwebt über der Start-up-Metropole Berlin. In den mehr als 100 Coworking-Spaces der Stadt, den großen Bürogemeinschaften der Gründer, ist er besonders zu spüren. Dort treffen sich nicht nur Freiberufler und Arbeitsnomaden, die nicht viel mehr als ihren Laptop brauchen, um Geld zu verdienen. Auch Start-ups schätzen die Arbeitsbedingungen der tageweise und längerfristig zu mietenden Arbeitsplätze.

So wie Erik und Sebastian, die ihre Nachnamen noch nicht öffentlich gemacht sehen möchten. Die beiden Jungunternehmer lernten sich während des Studiums in Neuseeland kennen. Aus dem Wirtschaftsinformatiker Erik und dem Betriebswirtschaftler Sebastian wurde schnell ein Team. Sie arbeiten daran „den deutschen Markt mit qualitativ hochwertigem Honig aus Neuseeland zu versorgen“, erklärt Erik die Geschäftsidee.

Zusammenarbeit über 16.000 Kilometer hinweg

Die beiden wollen den Weg des Honigs „vom Bienenstock bis auf die Schrippe“ für den Kunden transparent machen. „Wir sind beide auch noch in Vollzeit berufstätig – der Job finanziert unser neues Vorhaben“, sagt der 33 Jahre alte Erik. Ihr gemeinsames Start-up entwickeln sie nebenbei. Dafür müssen sie nicht nur eine Strecke von 16.000 Kilometern überbrücken, denn Erik lebt in Neuseeland und Sebastian in Berlin, sondern sie müssen oft auch über ihre „Komfortgrenze hinausgehen“, wie Erik sagt. Zwölf-Stunden-Arbeitstage gehören dazu.

Aber es klappt: „Wir pushen uns gegenseitig“, sagt Sebastian (31). Im Zeitalter der Digitalisierung sei die Zusammenarbeit über Kontinente hinweg gut möglich. Einmal im Vierteljahr treffen sie sich. „Irgendwo auf der Welt, wo wir einen Coworking-Space nutzen können“, sagt Erik.

Berliner Treffen finden im betahaus statt

Kommen sie in Berlin zusammen, ist das meist das betahaus in Kreuzberg. Beide sind sich einig: Auch, wenn sie nicht über so viele Kilometer voneinander getrennt wären, würden sie ein Coworking-Space als gemeinsamen Arbeitsplatz nutzen.

„Alles, was wir brauchen, finden wir hier“, sagt Erik. „Internet, Monitor, Drucker, Schreibtisch, Stuhl und Kaffee. „Wir schätzen vor allem die Flexibilität solcher Arbeitsplätze. Alles ist unkompliziert. Wir tauchen auf und können sofort loslegen“, ergänzt Sebastian.

Auch an Info- und Diskussionsveranstaltungen des betahauses nehmen die Gründer teil. „Uns inspiriert natürlich die Start-up-Szene Berlins. Hier herrscht tatsächlich Gründergeist“, stellt Erik fest. Die offene Gestaltung der Räume mit zahlreichen Arbeitsplätzen sei allerdings nicht immer von Vorteil. Es könne recht laut werden.

Durch die Kontakte entstehen Kooperationen

Viele Nutzer von Mietarbeitsplätzen profitieren von den sozialen Kontakten, die dort entstehen. Oft gehen sie sogar in berufliche Kooperationen über und neue Geschäftsideen entstehen. Natürlich sei die Nutzung eines Coworking-Spaces auch eine Frage des Preises, sagt Sebastian.

Im betahaus ist ein Arbeitsplatz ab 15 Euro pro Tag zu haben. Ein flexibler Arbeitsplatz, ein „Flex Desk“, kann für 99 Euro pro Monat gemietet werden. Insgesamt stellt das Haus in der Nähe des Moritzplatzes fast 200 Arbeitsplätze auf einer Fläche von 5000 Qua­dratmetern zur Verfügung. Auch feste Schreibtische und abgeschlossene Büro- und Konferenzräume kann man mieten.

Auf die Frage, warum auch er im betahaus arbeitet und nicht zu Hause am Schreibtisch, antwortet Alexis Kasperavicius lachend: „It’s not the furniture!“ („Es liegt nicht am Mobiliar!“) Tatsächlich ist die Einrichtung recht einfach und zusammengewürfelt. Der Händler und studierte Programmierer hat in Los Angeles selbst schon einen Coworking-Space gegründet, den er später an die amerikanische Kette TechSpace, die auf Teilzeit-Büros spezialisiert ist, verkaufte.

WeWork betreibt 80 Gemeinschaftsbüros weltweit

Dementsprechend gut kennt sich Kasperavicius in der Szene aus. In den USA ist diese gemeinschaftliche Art zu arbeiten schon seit weit mehr als zehn Jahren populär, erzählt er. Dort wurde die Sehnsucht nach dem Wirgefühl früher erkannt. Das New Yorker Start-up WeWork hat bereits 80 Gemeinschaftsbüros weltweit. Die meisten der Arbeitsplätze sind viel luxuriöser als die Berliner Varianten.

