Duales Studium

Eine anstrengende, aber lohnende Dreiecksbeziehung

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Christina Petrick-Löhr

Foto: Christian Kielmann

Fit muss man sein für das duale Studium: Hier gehen Betriebe, Hochschulen und Studenten eine besondere Symbiose ein.

Zuwachsraten im zweistelligen Bereich! Minimale Ausfallquoten! Bestnoten in Sachen Zufriedenheit! Nein, es geht nicht um Fahrvergnügen im neuesten Edel-Sportwagen. Das Erfolgsprodukt ist eine Bildungsspezialität made in Germany – das duale Studium.

Die Grundidee ist bestechend einfach: Studierende absolvieren gleichzeitig ein akademisches Studium und lernen im Betrieb die praktische Seite ihres Berufs kennen – Arbeitsalltag und Anforderungen unter realen Bedingungen inklusive. Es ist eine Dreiecksbeziehung der besonderen Art zwischen Studenten, Betrieben und Hochschulen.

„Montag, Donnerstag und Freitag arbeite ich, Dienstag und Mittwoch wird studiert“, erzählt Svenja Schönberner. Die 24-jährige Berlinerin ist bei Visit-Berlin beschäftigt, der Hauptstadt-Marketingagentur. Innerhalb von dreieinhalb Jahren absolviert sie ihren Bachelor of Arts im Fach Business Administration an der Hochschule für Wirtschaft, Technik und Kultur. Natürlich ist es nicht mit zwei Lerntagen pro Woche getan – dazu kommen zwei Präsenzwochen pro Semester an der Hochschule und viel Lernerei am heimischen Schreibtisch.

Viele Schnittstellen

„Der Verbund von Theorie und Praxis gefällt mir wahnsinnig gut“, schwärmt sie. „Was ich beim Studium lerne, kann ich direkt anwenden – es gibt sehr viele Schnittstellen.“ Für die junge Berlinerin ist das eigene Einkommen schon während des Studiums ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Zeitraubende Nebenjobs sind so überflüssig.

Ein weiterer Pluspunkt: „Während des Studiums haben die Studierenden intensiven Kontakt mit ihrem Ausbildungsunternehmen, ein großer Teil wird nach dem Abschluss übernommen. Die meisten anderen bekommen sehr schnell eine Stelle. Das gibt ein Gefühl von Sicherheit, nach dem sich heute viele junge Menschen sehnen“, erklärt Harald Gleißner, Dekan des Fachbereichs Duales Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.

Unter 928 dualen Bachelor-Studiengängen können die Schulabgänger nach Auskunft der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) aktuell an deutschen Hochschulen – zumeist Fachhochschulen – wählen. Dazu kommen mehr als 500 duale Angebote von Wirtschafts-, Verwaltungs- und Berufsakademien. Die Zahlen steigen. Bei den weiterführenden Masterstudiengängen sieht es deutlich magerer aus. Hier sind derzeit gerade einmal 120 der knapp 8000 Studiengänge entsprechend konzipiert.

Abschluss in der Tasche

Wer sich für ein duales Studium interessiert, sollte genau hinsehen, denn es gibt unterschiedliche Varianten. In ausbildungsintegrierenden Programmen erhalten die Teilnehmer von den Unternehmen einen regulären Ausbildungsvertrag und müssen am Schluss eine Prüfung bei den zuständigen Kammern ablegen – was eine Menge zusätzlichen Stress, Organisations- und Lernaufwand bedeutet.

Dafür haben sie dann nach drei bis vier Jahren einen Studienabschluss und einen klassischen Ausbildungsabschluss in der Tasche. In praxisintegrierenden Programmen sind die Betriebe zwar Lernorte für mehrwöchige oder -monatige Praxisphasen oder aber einige feste Tage pro Woche, sie verzichten aber auf den formellen Berufsabschluss. Wieder andere Modelle richten sich an Berufstätige, die bereits eine Ausbildung absolviert haben und nun – neben der Arbeit – einen Hochschulabschluss aufsatteln wollen.

Die Abbrecherquoten in dualen Studiengängen sind extrem niedrig. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung BiBB lag die durchschnittliche Abbrecherquote bei knapp sieben Prozent. „Dual Studierende sind hochmotiviert und handverlesen“, weiß Gleißner. „Die Firmen suchen sich ihre Studierenden genau aus, wer es schafft, hat meist einen Auswahlprozess mit Assessmentcenter, Gesprächen und Tests hinter sich.“

Sport und Wirtschaft

Derlei Zielstrebigkeit klingt dann so: „Ich wollte an diesen Platz, ich wollte dieses Studienkonzept und ich wollte zu diesem Unternehmen“ sagt Christian Maibom. Aus Tübingen zog der heute 23-Jährige Anfang 2012 nach Berlin, um an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement DHfPG seinen Bachelor in Fitnessökonomie zu machen. Arbeitgeber ist der Fitnessclub Justfit im Stadtteil Mitte. Dort betreut er als Personal Trainer die Kunden, verdient während der Ausbildungszeit monatlich rund 600 Euro.

