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Mensch und Maschine: Ein Lehrer für Roboter Myon

| Lesedauer: 6 Minuten
Andrea Pawlik
Benjamin Panreck leitet das Forschungslabor Neurorobotik an der Beuth Hochschule für Technik. Dort arbeitet er mit Roboter Myon.

Benjamin Panreck leitet das Forschungslabor Neurorobotik an der Beuth Hochschule für Technik. Dort arbeitet er mit Roboter Myon.

Foto: Sven Lambert

Benjamin Panreck forscht an der Berliner Beuth Hochschule für Technik. Neurorobotik ist sein Fach, der Roboter Myon sein Studienobjekt.

Berlin.  Benjamin Panreck ist alles andere als ein typischer Ingenieur. Der Experte für Neurorobotik interessiert sich für viel mehr als Technik: Psychologie, Verhaltensbiologie, Outdoor-Sport, und er hinterfragt die gesellschaftliche Bedeutung seiner Forschung. Durch seine Ausbildung zum Rettungssanitäter erfuhr er, wie medizinisch und menschlich anspruchsvoll die Arbeit auf einer Intensivstation ist. „Diese Erfahrung hat mich auch für die unschönen Dinge im Leben sensibilisiert“, sagt er.

Nach zwei Jahren in der Notfallrettung spielte der gebürtige Sylter sogar mit dem Gedanken, Medizin zu studieren. „Aber ich habe in dieser Zeit auch die Arbeitsbedingungen der Ärzte kennengelernt“, erzählt Panreck. Also habe er sich von dieser Idee wieder verabschiedet – und fasste ein Studium der Veranstaltungstechnik ins Auge. Als Oberschüler hatte Benjamin Panreck im Kino und bei Konzerten gejobbt, den Umgang mit Audio- und Videotechnik gelernt und eine Menge Spaß daran gehabt.

Mechatronik statt Veranstaltungstechnik

„Die Beuth Hochschule war die einzige in Deutschland, die Veranstaltungstechnik anbot“, erzählt der 28-Jährige. So wurde er auf die Hochschule aufmerksam. Beim Stöbern auf der Internetseite dann noch eine Entdeckung: An der Beuth Hochschule für Technik wird Mechatronik gelehrt! Damit waren die Würfel gefallen. Benjamin Panreck schrieb sich für das Bachelorprogramm ein, schloss gleich das Masterstudium an und machte 2015 seinen zweiten Abschluss an der Beuth.

Mit 26 hatte er also den Zivildienst, eine Ausbildung, Berufserfahrung und zwei Studiengänge hinter sich. Ganz schön schnell oder? „Ich war einfach schon immer neugierig“, sagt Benjamin Panreck. Das sei seine Motivation.

Während Panrecks Masterstudium kam der Mathematiker und Psychologe Manfred Hild an die Beuth. Als Professor für Digitale Systeme baute er dort das Forschungslabor Neurorobotik auf, in dem auch Benjamin Panreck mitarbeitete – nach Abschluss seines Masterstudiums auf einer Vollzeitstelle. Seit drei Semestern hält er als Lehrbeauftragter auch Übungen ab und referiert auf Konferenzen über die Neurorobotik. Im Januar 2016 übernahm Benjamin Panreck die Leitung des Forschungslabors.

Personalführung gehört zum Job dazu

14 Teammitglieder hat er inzwischen, darunter Angestellte, Hilfswissenschaftler „und Studenten, die es einfach cool finden, was wir hier machen“. Ja, es sei eine herausfordernde Aufgabe, Leute zu führen, sagt Benjamin Panreck. „Aber wenn man promoviert, muss man auch das lernen.“

Dass ihm Forschen irgendwann einmal so viel Spaß machen würde, hätte der 28-Jährige früher nicht vermutet. „Das hat sich erst im Studium entwickelt“, erzählt er. Jetzt gefällt es ihm so gut, dass er sich vorstellen kann, auf Dauer Forscher und Dozent an der Uni zu sein. „Bleibt nur die Frage, wie sich das in vier bis fünf Jahren mit den Professuren entwickelt hat“, sagt der Realist.

Dreh- und Angelpunkt seiner Promotion wie des gesamten Forschungslabors ist Myon, ein humanoider Roboter, der an der Beuth Hochschule für Technik entwickelt wird. 1,25 Meter groß, 16 Kilo schwer und mit einer Kamera, Mikrofonen und zahlreichen Sensoren ausgestattet, lernt Myon aus den Eindrücken, die ihm seine Umwelt anbietet, und richtet sein Verhalten an seinen Erfahrungen aus. Benjamin Panreck und seine Kollegen programmieren und unterrichten ihn, setzen ihn immer wieder neuen Situationen aus und analysieren, welche Fortschritte der Roboter macht.

Roboter im Ensemble der Komischen Oper

Das bekannteste Experiment brachte Myon im Sommer 2015 auf die Bühne der Komischen Oper mit ihrem dunkelroten Vorhang. „Seitdem hat Rot Signalwirkung auf ihn“, erzählt Benjamin Panreck. Als er und seine Frau im Sommer geheiratet haben, war Myon sogar Trauzeuge. „Wir hatten einen sehr netten Standesbeamten“, erinnert sich Panreck. „Myon durfte die Eheurkunde mit seinem Fingerabdruck unterschreiben.“ Ein bisschen kitschig sei das ja schon gewesen, sagt er. Aber seine Frau habe die Idee der Kollegen aus dem Labor ziemlich cool gefunden.

In Mitte hat das Team den Roboter auch einfach einmal auf die Straße gestellt. „Die Kinder waren unglaublich offen und wollten mit ihm spielen“, erzählt Panreck. „Erwachsene dagegen sind vorsichtig. Die meisten haben Angst, etwas kaputt zu machen.“ Teuer wäre das: 20.000 Euro ist der reine Materialwert. Einschließlich Entwicklung und Arbeitszeit kostet Myon rund 100.000 Euro. Abgeben würde er ihn zu diesem Preis aber trotzdem nicht, der ideelle Wert liege noch deutlich höher. „Es steckt viel Herzblut drin“, sagt der Ingenieur.

Lernfähigkeit nicht mit Menschen vergleichbar

Größe und Gewicht von Myon sollen einem siebenjährigen Kind entsprechen. Wie beschränkt der Roboter im Vergleich zu Menschen ist, wird Benjamin Panreck immer wieder deutlich, wenn er mit seiner Tochter spielt. Zurzeit ist sie fast ein Jahr alt. „Menschen entwickeln sich so schnell“, sagt er. Die Robotik sei noch weit dahinter. Myons Fähigkeit zu Bewegung ist beschränkt, auch intellektuell ist er verglichen mit einem Menschen in nur geringem Maße lernfähig.

Dementsprechend findet Panreck die „aktuelle gesellschaftliche Panik“ verfrüht: „Wir werden nicht in zehn Jahren von Maschinen ersetzt“, sagt er. Einige Aufgaben würden sie dem Menschen abnehmen. In der Pflege sieht er sie aber nicht. „Der Mensch ist sehr einfühlsam“, sagt Panreck. „Pflegeroboter, die zum Beispiel Demenzkranke bespaßen sollen, halte ich für mehr als fragwürdig.“

In vier bis fünf Jahren will Benjamin Panreck seine Promotion über Bioinformatik abschließen. Neben seinen täglichen Aufgaben als Laborleiter bleibt ihm nicht viel Zeit dafür. „Aber die Doktorarbeit ist auch nicht das Wichtigste in meinem Leben“, sagt er. Nur, ohne den Titel wäre es auf Dauer schwierig, an der Hochschule zu bleiben.