Es ist aber gerade das besondere Umfeld der oft in alten Fa­briken gelegenen Mietarbeitsplätze in Berlin, die Gründer wie Alexis Kasperavicius anziehen. „Dieses Gebäude ist mehr als hundert Jahre alt. Hier herrscht eine besondere Atmosphäre“, sagt er und schwärmt von seinen Büronachbarn.

„Die Leute, die hier arbeiten, sind locker, und du kannst jederzeit mit anderen ins Gespräch kommen.“ Man brauche Pausen, wenn man eine geistig anstrengende Arbeit mache. „Irgendwann spürst du: Your head is in the machine“, sagt der 48-Jährige und lacht.

Weltweiter Handel mit Ölen

Dann komme noch ein anderer Vorteil zum Tragen, fügt er schmunzelnd hinzu: „Der Kaffee kommt aus Italien und die Köchin im Café aus Frankreich. Die Verpflegung ist hier super.“ Genuss ist dem Geschäftsmann wichtig. Zusammen mit seinem Bruder handelt er weltweit mit ätherischen Rohölen für die Nahrungsmittel- und Parfümherstellung.

Im betahaus sei es „wie in einem Bienenstock“, sagt Kasperavicius. Alle sind fleißig, aber kommunizieren auch miteinander. Wird es ihm im Großraumbüro dann doch einmal zu laut, schottet er sich mit lärmreduzierenden Kopfhörern ab.

„Toll ist auch“, sagt er, „dass man hier, wenn man möchte, die ganze Nacht arbeiten kann. Wer weltweite Kontakte hat, muss ja wegen der Zeitverschiebung auch zu unüblichen Zeiten kommunizieren können.“

Co.up war eines der ersten Coworkings in Berlin

Im Gegensatz zum quirligen betahaus geht es bei co.up in der Adalbertstraße – ebenfalls Kreuzberg – eher ruhig zu. Dort sind die Arbeitsräume zu beiden Seiten der Lounge mit Sofa, Getränkekühlschrank und Esstisch abgetrennt. Zusammen mit dem betahaus gehört der Coworking-Space co.up zu den ersten Anbietern von Mietarbeitsplätzen in Berlin.

Alexander Lang (35) und sein Partner Thilo Utke (36) haben die Fabriketage 2009 eröffnet. Zwei Jahre nach Eröffnung konnten sie eine weitere Etage in dem alten Fabrikgebäude dazumieten. „Über die Jahre hat sich co.up zum Treffpunkt für alle Internetaffinen entwickelt. Es sind vor allem Programmierer und Web-Designer, aber auch Marketingleute, die bei uns arbeiten.“

Außer zahlreichen Arbeitsplätzen bietet co.up auf den insgesamt 320 Quadratmetern Fläche auch Räume für Events an. „Täglich finden hier ein bis zwei Veranstaltungen statt“, berichtet Lang. „Wer zu uns kommt, hat den Vorteil, soziale Kontakte pflegen zu können und gleichzeitig Stabilität in den Arbeitsalltag zu bringen – ohne sich ablenken zu lassen“, hebt Alexander Lang hervor.

„Man trifft hier auf ein professionelles Umfeld, kann Kunden gewinnen oder Verstärkung für die eigenen Projekte finden.“ Davon hat Lang selbst schon als Entwickler von Cobot, einer Management-Software für die Betreiber von Coworking-Spaces, profitiert. Ursprünglich nur für eigene Zwecke konzipiert, verkaufen er und seine Gründerkollegen das Online-Tool mittlerweile weltweit – besonders gut in den USA, dem Ursprungsland der Coworking-Szene.

Ein fertiges Nest für die Firma

Im oberen Stock von co.up hat sich das Start-up Veodin Software eingemietet. „Wir profitieren vom ready-made“, sagen die Gründer Matthias Mayrock und Jan Mechtel in schönstem Deutsch-Englisch-Mix. „Co.up bietet uns ein fertiges Nest für unsere Firma, das flexibel mitwächst.“ Gemeinsam mit ihren sechs Mitarbeitern entwickeln sie Software, die laut Mayrock unter anderem Power-Point-Präsentationen „schneller, besser und konsistenter macht“.

Die Geschäfte laufen gut. Die großen vier der globalen Unternehmensberatungsfirmen gehören zu ihren Kunden. Veodin wächst, und ein Auszug aus dem „Nest“ scheint unvermeidbar. Zudem fehlen Räume, um Kunden empfangen zu können, sagt der 38-Jährige. „Besonders in der Anfangsphase unserer Firmengründung hat uns das Coworking-Prinzip geholfen“, erklärt der Informatiker.

So hatte sich das junge Team ganz auf seine Firma konzentrieren können, statt erst einmal mit Immobilienbesitzern, Energie- und Telekommunikationsunternehmen verhandeln zu müssen. „Außerdem haben wir von den Kontakten zu den vielen IT-Leuten, die hier arbeiten, profitiert. Das ganze Package macht Coworking günstig und zu einer tollen Sache für Start-ups.“