Die Kombination aus Sport und Wirtschaft ist es, die Christian Maibom an seinem Studienfach besonders reizt. 35 Stunden Arbeit im Fitness-Studio stehen bei ihm wöchentlich auf dem Programm, dazu kommen zwischen zehn und zwanzig Stunden Lernzeit, je nachdem, ob Prüfungen anstehen oder nicht. „Die Skripte zu den einzelnen Fächern umfassen 300 bis 500 Seiten, die sollten als Vorbereitung auf die Studientage gelesen und durchgearbeitet werden. Unsere Klassen sind klein, die Betreuung sehr individuell“, so Maibom.

Als private Einrichtung ist die DHfPG auf Studiengebühren angewiesen. Diese übernimmt in der Regel der Arbeitgeber. Für den Bachelor-Studiengang Fitnessökonomie mit zusammen 63 Präsenztagen etwa werden insgesamt knapp 12.000 Euro veranschlagt. Gerade für kleinere Unternehmen ist das eine Menge Geld.

So gaben bei der BiBB-Umfrage 63 Prozent der Betriebe die Kosten als Hauptgrund dafür an, das Angebot an dualen Ausbildungsplätzen trotz großer Nachfrage nicht weiter auszubauen. Viele Betriebe lassen sich im Gegenzug vertraglich garantieren, dass die Absolventen später für einige Jahre im Betrieb bleiben.

Wo Gebühren anfallen

Während bei privaten Bildungsanbietern – deren Zahl in den vergangenen Jahren rapide gewachsen ist – Studiengebühren von insgesamt 10.000 bis 20.000 Euro normal sind, fallen an staatlichen Hochschulen wie der HWR keine an – weder für Unternehmen noch für Studenten.

Christian Tauch, Leiter des Arbeitsbereichs Bildung bei der HRK, betrachtet die privaten Bildungsanbieter sowohl als Konkurrenz für die Fachhochschulen wie auch als Ergänzung: „Die neuen Anbieter, sofern es sich um seriöse Einrichtungen handelt, bereichern die deutsche Bildungslandschaft und helfen so, den unterschiedlichen Bedürfnissen von jungen Menschen und Arbeitgebern zu entsprechen.“

Einen weiteren Vorteil für die Hochschulen sieht Christian Tauch in dem Kontakt zur Wirtschaft: „Die enge Zusammenarbeit mit den Unternehmen trägt erfahrungsgemäß dazu bei, die finanzielle und personelle Ausstattung der Hochschulen auch über den engeren Rahmen eines dualen Studiengangs hinaus zu verbessern, Lehrbeauftragte zu stellen, Abschlussarbeiten mit zu betreuen, Aufträge auch im Forschungs- und Entwicklungsbereich zu vergeben und den Transfer von Wissen und Technologie zu intensivieren.“

Der Unterricht ist praxisnah

An der HWR etwa werden angehende Logistiker zum Thema „Gefahrguttransporte“ von Lehrbeauftragten aus der Wirtschaft unterrichtet. „Das ist ein wichtiges Thema, aber zu klein, um dafür eine eigene Professur einzurichten. Auf diese Weise bekommen unsere Studenten topaktuellen, praxisnahen Unterricht“, sagt Gleißner.

Angesichts der Verzahnung von Wirtschaft und Hochschulen ist es naheliegend, dass das Fächerspektrum die Bedürfnisse der Wirtschaft spiegelt. Die meisten dualen Studiengänge sind im Bereich der Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften sowie der Informatik zu finden.

Tauch erläutert: „Duale Studienplätze werden in den Fächern angeboten, mit deren Absolventen die Unternehmen ihren künftigen Fachkräftebedarf decken möchten. Der Anteil der Wirtschaftswissenschaften war mit über 40 Prozent des Gesamtangebots über die Jahre von 2004 bis 2013 stabil.“ Auffällig sei die Steigerung im Bereich Sozialwesen.

Für die Betriebe ist das duale Studium ein wichtiger Baustein der Personalentwicklung. Nachwuchs wird so schon früh an das Unternehmen gebunden. Laut BiBB-Untersuchung sind die Absolventen vor allem für erste Führungspositionen als „mittlere Kader“ vorgesehen, wo sie noch enge Bindungen an die „eigentlichen“ Produktions- und Dienstleistungsvorgänge“ haben. Svenja Schönberner und Christian Maibom hoffen, nach ihrem Abschluss bei ihren Arbeitgebern bleiben zu können. Und vielleicht, mit Unterstützung des Chefs, den Master zu machen.